Es ist ein Ereignis für 580 Millionen Christen weltweit, wenn heute der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK), auch Weltkirchenrat genannt, in Karlsruhe zusammentritt. Besonders für die Evangelische Akademie Bad Boll. Dort diskutierten 60 Teilnehmer einer vorbereitenden Tagung Anfang Juni, was sie sich von dieser Vollversammlung versprechen. Mark Witzenbacher, Leiter des Koordinierungsbüros: „Wir hoffen, dass wir in Karlsruhe Geschichte schreiben.“
Dass Vollversammlungen Geschichte schrieben, zeigte eine abendliche Gesprächsrunde mit Konrad Raiser, Generalsekretär des Weltkirchenrats von 1992 bis 2003. So stand bereits 1975, vor fast 50 Jahren, das Thema „Nachhaltigkeit“ auf der Tagesordnung.
Der Brasilianer Odair Pedroso Mateus, Direktor der Abteilung Glaube und Kirchenverfassung und stellvertretender Generalsekretär des ÖRK, stimmte die Tagungsteilnehmer auf das Motto „Die Liebe Christi bewegt, versöhnt und eint die Welt“ ein. Dahinter stehe die leidenschaftliche Anteilnahme Jesu am Leiden der Menschheit.
Einer der sieben „Megatrends“, der in Karlsruhe behandelt wird, ist Rassismus. Der sei wie ein Oktopus, klagte Masiiwa Ragies Gunda, Programmkoordinator des ÖRK zur Rassismusbekämpfung aus Zimbabwe. Rassismus strecke seine Tentakel in die Medien, das Justizsystem, den Zugang zur Gesundheitsversorgung und Nahrung, in die Bildung und die Wohnverhältnisse aus. Die Idee der weißen Vorherrschaft habe den Kolonialismus überlebt. „Wir brauchen unbequeme Debatten, um dem Rassismus die Legitimität zu entziehen.“
Die Pandemiemaßnahmen hätten mindestens ein Jahrzehnt Entwicklungsanstrengungen zunichte gemacht, sagte Dietrich Werner, Referent für Theologische Grundsatzfragen bei „Brot für die Welt“. 500 Millionen Menschen drohten erneut in extreme Armut zu geraten. Er stellte auch fest: In der Umweltbewegung seien die Kirchen die Avantgarde gewesen, beim Thema Biodiversität stehe das noch aus.
Neun Studierende aus Tübingen kritisierten: Voriges Jahr habe Deutschland 50 Milliarden für die Bundeswehr, aber nur 2,4 Milliarden für humanitäre Hilfe ausgegeben. Sie begründeten, warum gewaltfreie Konfliktlösungen erfolgreicher seien als der Einsatz von Waffen. Durch höhere Legitimität erreiche ziviler Widerstand mehr Beteiligung und schaffe mittel- und langfristig die Basis für ein friedliches Zusammenleben.
Zu den Aktivitäten vor der Vollversammlung gehörte ein Klimapilgerweg von Stuttgart nach Karlsruhe. Eine der Organisatorinnen, Pilgerpfarrerin Ulrike Schaich, gab gemeinsam mit zwei Lamas einen Vorgeschmack und lud in Bad Boll zum Abendspaziergang ein.
Warum man den Ökumenischen Rat der Kirchen brauche: Auch wenn die Christen die Einheit der Kirche bekennten, lebten sie in vielen verschiedenen Kirchen, führte der stellvertretende Generalsekretär Mateus aus. „Diese Vielfalt ist ein Reichtum.“
Frank Otfried July, mittlerweile emeritierter Landesbischof und sieben Jahre Vizepräsident des Lutherischen Weltbundes, hat seine erste internationale Prägung bei eben dem Ökumenischen Rat der Kirchen in Genf erfahren. Sein Standpunkt: „Dass die Ökumene zum Herzschlag unserer Kirche gehören muss, dafür habe ich mich immer eingesetzt.“
Zum letzten Mal 1968 in Europa
Turnus Die Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen tritt in der Regel alle acht Jahre zusammen. Zuletzt war dies in Südkorea, davor in Brasilien. Letztmals in Europa war sie 1968 in Schweden.
Protestanten Eingeladen haben unter anderem die Evangelische Kirche in Deutschland, die Union der Protestantischen Kirchen von Elsass und Lothringen und die Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz.
Botschafter Die württembergische Landeskirche will mit 25 Botschafterinnen und Botschaftern dazu beitragen, die Impulse der Versammlung in Karlsruhe in die Kirche und in die Gemeinden zu tragen. pm