Superfood
Die geheime Welt der Gemüsekeimlinge

Fabian Rehkugler aus Schopfloch hat die Faszination der kleinen Pflänzchen für sich entdeckt. Geschmacksexplosionen auf dem Butterbrot und der Rat der Nachbarin waren Initialzündung. 

Fabian Rehkugler in seinem Reich, in dem er Microgreens wachsen lässt. Foto: Carsten Riedl

Es hat etwas von einem versteckten Laboratorium. Kunstlicht beherrscht den Raum, der nur verwinkelt und über Treppen zu erreichen ist. Es gluckert und summt, die Pumpen beginnen zu laufen. Es ist kühl klimatisiert und alles penibel sauber. Schwarze Plastikschalen dominieren die Regale – und in ihnen wächst das pralle, bunte Leben heran. Kräftiges Grün in unterschiedlichen Farbschattierung ist dominant, dazwischen sorgt ein strahlendes Pink für den Hingucker.

Mitten in dieser surrealen Szenerie steht Fabian Rehkugler. Es ist sein Reich, das er ertüftelt und erschaffen hat. Mitten im Ortskern von Schopfloch, alles ganz legal mit Steuernummer, Gewerbeschein und Hygieneschulung. Fabian Rehkugler produziert mit Leidenschaft Microgreens. Dazu braucht es nicht mehr als Gemüsesamen, etwas Wasser, Licht und eine Kokosmatte. Das Zusammenspiel der Komponenten ist jedoch entscheidend für den Erfolg und erfordert viel Erfindergeist und Fingerspitzengefühl. Fabian Rehkugler experimentiert seit Monaten, um das Optimum zu finden. Mittlerweile hat er bei den Grundsorten Routine, doch das ist dem umtriebigen Schopflocher ganz offensichtlich zu langweilig. Er ist weiter voller Ideen und ständig am Ausprobieren. 

 

Kresse kann jeder, aber mit der hat es bei mir tatsächlich auch angefangen.

Fabian Rehkugler

 

„Kresse kann jeder, doch mit der hat es bei mir tatsächlich auch angefangen“, gibt er zu. Eine Nachbarin hat ihm eines Tages vorgeschlagen, es mit diesem Gewächs zu probieren. „Dann bin ich über einen Artikel gestolpert in dem stand, wie super gesund Microgreens sind – und welche Sorten es gibt. Ich dachte: Das kann doch nicht sein“, erzählt er. Das Ganze ließ ihm keine Ruhe, und so hat er Samen bestellt und ausprobiert: „Ich war überrascht, wie intensiv die Pflänzchen schmecken, die Radieschen noch intensiver als der runde Rettich selber.“

 

Die Samen sind die Grundlage für die Keimlinge. Fabian Rehkugler braucht Millionen von ihnen. Foto: Carsten Riedl

 

Microgreens sind nichts anderes als Gemüsekeimlinge, die man essen kann. Mittlerweile weiß Fabian Rehkugler, was gut bei den Kunden ankommt: Radieschen bestechen neben dem Geschmack durch ihr Aussehen mit ihren roten Stängeln und grünen Blättchen. Der pinke Knaller ist der Rote Amaranth. Erbsen sind beliebt, Brokkoli auch dank ihrer gesunden Wirkung. Während Ruccola, Radieschen und Senf etwa sieben Tage bis zum verkaufsfertigen Pflänzchen herangereift sind, brauchen Sonnenblumen, Erbsen und Kohlsorten zwischen 10 und 14 Tagen. „Ich brauche Vorlauf. Morgen zwei Kilo Microgreens verkaufen geht nicht. Meine Schwierigkeit: Ich brauche Regelmäßigkeit“, erklärt er. Deshalb ist er froh, einen Stammkunden in der Nähe zu haben, der immer eine gewisse Menge abnimmt. Demnächst sind seine Microgreens auch samstags auf dem Kirchheimer Wochenmarkt zu kaufen. Deshalb macht er mit seinem Cousin gerade auch Pesto-Versuche, um eine größere Angebotspalette zu haben. 

 

Ganz klar, das sind Sonnenblumen. Foto: Carsten Riedl

 

Am Stand gibt es auch Startersets. „Die Leute wollen den Pflanzen gerne beim Wachsen zuschauen. Auf die Idee haben mich Kunden gleich auf meinem ersten Stand gebracht“, so Fabian Rehkugler. Auch daran hat er getüftelt. Jetzt gibt es neben dem Samen und einer Kokosmatte auch zwei schwarze Plastikschalen, denn zuviel Licht lässt die Pflänzchen zu schnell wachsen. Der schöne Nebeneffekt: Die Plastikschale wird langsam aber sicher beim Wachstumsprozess nach oben gedrückt. 

Gutes Wissen über die Pflanzen ist auch wichtig für den Erfolg. Die einen brauchen mehr Wasser, die anderen weniger, und Sonnenblumen sind beispielsweise Dunkelkeimer. „Kapuzinerkresse ist sehr schwierig, die braucht es extrem trocken. Zu viel Feuchtigkeit – und die Samen faulen“, sagt er. Es versteht sich von selbst, dass er so schnell nicht aufgibt. „Das ist optisch ein Hingucker und geschmacklich toll​​​​​​​. Das fuchst mich richtig, dass es bisher nicht funktioniert hat“, gibt er zu. 

 

Ein Hingucker ist der Amaranth. Foto: Carsten Riedl

 

Die zarten Pflänzchen wollen liebevoll umsorgt werden und brauchen tägliche Pflege. „Es war ziemlich mühevoll, bis das Bewässerungssystem funktioniert hat und bis ich wusste, wieviel und von welcher Richtung“, sagt er. Für den bekennenden „Bäschdler“ eine willkommene Herausforderung. „Ich experimentiere gerne, auch in meinem normalen Geschäft. Da entwerfe und entwickle ich Dinge und Prozesse“, meint er verschmitzt. Zu lange und zu schnell dürfen die Keimlinge nicht wachsen. Um das perfekte Bodenmaterial zu finden, startete er Experimente. Siegläufer ist die Kokosmatte. „Erde ist eine ziemliche Sauerei, da sind Schimmelsporen vornherein drin“, nimmt er kein Blatt vor den Mund. Aus diesem Grund wird auch die Kokosmatte nur einmal verwendet, denn die Wurzeln sind darin derart verhaftet, dass sie zu großen Teilen drin bleiben, und totes Gewebe fault nun mal bekanntlich. „Ein bisschen Bewegung beim Wachsen muss auch sein. Die dünnen Stängel müssen wackeln​​​​​​​, so stabilisieren sie sich und bauen eine dickeren Stamm auf, sodass man was zum Beißen hat“, sagt ​​​​​​​er. 

 

Kapuzinerkresse fordert Fabian Rehkugler heraus. Foto: Carsten Riedl

 

Einige Hürden waren für den Jungunternehmer zu überwinden. „Es wusste keiner, in welchen Wirtschaftszweig ich passe. Am Ende wurde es die Lebensmittelbranche,“ erklärt Fabian Rehkugler und sagt weiter: „Sogar bei der Wahl der Betriebshaftpflicht konnte keiner so eine Firma wie unsere wirklich einordnen. ​​​​​​​Wir haben nun, obwohl alle Details zum Anbauraum angegeben wurden, ,nur’ eine Versicherung für einen Hektar Ackerland bekommen. Etwas passenderes gibt es für Vertikale Landwirtschaft wohl noch nicht.“

 

Der Deckel verhindert zu schnelles Wachstum. Foto: Carsten Riedl

 

Zur Zeit experimentiert er mit selbstproduzierten Samen. Beispielsweise hat er Rettich „schießen“ lassen, also nicht geerntet, sodass sich Samen bilden konnten. Rote Beete und Mangold sind ebenfalls eigene Samen, die zuverlässig keimen. „Es sind Millionen, die wir brauchen“, sagt er. ​​​​​​Bei acht Kilo Microgreens pro Woche liegt derzeit seine Kapazität. „Das hat ein ordentliches Volumen“, verdeutlicht Fabian Rehkugler.