Kaum ist Heiko Kächele mit seinem Mähdrescher ein paar Meter über den Linsenacker auf der Schopflocher Alb gefahren, stoppt er das große Gefährt auch schon wieder. In aller Ruhe steigt er vom Führerhaus herunter und reißt zig Halme und Gräser vom Mähwerk ab, die sich dort verfangen haben. Sind es zu viele, geht gar nichts mehr. Er stellt das Mähwerk ein Stück höher ein und macht einen weiteren Versuch, um die optimale Position zu finden. Zwischenzeitlich ist sein Bruder Rolf Kächele mit Traktor und Anhänger am Ackerrand angekommen. Es folgt die erste Lagebesprechung. Auch wenn noch wenig Masse im Getreidetank ist, bläst Heiko Kächele einen ersten Schwung in den Anhänger. Rolf Kächele klettert hinein und verteilt die Getreidemischung flach auf den Boden. Es folgt ein erster kritischer Blick.
Geduld und Fingerspitzengefühl
Ganz zufrieden ist er mit der Ausbeute nicht. „Der Linsenanbau ist eine knifflige Angelegenheit, insbesondere, was den richtigen Zeitpunkt zum Dreschen anbelangt. Ihn zu finden, ist nicht einfach. Das Problem ist, dass die Linsen ungleichmäßig abreifen, denn die Pflanze wächst ständig. Das heißt: oben blüht die Linse und unten gibt es reife Früchte“, erklärt Rolf Kächele. Bei Soja und Ackerbohnen sei es noch komplizierter. Wie die Linse gehören sie zu den Leguminosen, also Hülsenfrüchten. „Die Erträge schwanken stark, die Leguminosen sind a blissle zickig“, sagt der Landwirt augenzwinkernd. Er hat die marmorierte Anicia-Linse auf drei Äckern angepflanzt. Dabei handelt es sich eigentlich um die Puy-Linse – doch diese Bezeichnung ist wie beispielsweise der Schwarzwälder Schinken oder der Allgäuer Bergkäse geschützt.

„Dieses Jahr ist relativ wenig Unkraut drin. Das Problem beim Linsenanbau: Man kann den Acker nicht striegeln, also das Unkraut nicht mechanisch bekämpfen, was es schwieriger macht. Sobald gesät ist, hat man keine Möglichkeit mehr zu reagieren. Chemisch geht gar nichts“, erklärt der Landwirt. Deshalb lassen sich Beikräuter nicht vermeiden. Auch die Feuchtigkeit in den Pflanzen macht das Dreschen in diesem Jahr nicht einfacher. „Ob du es trockener bekommst, ist fraglich. Die wollen wieder Regen“, meint Heiko Kächele mit Blick auf seine Wetter-App. Wer die Werkstatt unter dem Himmel hat, muss flexibel sein und Nerven bewahren. Die Brüder entscheiden sich schließlich für die Ernte. „Es ist jedes Mal eine Herausforderung. Das erste Jahr, als ich 2022 Linsen angebaut habe, war die Ernte super. Es war trocken. Von der Aussaat bis zur Ernte war alles entspannt. Dieses Jahr braucht es Geduld und Fingerspitzengefühl“, verdeutlich Rolf Kächele, wie sich die Witterung auf den Ernteerfolg auswirkt.
„Die Linse braucht eine Stützfrucht. Dazu kann man Hafer oder Gerste nehmen. Wir haben uns für den Leindotter entschieden. Der Schwerpunkt liegt bei der Linse, bei der Ausbeute bei Leindotter gehe ich von 25 bis 30 Prozent aus“, so Rolf Kächele. In normalen Jahren rechnen die Landwirte mit 100 Kilogramm Linsen-Ertrag auf einen Hektar Fläche. Eine weitere Rechnung: Auf 75 Kilogramm Linsen kommen sechs Kilogramm Leindotter. Letztere Frucht wird zu einem hochwertigen Öl verarbeitet. Aber die Linse kann nicht nur als schwäbisches Nationalgericht punkten: „Wir müssen keinen Stickstoff zuführen, den macht die Linse selber“, verrät der Landwirt.
Rolf Kächele hat die Linsen bei Familie Gansloser angeliefert, die in Scharenstetten einen Demeter-Hof betreibt und Getreideaufbereitung anbietet, die Schopflocher Linsen also reinigt, trocknet und schält. „Die Gespräche dort haben meine Einschätzung bestätigt: 2024 war einfach kein gutes Linsenjahr. Die ungünstigen Bedingungen zur Aussaat und die anhaltende Nässe in der Hauptwachstumsphase haben zur extrem ungleichmäßigen Abreife und zu einem untypischen Wachstum geführt“, erklärt Rolf Kächele. Es waren lange und damit hohe beziehungsweise „mastige“ Linsenpflanzen, die der Leindotter nicht ausreichend stützen konnte und die Ernte somit erschwerte. „Getreide als Stützfrucht wäre heuer vielleicht besser gewesen“, meint er im Rückblick.
Nachdem alle Felder abgeerntet sind, kann er den Ertrag und die Qualität als unterdurchschnittlich aber dennoch nicht enttäuschend einstufen. „Nach der Reinigung wird sich zeigen, wie viel Speiseware tatsächlich gewonnen werden konnte. Ich bin optimistisch und hoffe auf einen guten Anteil an Speiselinsen“, sagt Rolf Kächele.