Über Jahre war das Café Schümli ein Publikumsmagnet in der Nürtinger Altstadt. Nachdem 2021 Schluss war, verschwanden auch die Besucher aus dem Quartier. Die übrig gebliebenen Läden sind selten geöffnet oder haben ganz zugemacht – die Altstadt liegt im Dornröschenschlaf. Im ehemaligen Schümli herrscht ein Kommen und Gehen – vor allem unter den Mietern. Das Café Carl – das kurz nach dem Schümli in der Altstadt eröffnete – hatte nur an wenigen Tagen in der Woche geöffnet. Nach zwei Jahren war Schluss, neue Pächter wurden gesucht und schnell gefunden. Doch auch die blieben nicht lange. Nach nicht einmal einem Jahr verabschiedeten sich die beiden Betreiber wieder. Seitdem steht das einstige Wohnzimmer der Altstadt leer.
Fünf junge Nürtinger wollen es nun besser machen. Marcel Golob hat erfahren, dass das kleine Geschäft am Schloßberg wieder frei wird. „Seit fünf oder sechs Jahren spiele ich mit dem Gedanken, ein eigenes Lokal zu eröffnen“, sagt der 29-Jährige: „Jeder Nürtinger kennt das: Man möchte abends noch etwas trinken gehen und fast alles hat geschlossen.“
Wir wollen den Fokus auf Nürtingen legen.
Nemanja Vasiljevic
Der Unternehmer berichtet vier Freunden von seiner Idee. Sie alle kennen sich entweder noch aus Nürtinger Schulzeiten oder sind Arbeitskollegen. Michael Krause, Eric Gerhardy, Nemanja Vasiljevic und Sven Noack sind gleich an Bord. „Jeder von uns hat seine Stärken und Fachbereiche, wir ergänzen uns super“, sagt Krause. Vasiljevic zieht für den neuen Laden extra aus Heidelberg nach Nürtingen, ohne die Stadt wirklich zu kennen. „Aber Marcel hat immer nur gut von Nürtingen gesprochen“, sagt er lächelnd. Auch eine Wohnung habe er schon gefunden.
Synergien in der Altstadt schaffen
Der Plan ist klar: „Wir wollen wieder Leben in die Altstadt bringen“, sagt Golob. Dafür möchte man eng mit den anderen Händlern vor Ort arbeiten: „Es soll nicht jeder sein eigenes Süppchen kochen. Wir wollen Synergien schaffen.“ Die Altstadt soll ein Café behalten. „Wir werden Frühstück, Kaffee und Kuchen weiterhin anbieten“, so Golob. „Und zwar nicht nur an manchen Tagen in der Woche. Bis auf einen Tag werden wir immer offen haben“, ergänzt Krause, der schon lange in der Gastronomie arbeitet und weiß, wie wichtig regelmäßige Öffnungszeiten sind.
Die Betreiber möchten aus eigenen Erfahrungen lernen und in das Angebot einfließen lassen. „Überall gibt es nur vorgeschriebene Frühstück-Menüs. Bei uns sollen sich die Leute ihr Frühstück selbst zusammenstellen können“, so Golob. In vielen Lokalen seien die Preise für ein Wasser unverschämt. „Bei uns soll das Tafelwasser nicht mehr als einen Euro kosten“, sagt Gerhardy. Bei den Kuchen soll es vegane Alternativen geben. „Derzeit befinden wir uns in Verhandlungen mit Lieferanten“, so der 29-Jährige weiter.
Mittags Café, abends Cocktailbar
Abends werde sich das Café dann in eine gemütliche Cocktailbar verwandeln. „Wir möchten ausgefallene Cocktails zu einem erschwinglichen Preis anbieten“, sagt Gerhardy. „Es wirds unseren eigenen Gin geben“, ergänzt Golob. Wichtig sei, dass die Karte auch etwas für den schmaleren Geldbeutel bietet. Schließlich möchte man endlich die vielen Hochschulstudenten davon überzeugen, dass es sich auch nach Vorlesungsschluss lohnt, in Nürtingen zu bleiben. Die fünf werden auch den Ladenraum unter dem ehemaligen Schümli betreiben. In dem Gewölbekeller sollen künftig unter anderem Whiskey-Tastings und andere Veranstaltungen stattfinden.
Im Inneren des Lokals werde sich nicht allzu viel verändern. „Den Wohnzimmer-Charme möchten wir unbedingt beibehalten“, sagt Golob. Schließlich soll es ein Ort werden, an dem die Gäste gemütlich zusammensitzen, sich unterhalten und etwas trinken können – kein Party-Schuppen. Als das Konzept stand, musste noch ein passender Name her. „Wir wollen den Fokus auf Nürtingen legen, das ist uns wichtig“, sagt Vasiljevic. Eine Verbindung, speziell zur Geschichte der Altstadt, soll hergestellt werden. Für die Namensfindung haben die Betreiber deshalb Inspiration im Stadtmuseum gesucht. Schnell kamen sie darauf, dass das Nürtinger Schloss Witwensitz von Herzoginnen war. Deshalb spielten die fünf mit dem Gedanken, ihr Lokal „Witwensitz“ zu nennen. Weil das nicht unbedingt nach einem Ort klingt, an dem man gerne Kaffee und Kuchen genießt, haben sich die Gastronomen für eine kürzere und freundlicher klingende Alternative entschieden: Herzogin.
Eröffnung schon Ende Juli?
Am liebsten soll die Herzogin schon Ende Juli eröffnen. Vorher werde es noch ein sogenanntes Soft Opening, also eine inoffizielle kleine Eröffnung, geben. Ob sie Angst davor haben, dass es ihnen genauso ergehen könnte, wie vielen anderen Betreibern in der Altstadt vor ihnen? „Das große Geld erwarten wir gar nicht“, sagt Golob. „Wir gehen nicht blauäugig an die Sache heran, aber wieso soll eine gute Cocktailbar in Nürtingen nicht funktionieren? Wir sind bereit, alles reinzustecken, was wir können.“