Die drei Menschen starben am 6. November 1941. Joachim und Meta Gottschalk wählten den Freitod für sich und ihren achtjährigen Sohn, als sie keine Hoffnung mehr hatten, dem Terror der Nazis zu entgehen. Der Verein Denk-Zeichen hat die Veranstaltung zu den Stolpersteinen initiiert. WLB-Intendant Marcus Grube, Marcus Michalski und Oliver Moumouris von der Württembergischen Landesbühne (WLB) in Esslingen sowie Reinhold Riedel von Denk-Zeichen und die Stolperstein-Patinnen Carmen Tittel und Anna Kienel wirkten mit.
Ein gefeierter Schauspieler
Joachim Gottschalk wurde 1904 in Calau in Brandenburg geboren und war in den 1930er-Jahren ein gefeierter Schauspieler, nicht nur am Theater, sondern auch beim Film. Bei seinem Engagement an der damaligen Württembergischen Volksbühne – der Vorgängerin der Württembergischen Landesbühne – lernte er Meta Wolff kennen, die schon einige Jahre mehr Bühnenerfahrung hatte als der junge Mann. Wolff stammte aus Dudweiler im Saarland und war Jüdin. Die beiden verliebten sich ineinander, Meta ließ sich evangelisch taufen, und sie heirateten. Das war im Jahr 1933, als Gottschalks Karriere auf einem Höhepunkt war, die Nazis die Macht übernahmen und antisemitische Gesetze verabschiedeten, die Juden systematisch aus der Gesellschaft ausschlossen.
Die Heirat mit der Jüdin Meta Wolff brachte Joachim Gottschalk in eine prekäre Lage. Sie hatten einen Sohn, Michael, und versuchten trotz der wachsenden Bedrohung und des Drucks auf jüdische und sogenannte „nicht-arische“ Familien zunächst ein relativ ruhiges und zurückgezogenes Familienleben zu leben. Zunächst schützten Gottschalks Popularität und die Tatsache, dass er als Arier galt, die kleine Familie. Das Propagandaministerium unter Joseph Goebbels übte aber zunehmend Druck auf ihn, der „jüdisch versippt“ war, aus, sich von seiner Frau zu trennen, um seine Schauspielkarriere fortsetzen zu können. Doch Joachim Gottschalk weigerte sich beharrlich. Mit der Eskalation der Verfolgungspolitik des Dritten Reichs spitzte sich ihre Lage dramatisch zu, Repressalien nahmen zu. Meta Gottschalk durfte ihren Beruf nicht ausüben, auch nur Filme mit ihrem Mann im Kino besuchen. Joachim Gottschalk wurde aus Engagements entlassen, es wurde immer schwieriger Filmrollen zu bekommen, obwohl Regisseure sich um den mittlerweile sehr anerkannten Filmschauspieler bemühten. Leute aus dem Kollegium wie Gustav Knuth, René Deltgen oder Brigitte Horny versuchten zu helfen, knüpften Kontakte zu Schweizerischen Bühnen.
Abschiedsbriefe an Freunde
Doch Joachim Gottschalk glaubte nicht daran, in der Schweiz sicher zu sein. Mit zunehmender Bedrohung wurde das Leben der Familie unerträglich. Sie gerieten schließlich in eine aussichtslose Lage: Die Deportation von Meta und Michael stand unmittelbar bevor, Joachim sollte an die Front eingezogen werden. Die Aussicht auf ein gemeinsames Leben in Freiheit war aussichtslos. Am 6. November 1941 nahmen Joachim, Meta und ihr Sohn Michael in ihrer Berliner Wohnung Schlaftabletten und drehten den Gashahn auf. In ihren Abschiedsbriefen verteilten sie ihre wenigen Schmuckstücke, baten die Zurückbleibenden, nicht zu trauern, versicherten ihnen, das gemeinsame Ende als Erlösung empfunden zu haben, „glücklich darüber, gesund und frei ein Ende machen zu können“.
Grabstelle in Berlin wird erhalten
Obwohl die nationalsozialistischen Medien auf Geheiß des Propagandaministeriums die Tragödie verschwiegen und Nachrufe verboten, kamen viele von Gottschalks Bekannten, Freunden und Kolleginnen zur Beisetzung. Gustav Knuth sprach viele Jahre später noch sehr emotional über den Tod der Gottschalks: Es sei das Schlimmste in seinem Leben gewesen, sagte er in einem Interview. Ein Foto von Joachim Gottschalk soll stets als einziges von Kollegen auf seinem Schreibtisch gestanden haben.
WLB-Intendant Marcus Grube setzt auf eine nachhaltige Wirkung der Stolpersteine: „Wir hoffen, dass uns diese Steine im alltäglichen Trott ‚stolpern‘ und nachdenken lassen“, sagte er. Die Esslinger Stadträtin Carmen Tittel übernimmt gemeinsam mit Reinhold Riedels Tochter Anna Kienel die Patenschaft für die drei Steine. Tittel sagte: „Für uns alle, die nach dem Krieg geboren sind, war ein ‚Nie wieder‘ selbstverständlich, angesichts antisemitischer Ausschreitungen müssen wir erkennen, dass dies nicht so ist.“ Reinhold Riedel berichtete noch von den finanzbedingten Diskussionen um den Erhalt der Grabstelle der Gottschalks in Berlin als Ehrengrab. Den Ausschlag zu einer positiven Entscheidung soll George Will, der ehemalige Klassenkamerad von Michael Gottschalk, gegeben haben.
Gedenken an NS-Opfer
Neue Stolpersteine Die Stolpersteine für die Gottschalks sind die Nummern 68, 69 und 70 in Esslingen. Stein Nummer 71 wird am Freitag, 15. November, um 11 Uhr in der Obertürkheimer Straße 64 in Esslingen-Mettingen vor dem ehemaligen Gebäude der Firma Hirschmann gelegt. Er erinnert an Sachar Sossonov, einen von den Nazis ermordeten Zwangsarbeiter aus der Sowjetunion. Stein 67 wurde kürzlich in der Hindenburgstraße 27 in Gedenken an Amalie Hotz verlegt, die im Rahmen des Euthanasie-Aktion T4 ermordet wurde.
Gedenktag Am Sonntag, 17. November, 16 Uhr, trifft man sich auf dem Friedhof in Esslingen-Sulzgries zur Gedenkfeier an den Gräbern der Zwangsarbeiterinnen, Zwangsarbeiter und ihrer Kinder aus der Sowjetunion, die in Esslingen umgekommen sind.
Film Am Sonntag, 1. Dezember, um 17 Uhr läuft im Kommunalen Kino in Esslingen der Film „Ehe im Schatten“ mit anschließender Diskussion. Der Film, der von der DEFA 1947 in der sowjetischen Zone gedreht wurde, basiert auf der Novelle von Hans Schweikart: „Es wird schon nicht so schlimm“. Die Fabel beruht auf dem authentischen Schicksal von Meta, Joachim und Michael Gottschalk. Mit international insgesamt mehr als zwölf Millionen Besuchern wurde „Ehe im Schatten“ der erfolgreichste deutsche Film während der ersten Nachkriegsjahre.