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"Die Forderungen sind unverhältnismäßig"

Artenschutz. Der Artenschutz ist wichtig. Das steht außer Frage. Im Falle der geplanten Belagssanierung eines 450 Meter langen Teilstücks eines Notzinger Feldwegs kritisieren Gemeinderat und Verwaltung allerdings das geforderte Ausmaß der artenschutzrechtlichen Prüfungen und die so entstehenden hohen gutachterlichen Kosten. Von Katja Eisenhardt

Notzingen. Der betreffende Weg liegt links, also südlich der Kreisstraße 1205 (Ötlinger Straße), wenn man aus Notzingen in Richtung Kreisverkehr nach Wernau und Kirchheim fährt im Vogelschutzgebiet. Besonders nach Starkregenereignissen wird der Schotter auf dem Wegstück immer wieder ausgespült. Ein befestigter Belag wäre sinnvoll, zumal der Weg als klassischer Zubringer zum Radwegeschnellnetz von Radfahrern stark frequentiert wird. Angesichts des derzeit nur schwer befahrbaren und aufgrund des groben Schotters auch nicht ungefährlichen Untergrunds weichen diese häufig auf die Hauptstraße aus. Was das Gefahrenpotenzial nicht mindere, wie Helmut Langguth (SPD) betonte, der selbst oft mit dem Rad unterwegs ist.

Bereits im November hat sich der Notzinger Gemeinderat mit der Thematik beschäftigt. Die von der Unteren Naturschutzbehörde des Esslinger Landratsamts geforderten artenschutzrechtlichen Voruntersuchungen sind umfangreich, was die Kosten für das damit zusammenhängende Gutachten in die Höhe treibt. Ein erstes Angebot dafür lag bei 12 000 Euro brutto. Der Gemeinde geht es um die Belagssanierung eines gut 450 Meter langen Teilstücks eines Feldwegs, der an anderer Stelle vom Kreisverkehr her bereits asphaltiert ist. Ebenso wie jene nahe gelegenen Wege in Richtung Hohenreisach auf Kirchheimer Gemarkung und Richtung Freitagshof auf Wernauer Gemarkung. Bürgermeister Sven Haumacher hatte sich zwecks des Umfangs der Untersuchungen nochmals an die Untere Naturschutzbehörde gewandt. Mit dem Ergebnis, dass die Untersuchungen nicht ganz so umfänglich notwendig seien, wie im bisherigen Angebot dargelegt, die etwas abgespeckte Version aber nach wie vor 8246 Euro brutto kosten würde. Die zuständige Ökologin des Landratsamts habe erläutert, dass in Sachen Artenschutz der Vögel drei Begehungen mit Blick auf die Feldlerche nötig seien, für die Erfassung der Schmetterlinge beziehungsweise deren Futterpflanzen müsse es zudem eine Begehung geben, aus der sich dann der weitere Untersuchungsbedarf ergebe. Dazu seien vier bis fünf Begehungen nötig, um die Zauneidechsen erfassen und kartieren zu können, berichtete Sven Haumacher.

"Das war beim Angebot über 12 000 Euro in dem Umfang schon kompletter Unsinn und ein Schildbürgerstreich und das ist es auch jetzt noch", betonte Hans Prell (UKW). Zumindest ein fester Schotterbelag sei aus Sicherheitsgründen auf dem Wegstück zwingend notwendig. Alfred Bidlingmaier (CDU) wies erneut darauf hin, dass es politischer Wille sei, den Radwegeausbau voranzubringen. So sei etwa eine Sanierung des Neckartalradwegs von Plochingen (Bruckenwasen) über Wernau nach Wendlingen auch kein Problem gewesen, obwohl dieser durch das Wernauer Naturschutzgebiet Baggerseen führe. "Die ganze Sache ist doch wirklich an den Haaren herbeigezogen", ärgerte sich Rudolf Kiltz (CDU), "ein Schmetterling geht auch an die Blumen neben dem Weg, wenn er asphaltiert ist. Und wer haftet eigentlich, wenn auf dem Weg etwas passiert, also zum Beispiel Radfahrer stürzen? So lange darf man doch nicht warten", betonte Kiltz. Auch Vera Morlok (UKW) bewertete die Forderungen des Landratsamts als "völlig sinnfrei. Für die Ausschwemmungen muss eine Lösung her, der Weg muss verbessert werden. Da können ein paar Blumen nicht entscheidend sein."

Der Gemeinderat forderte einen erneuten Vor-Ort-Termin mit Vertretern des Landratsamts. Einen ersten gab es bereits: "Da wurde keine Notwendigkeit gesehen, den Weg zu asphaltieren. Es wurde nicht geglaubt, dass er bei Starkregen unterspült wird", berichtete Haumacher. Er habe dann Fotos vorgelegt, die das sehr wohl bestätigen. Das Landratsamt habe daraufhin vorgeschlagen, man solle drei Angebote für eine Entwässerung des Wegs einholen: "Es ist ein bürokratischer Unsinn." Sven Haumacher hat das Landratsamt entsprechend der Forderungen des Gemeinderats um einen weiteren Ortstermin im neuen Jahr gebeten.

 

Das sagt das Amt für Bauen und Naturschutz zur Sachlage:

Auf Nachfrage, weshalb für die Belagssanierung des Feldwegteilstücks solch umfassende artenschutzrechtlichen Prüfungen notwendig sind, obwohl ein weiterer Abschnitt bereits asphaltiert ist, erläutert das zuständige Amt für Bauen und Naturschutz des Esslinger Landratsamts, dass bei der Asphaltierung im weiteren Wegverlauf im Rahmen des Ausbaus der K 1205 damals ebenfalls umfassende artenschutzrechtliche Prüfungen gefordert und für die Genehmigung vorgelegt werden mussten. Nicht der neue Belag stelle das Problem für die Tier- und Pflanzenwelt dar, sondern die damit verbundenen baubedingten Eingriffe, wie zum Beispiel das Abtragen des Bodens sowie die Eingriffe in die Randstrukturen/das Bankett und die Baustelleneinrichtungsflächen, erklärt die Behörde.

Die umfassenden artenschutzrechtlichen Prüfungen müssten verlangt werden, "um das Auslösen von Verbotstatbeständen nach Paragraf 44 Bundesnaturschutzgesetz zu vermeiden. Das entspricht den gängigen Vorarbeiten bei solchen Planungs- und Genehmigungsverfahren und stellen keine erhöhten Forderungen im Vergleich zu anderen, vergleichbaren Bauvorhaben dar." Erst durch einen entsprechenden gutachterlichen Nachweis werde eine Umsetzung des Bauvorhabens möglich. Auf die Kosten des Gutachtens seitens des jeweiligen Ingenieurbüros habe die Untere Naturschutzbehörde keinen Einfluss, teilt diese mit. Ein Fokus liege auf der Untersuchung, ob es im Gebiet streng geschützte Arten und einheimischen Vogelarten gebe, beziehungsweise ob diese beeinträchtigt würden. Und darauf, ob entsprechende Ausgleichsmaßnahmen möglich seien. Die Böschung sei zu beiden Seiten des Weges artenreich und nach erster fachlicher Einschätzung ein attraktives Habitat für diverse Tier- und Pflanzenarten. Darunter Zauneidechsen und Schmetterlinge. Bei Letzteren reiche zunächst eine Untersuchung zu den gegebenenfalls vorhandenen Futterpflanzen.

Was den vom Gemeinderat angeführten Vergleich zur Sanierung des Neckartalradwegs angehe, der durch das Wernauer Naturschutzgebiet führe, so habe es sich dabei "um eine reine Unterhaltungs-/Sanierungsmaßnahme im Bestand gehandelt, bei welcher keine naturschutzrechtlichen oder naturschutzfachlichen Belange tangiert waren. Es gab keinen Ausbau des Weges." eis