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Die Fassade liefert künftig den Strom

Sanierung 840 Solarmodule an der Außenseite des Geriatrischen Zentrums Esslingen-Kennenburg sollen den Großteil des Energiebedarfs des Stifts decken. Rund 15 Millionen Euro kostet das Projekt. Von Elke Hauptmann

Aus Überzeugung nachhaltig handeln, so lautet das Leitbild der „Dienste für Menschen“ (DfM). Dieser Anspruch wird bald auch nach außen deutlich sichtbar: Das Geriatrische Zentrum Esslingen-Kennenburg erhält eine „Klimafassade“. Es handle sich dabei um eine Kombination aus vorgehängten Solarmodulen und einer Begrünung an den Südbalkonen des Wohn- und Pflegestifts, skizziert Stefanie Schnabel von der Bauverwaltung der gemeinnützigen Gesellschaft das Vorhaben. Die Inves­titionskosten werden auf rund 15 Millionen Euro beziffert, wobei die Bauherren auf öffentliche Fördermittel hoffen.

Das Ziel hat man klar vor Augen, sagt Rainer Freyer, Geschäftsführer der Dienste für Menschen: „Das Geriatrische Zentrum soll bis Anfang der 2030er-Jahre CO2-neutral beheizt werden und die Wärmeerzeugung auf erneuerbare Energien umgestellt sein.“ Man sei bereits auf einem guten Weg.

 

Arbeiten beginnen im Spätherbst

Unlängst erst konnte die aufwendige Generalsanierung des aus den 1970er-Jahren stammenden Gebäudekomplexes abgeschlossen werden, nun stehen wieder langwierige Umbauarbeiten an: Die Gebäudefassade wird energetisch saniert und zum „Kraftwerk“ umfunktioniert. Die bislang ungenutzten Flächen bieten nämlich großes Potenzial für die solare Energieerzeugung. Schon in diesem Spätherbst soll es mit dem ersten von insgesamt drei geplanten Bauabschnitten losgehen.

„Die Ausschreibungen starten jetzt, nachdem die Baugenehmigung Ende Juni von der Stadt Esslingen erteilt wurde“, berichtet Schnabel. Im ersten Schritt werden die sechs Stockwerke oberhalb des Haupteingangs umgebaut, betroffen davon sind der Wohnbereich im Atrium mit 60 Einzelzimmern sowie die Diakoniestation und die Verwaltung des gemeinnützigen Unternehmens. Ausziehen muss jedoch niemand – der Umbau der Balkone samt Dämmung und Verkleidung der Fassade sowie einer Dachbegrünung erfolgt bei laufendem Betrieb. Auch der Parkplatz vor dem Haus soll überdacht und mit einer Photovoltaikanlage versehen werden.

Das Gesicht des Gebäudes im Esslinger Norden wird sich völlig verändern. Allein im ersten Abschnitt werden etwa 240 Solarmodule senkrecht an der Fassade montiert. Dazwischen sollen Kletterpflanzen an Metallgestellen in die Höhe ranken – automatisch bewässert mit Wasser aus einer Zisterne. Der Austritt ins Freie bleibt den Bewohnern erhalten, die Balkone fallen jedoch kleiner aus. Sie erhalten eine Verglasung, die sich auf- und zuschieben lässt. Alles in allem sollen 840 Solarpaneele installiert werden, „die tatsächlich verbaute Anzahl kann aber noch variieren“.

Die Fassadenmodule des ersten Bauabschnitts werden unmittelbar nach Fertigstellung in Betrieb gehen – und laut Schnabel geschätzte 30 000 Kilowattstunden Sonnenstrom pro Jahr liefern. Zusammen mit den Modulen auf dem Parkdeck und auf dem Dach des Atriums werden insgesamt rund 200 000 Kilowattstunden pro Jahr erzeugt – und etwa 100 Tonnen CO2-Ausstoß vermieden. Wenn das Gesamtkonzept Klimafassade umgesetzt ist, wird der eigenerzeugte Solarstrom voraussichtlich 75 bis 80 Prozent des gesamten Bedarfs des Wohnstifts decken, sagt Schnabel. Und der ist nicht gerade gering: Das Geriatrische Zentrum Esslingen-Kennenburg mit 195 Plätzen hat im vergangenen Jahr rund 980 000 Kilowattstunden Strom verbraucht. Zum Vergleich: Der durchschnittliche Stromverbrauch in einem Einfamilienhaus mit vier Personen liegt bei 3000 bis 5000 Kilowattstunden pro Jahr.

Genutzt werden soll der Sonnenstrom unter anderen für die Ladeinfrastruktur der künftigen Fahrzeugflotte: Die Dienste für Menschen stellen an allen Standorten den Fuhrpark auf Elektroautos um. In Esslingen ist dafür eine Kooperation mit den Stadtwerken geplant. Insgesamt sind zwölf Ladesäulen auf dem Parkplatz vorgesehen, die auch von den gut 260 Mitarbeitenden und den 60 Beschäftigten der Zentrale genutzt werden können. Schon im Herbst dieses Jahres sollen sie in Betrieb gehen.

 

Lebensqualität steht im Mittelpunkt

1957 wurde auf Initiative von Pfarrer Willy Grüninger der Feierabendverein Waiblingen gegründet. Sein Ziel der Schaffung eines Alten- und Pflegeheimes hat er 1965 erreicht. Bald danach wurde daraus der Verband Schwäbischer Feierabendheime. In den 90er-Jahren entstand nach der Ausgliederung von Tochterfirmen und der Umbenennung in „Dienste für Menschen“ die Unternehmensgruppe. Im Jahr 2004 wurde aus dem eingetragenen Verein die Dienste für Menschen gGmbH.

Dienste für Menschen (DfM) mit Sitz in Esslingen ist ein diakonischer Altenhilfeträger und beschäftigt rund 2000 Mitarbeitende in Baden-Würt­temberg, Bayern und Sachsen. In 26 Pflegeheimen werden 1700 Menschen betreut. Zehn ambulante Pflegedienste und Diakoniestationen sorgen für Lebensqualität und Sicherheit zu Hause. In 280 betreuten Wohnungen an fünf Standorten sichern Serviceverträge ein selbstbestimmtes Leben bis ins hohe Alter. Im Jahr 2022 betrug die Bilanzsumme 108,1 Millionen Euro, der Umsatz lag bei 120,6 Millionen Euro. eh