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Die Erdbeersaison im Kreis Esslingen ist in vollem Gange

Landwirtschaft Dank großer Folientunnel können seit Mitte April heimische Erdbeeren geerntet werden. Der gewerbsmäßige Anbau erfordert eine Menge Know-how, Handarbeit und Erfahrung. Von Gaby Weiß

Obstbautechniker Guido Henzler im Wandertunnel, wo Erdbeeren geschützt heranwachsen. Foto: Gaby Weiß

Dank großer Folientunnel können bereits seit Mitte April die ersten heimischen Erdbeeren geerntet werden. Der gewerbsmäßige Anbau der fruchtigen Leckereien erfordert jede Menge Know-how, viel Handarbeit und langjährige Erfahrung.

 

Letztes Jahr haben wir die allerletzten Beeren im Dezember im Tunnel gepflückt.
Gabriele Zimmermann
Agrarwissenschaftlerin aus Köngen
 

Rot, fruchtig und süß – so muss die perfekte Erdbeere sein. Obwohl die leckeren Früchtchen von eher sensibler Natur sind, konnte trotz wechselhaften Wetters in diesem Jahr bereits Mitte April mit der Ernte heimischer Erdbeeren begonnen werden. In begehbaren Folientunneln wachsen die Früchte vor Wind und Wetter geschützt heran. Erdbeeren aus dem Freiland sind ab Mitte Mai zu erwarten, je nach Wetterlage werden späte Sorten bis in den Herbst hinein geerntet.

„Dieses Jahr mit einem milden Winter mit wenig Schnee, einem feucht-regnerischen Frühjahr und hohen Durchschnittstemperaturen war für die Erdbeere ideal, um sich langsam und stressfrei zu entwickeln“, erklärt Agrarwissenschaftlerin Gabriele Zimmermann, die auf den Löss-Lehm-Böden der Köngener Riedhöfe Erdbeeren kultiviert. Zwei fast hochsommerliche Wochen beschleunigten den Reifeprozess, dann freilich folgten Tage mit Nachtfrösten, die den Erdbeerbauern im Landkreis schlaflose Nächte bereiteten.

Umsichtigkeit vermeidet Ertragsausfälle

Hätten sie nicht umsichtig vorgesorgt, hätten sie sicherlich große Ertragsausfälle zu beklagen gehabt. „Die Knospen, die Blüten und die kleinen, anfangs grünen Früchte sind sehr frostempfindlich. Diese hätten im Freiland die Kälte ohne Vlies-Abdeckung nicht überstanden, und sogar im geschützten Anbau in den Tunneln haben wir vorsorglich abgedeckt“, erzählt die Landwirtin.

Auf Nürtinger Gemarkung in Neckarhausen und in Raidwangen baut Guido Henzler rund 35 Hektar im Freiland und weitere rund zehn Hektar Erdbeerpflanzen im Wandertunnel an. Die mobilen Hochtunnel sind nicht beheizt, schützen aber vor Wind und Wetter und ermöglichen eine um etwa zwei Wochen frühere Ernte. Der Obstbautechniker und sein Team von Henzlers Beeren- und Spargelanbau haben den Wetterbericht stets im Blick. Drahtlose Thermometer übermitteln die aktuellen Temperaturen, notfalls muss auch mal nachts noch eine Truppe los, um weitere Lagen Vlies auszubringen: „Ein oder zwei zusätzliche Minusgrade können entscheidend sein. Das variiert je nach Lage, Wind und Wolkendecke.“

Es sei eine Wissenschaft für sich, die Bedingungen für jeden Standort individuell einzuschätzen: „Die Tunnelfolie macht ein bis zwei Grad plus, das Gewebeband, auf dem gepflanzt wird, bedeutet ein Grad minus. Ein zusätzliches Vlies schützt um drei Grad, eine weitere Vlies-Schicht noch einmal um drei Grad“, erklärt Henzler. Wird es nach einer Frostnacht erneut warm, müssen morgens sämtliche Pflanzreihen wieder aufgedeckt werden.

Im gewerbsmäßigen Anbau werden Erdbeeren sowohl in Tunneln als auch im Freiland auf Dämmen gepflanzt. „Diese Dämme erwärmen sich schneller als der flache Boden. Sie sind mit einer Mulchfolie bedeckt, die das Unkrautwachstum unterdrückt“, erklärt Gabriele Zimmermann. In den Dämmen sind Tropfschläuche verlegt. „Wasser ist ein kostbares Gut, mit dem wir sorgsam umgehen“, betont Guido Henzler: „Durch eine gezielte elektronisch gesteuerte Bewässerung erhält die Pflanze mehrmals am Tag genau so viel Wasser, wie sie in ihrem jeweiligen Entwicklungsstadium braucht, direkt an die Wurzeln. Da geht kaum etwas durch Verdunstung verloren.“ Beide Betriebe arbeiten so gut wie ohne Insektizide. In den Tunneln werden gezielt Nützlinge eingesetzt, um mögliche Schädlinge in Schach zu halten. Für seine frühen Erdbeersorten setzt Guido Henzler auf Hummeln: „Den Bienen ist es im April oft noch zu kalt. Deshalb setzen wir Hummeln zur Bestäubung ein, die fliegen auch bei kühleren Temperaturen.“

Gestaffelter Anbau

Damit nicht auf einen Schlag sämtliche Beeren gleichzeitig reif sind und um möglichst lange reife Früchte anbieten zu können, wird der Anbau gestaffelt: Es werden frühe, mittlere und späte Sorten gepflanzt. Beide Erdbeerbetriebe setzen auch auf besondere Sorten, um die Saison zu verlängern: Tagneutrale, remontierende Sorten blühen den ganzen Sommer über immer wieder und tragen von Ende Juni bis in den Herbst hinein Früchte. „Letztes Jahr haben wir die allerletzten Beeren tatsächlich im Dezember im Tunnel gepflückt“, erzählt Gabriele Zimmermann.

Bei der Ernte von Hand direkt in kleine Schalen ist Vorsicht angesagt: „Die Frucht ist empfindlich: Wenn man zu fest zugreift, gibt es schnell Druckstellen“, warnt Gabriele Zimmermann. Und Guido Henzler fasst zusammen: „Erdbeeren muss man hegen und pflegen und sorgsam behandeln, sie sind sensibel. Man muss schauen, dass es den Pflanzen gut geht.“