Weilheim · Lenningen · Umland
Die Große Wendlinger Kurve: Der Tunnel ist gebaut

Verkehr Vor elf Monaten haben die Arbeiten am Tunnel der Großen Wendlinger Kurve begonnen. Nun ist er in Oberboihingen angekommen. In den nächsten Monaten wird er innen mit Beton verkleidet. Von Sylvia Gierlichs

Der Durchschlag ist vollbracht, die Mineure stellen sich mit der Tunnelpatin vor das Loch, dass der Meißelbagger kurz zuvor gerissen hat. Foto: Jürgen Holzwarth

Dumpf böllerte der Meißelbagger gegen den Beton. Schlagartig breitete sich Stille über der Baustelle am Froschländer Kreisel in Oberboihingen aus. Dann war es da, das erste kleine Löchlein. Es dauerte keine zehn Minuten, bis der Bagger sein Werk vollendet hatte, dann schaute auch schon einer der Mineure keck aus dem Loch hinaus. Dann kamen auch die anderen Arbeiter aus dem Tunnel heraus und ließen sich von den Gästen feiern.

Es war ein zähes Ringen, bis feststand: Die Große Wendlinger Kurve wird gebaut. Denn immerhin hatte ein Stresstest bereits 2010 ergeben, dass die Kleine Wendlinger Kurve eigentlich völlig ausreicht, um die prognostizierte Anzahl von Regionalzügen von der bereits bestehenden Strecke Tübingen–Stuttgart auf die ICE-Trasse Richtung Flughafen und in die Landeshauptstadt fahren zu lassen. Auch für den Verkehr in die andere Richtung sah man genügend Kapazitäten vorhanden.

 

Mit der Großen Wendlinger Kurve wird der Bahnknoten fit für die Verkehrswende.
Peter Morhardt
Jurist des Projekts Stuttgart 21

 

Doch im Verkehrsministerium wollte man keinen Flaschenhals schaffen, man wollte auch für eine Steigerung des Zugverkehrs gerüstet sein. Ein bisschen war es, wie auf einer Achterbahnfahrt. Die Große Wendlinger Kurve kommt, hieß es einmal, dann wieder schienen alle Hoffnungen vergeblich. Doch schließlich, vor 1722 Tagen, war es so weit: Verkehrsminister Winfried Hermann kam nach Wendlingen auf die Baustelle des Albvorlandtunnels und unterzeichnete gemeinsam mit den Landräten der Landkreise Reutlingen, Tübingen und Zollernalb die Absichtserklärung, die den Kreistagen eine ordentliche Menge Geld abverlangte. Doch ohne diese Co-Finanzierung wäre der Bau des sogenannten dritten Gleises bei Oberboihingen nicht möglich gewesen.

1722 Tage – diese Zahl hatte Michael Pradel am Dienstag zur Durchschlagsfeier mit nach Oberboihingen gebracht. Der Technik-Geschäftsführer der Projektgesellschaft Stuttgart-Ulm bescheinigte den Arbeitern, die die Rohbauarbeiten im Tunnel gemacht hatten, einen ambitionierten zeitlichen Ablauf. „Das gibt es so nicht häufig“, sagte er. Sein Dank ging jedoch auch an die Anwohner, die es nicht immer leicht hatten und die Bauarbeiten ein Stück weit stoisch ertragen hätten.

Mit Zahlen wartete auch Andreas Decker von Züblin auf. Für ihn war es die Zahl elf, die während der Rohbauarbeiten eine Rolle spielte. Denn elf Monate dauerten die Arbeiten. Elf Meter am Tag schaffte das Team der Firmen Züblin und Max Bögl beim Tunnelvortrieb und bis auf 11 Millimeter genau trafen die Mineure in Oberboihingen auf den errechneten Punkt. Kniffelig wurde es an der Gasleitung der Firma Terranets, denn ein Desaster wie bei der Kleinen Kurve, bei der während des Tunnelvortriebs die Gasleitung absackte, wollte man mit der Großen Kurve nicht noch mal erleben. „Wir hatten letztlich ein gutes Drittel Reserve“, sagte Decker. Jetzt, da der Rohbau beendet ist, machen sich die Arbeiter daran, den Tunnel mit einer Innenschale zu versehen, ihn also mit Beton auszukleiden.

Verkehrsminister Winfried Hermann ließ sich von Peter Morhardt vertreten. Der Jurist begleitet das Gesamtprojekt Stuttgart 21 schon seit rund 22 Jahren und sagte: „Mit der Großen Wendlinger Kurve wird der Bahnknoten fit für die Verkehrswende.“ Man sei im Zeitplan mit der Kurve, das sei ja nicht selbstverständlich. Im Dezember 2026 gehe die Große Kurve in Betrieb, sagte er voraus.

Große Belastung für Anwohner

Oberboihingens Bürgermeister Ulrich Spangenberg erinnerte daran, dass der Bau der GWK bereits das dritte Bahnprojekt sei, mit dem sich die Bürger herumschlagen müssen. Denn auch bei der Beseitigung der Bahnübergänge plagte die Oberboihinger zeitlicher Verzug. Der wurde allerdings locker getoppt von der Verlegung der Landesstraße, wegen der die Bürger eineinhalb Jahre keine direkte Verbindung nach Wendlingen hatten. Spangenberg appellierte an die Verantwortlichen bei Bahn und Land, nicht nur an die Verbindung nach Stuttgart zu denken, auch eine Verbindung von Wendlingen nach Ulm hat für ihn durchaus Potenzial. Damit sprach der Bürgermeister das Dilemma an, dass mit Fertigstellung der ICE-Trasse der Regionalzug nicht mehr ab Wendlingen auf die Alb fährt. Wer dann aus Richtung Plochingen oder aus Richtung Tübingen auf die Ulmer Alb fahren möchte, der muss dann bis zum Flughafen fahren und dort in den Zug nach Ulm umsteigen. Auch er machte nochmals darauf aufmerksam, dass die Bauarbeiten eine große Herausforderung für die Anwohner sind.

Von ihnen waren doch etliche der Einladung der Projektgesellschaft gefolgt und zur Durchschlagsfeier gekommen. Klar, den Moment des Durchbruchs mitzuerleben fanden sie schön. Doch mehrfach kam bei ihnen die Frage auf, ob die versprochenen Lärmschutzfenster denn auch wirklich eingebaut werden. Denn eine der Herausforderungen, mit denen sie sich heute schon, aber auch in Zukunft, herumplagen, ist die Weiche, die direkt vor ihren Wohnungen eingebaut wurde.