Würde sich die sogenannte Kleine Wasserkraft, also jene Kraftwerke, die mit ihren Turbinen bis zu 500 Kilowatt an Strom erzeugen können, in den nächsten 15 bis 20 Jahren aus der Energieerzeugung verabschieden? Das fürchteten die Kraftwerksbetreiber. Denn nach den Plänen der Bundesregierung sollten diese kleinen Kraftwerke keine
Einspeisevergütung mehr erhalten, sobald ihr Bestandsschutz ausgelaufen ist. Betroffen wären unter anderem die Stadtwerke in Nürtingen und das Kraftwerk in Unterboihingen, aber auch die Kraftwerke der Familie Ensinger in Owen.
Hier wird derzeit eine Fischauf- und -abstiegshilfe gebaut, die viel Geld kostet. Drei Millionen Euro, um genau zu sein. Mit diesem Bau soll es Fischen ermöglicht werden, am Kraftwerk unbeschadet vorbeizukommen. Denn das ist es, was Kritiker der Kleinen Wasserkraft vorwerfen: Sie erzeugen nicht genügend Strom, schaden jedoch der Umwelt. Doch die drei Millionen Euro müssen auch erwirtschaftet werden, um solche Ökoprojekte finanzieren zu können.
Der Schreck war bei den Kraftwerksbetreibern also groß, als das sogenannte Osterpaket der Bundesregierung veröffentlicht wurde und aus den Papieren klar hervorging, dass der Fokus bei den erneuerbaren Energien klar auf der Windkraft und Solarenergie liegt. Strom aus Wasserkraft sollte künftig nur noch von den großen Kraftwerksbetreibern kommen.
Nun schwenkte die Bundesregierung jedoch um. Grüne, FDP und SPD einigten sich darauf, dass das Erneuerbare-Energien-Gesetz 2021 auch für die Kleine Wasserkraft weiterhin Gültigkeit hat. Und im „überragenden öffentlichen Interesse liegt“. Damit ist sie der Windkraft und der Solarenergie gleichgestellt.
Frank Reiner, kaufmännischer Leiter der HOS, die die Anlage in Unterboihingen betreibt, zeigte sich ob dieser guten Neuigkeiten erleichtert. „Die HOS hatte sich bereits in den vergangenen Jahren entschlossen, mehrere Millionen Euro in die Wasserkraft zu investieren. Insbesondere in ökologische Maßnahmen. Durch die weitere Gewährung einer EEG-Vergütung haben wir nun wieder eine klare Kalkulationsgrundlage und wir können unsere Vorhaben wie geplant weiterführen. Darüber sind wir sehr froh“, sagte er.
Gastel: Biodiversität erhalten
Matthias Gastel, Bundestagsabgeordneter der Grünen im Wahlkreis Nürtingen, ist froh, dass es nun abweichend vom Gesetzentwurf für die Vergütung des Stroms aus kleinen Wasserkraftwerken, von denen im Landkreis Esslingen zahlreiche Anlagen existieren, nun doch keine Änderung geben wird. „Als Grüne bekämpfen wir auch das Artensterben und schützen natürliche Lebensräume“, machte er deutlich. Geplant sei, den Erhalt und die Verbesserung der Biodiversität parallel zum Ausbau der Erneuerbaren zu fördern. Dabei kämen ganz neue Instrumente zum Einsatz, wie beispielsweise Schutzprogramme in nie gekannter Größenordnung. Insgesamt stünden dafür im Bundeshaushalt vier Milliarden Euro zur Verfügung.
Dass das Fortbestehen der Kleinen Wasserkraft gesichert ist, darüber freut sich auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Markus Grübel. „Das ist nur konsequent und richtig. Damit ist der ursprüngliche Gesetzentwurf der Ampelkoalition, die bislang garantierte Vergütung nach dem EEG ab dem 1. Januar 2023 für alle Wasserkraftwerke mit einer installierten Leistung von weniger als 500 Kilowatt aus ökologischen Gründen ersatzlos zu streichen, vom Tisch“, sagt er. Auch wenn Anlagen modernisiert oder neu errichtet werden, sollen sie nun doch auch weiterhin gefördert werden. Damit ist auch die Zukunft der Anlagen im Landkreis Esslingen gesichert.
Frank Reiner wies darauf hin, dass die Wasserkraft ein wichtiger Baustein der Industrialisierung am Mittleren Neckar gewesen sei. „Damit trug sie zu unserem heutigen Wohlstand bei. Und sie ist auch zukünftig als regenerative Energiequelle von Bedeutung. Deshalb muss diese Technologie bewahrt bleiben“, sagt er. Mit dem Aus für die Kleine Wasserkraft, ist er sich sicher, wäre auch ein beträchtlicher volkswirtschaftlicher Schaden entstanden.