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Die Kleintierzucht ist ein zeitintensives Hobby

Tradition Der Kaninchen- und Geflügelzuchtverein Notzingen-Wellingen e.V. wird dieses Jahr stolze 100 Jahre alt. 1922 wurde der Verein noch unter dem Namen "Kleintierzuchtverein" ins Leben gerufen. Heute gibt es nur noch wenige aktive Züchter. Von Katja Eisenhardt

Notzingen. Sieben Männer aus dem Ort kamen 1922 im ehemaligen Notzinger Gasthaus Zum Hirsch zusammen, um einen Kleintierzuchtverein zu gründen. Zu den Gründern zählten Hirschwirt Hermann Niefer, Eugen Dettner, Ernst Weberueß, Georg Aurenz, Karl Hermann, Johann Strauß und Christian Mattheiß. "Im Hirsch und im Wellinger Gasthaus Adler wurden von da an die Versammlungen abgehalten, im Adler bis 1962 sogar die Ausstellungen der Tiere", berichtet der heutige erste Vereinsvorsitzende Manuel Schranner (36), "Kleintierschauen in den Gasträumen einer Wirtschaft, in heutiger Zeit kaum vorstellbar." Ab 1962 fanden die Lokal- und später auch Kreisschauen in und neben der Gemeindehalle und auf dem Festplatz statt. "Früher gab es noch mehr Landwirtschaft im Ort, viele hatten so ohnehin den nötigen Platz für die Tierhaltung. Damals passte die Bezeichnung Kleintierzüchter, da die Vereinsmitglieder neben den bis heute gezüchteten Kaninchen und dem Geflügel zudem beispielsweise auch Schafe und Ziegen hatten", erklärt Schranner. Etwa 2010 sei der Verein in Kaninchen- und Geflügelzuchtverein umbenannt worden.

Manuel Schranner sitzt am Tisch mit Hermann Fahrion (84). Er und sein Bruder Erich Fahrion sind derzeit die ältesten Vereinsmitglieder, wenngleich auch keine aktiven Züchter mehr. Hermann Fahrion ist seit seinem zwölften Lebensjahr im Verein und begeistert sich von Beginn an für das Federvieh, während sein Bruder jede freie Minute im Hasenstall verbrachte. "Der damalige Vereinsvorstand kam in die Schule und hat uns Kindern Bilder von verschiedenen Tieren gezeigt, um das Interesse für den Kleintierzüchterverein zu wecken", erinnert sich Hermann Fahrion, dessen Großvater ebenfalls Vereinsmitglied war. Die Hühner haben es dem heute 84-Jährigen als Kind besonders angetan, das ist bis heute so geblieben. Auch Tauben hat er mal gezüchtet und parallel zum Verein noch über 50 Jahre Rottweiler. Rottweiler. Das Züchten hat Hermann Fahrion aufgegeben, sechs Legehennen hat er aber noch und besucht nach wie vor mit großem Interesse die Ausstellungen. "Manchmal reizt es mich dann doch wieder, mit dem Züchten anzufangen", gibt er zu und lacht. In seiner Generation sei man noch eher langfristig einem Hobby treu geblieben, als das heute der Fall sei bei der viel größeren Auswahl an Freizeitbeschäftigungen, sagt der 84-Jährige.

Früher diente die Tierhaltung der Selbstversorgung 

In den Anfangszeiten des Vereins, während des zweiten Weltkriegs und den schwierigen Jahren danach diente die Tierhaltung vor allem der Selbstversorgung, erklärt Hermann Fahrion, der 1938 geboren ist. "Wenn es bei uns mal Fleisch gab, dann einen Hasen oder eine Henne." Während des Krieges ruhte das Vereinsleben. Erst als die Zeiten wieder deutlich besser wurden, konzentrierten sich die Vereinsmitglieder verstärkt auf die Zucht für die Ausstellungen. Bis heute haben die Jungtierschauen im Juli und die Lokalschauen im November einen hohen Stellenwert. "Nach dem Krieg kamen nach und nach internationale Rassen dazu, etwa aus England und Asien", erzählt Fahrion, da gab es dann etwa eine Hühnerrasse, die grüne Eier legte, das war was Besonderes." Überhaupt sei die Zucht eine Wissenschaft für sich, viele Details müssen beachtet werden, erklärt Profi Manuel Schranner. Stimmen die Farbtöne und -verläufe von Fell und Gefieder, ist der Schnabel gerade, liegen die Federn richtig, hat der Kamm die richtige Zacken-Zahl, ist das Tier an sich wohlgeformt. All das und noch mehr sind Attribute, auf die die Preisrichter bei den Schauen penibel achten. Bis auf Bundesebene gibt es Ausstellungen.

Nur noch wenige aktive Züchter

"Wir haben derzeit 73 Mitglieder, darunter sechs bis sieben aktive Züchter, berichtet Manuel Schranner. Seit zehn, fünfzehn Jahren sinken die Mitgliederzahlen. Manche ältere Mitglieder seien schon verstorben, junge kommen keine mehr nach: "Eine Vereinsauflösung, wie es sie andernorts bereits gab, droht aber noch nicht." Zu Spitzenzeiten Anfang der 70er-Jahre bis zu Beginn der 2000er sah das noch rosiger aus: "Da waren es um die 25 aktive Züchter und wir hatten lange Zeit mit Ernst Matteiß, Franz Pfister und Karl Böbel drei vereinseigene Preisrichter für die Schauen", erzählt Manuel Schranner. Höhepunkt im 100-jährigen Vereinsleben sei der große Erfolg des mittlerweile verstorbenen Züchters Philipp Seil gewesen, der 2003 mit seinen Tauben Wiener Tümmler schwarz den Europameistertitel holte.

Seit 70 Jahren gibt es die Jugendarbeit im Verein

Dreißig Jahre nach Gründung des Kleintierzuchtvereins Notzingen-Wellingen wurde zusätzlich eine Jugendabteilung ins Leben gerufen. Viele der damaligen Mitglieder kamen über ihre Väter oder Großväter zum Verein, daran hat sich auch in den darauffolgenden Jahrzehnten kaum etwas geändert. Vereinsvorstand Manuel Schranner, Jahrgang 1986, ist ebenfalls über seinen Großvater zu seinem großen Hobby der Kaninchen- und Geflügelzucht gekommen. "1998 bin ich der Jugendgruppe beigetreten, die 1952 gegründet wurde. Ein Jahr später nahm ich zum ersten Mal an einer Ausstellung teil. Zu Spitzenzeiten hatte ich um die 60 Kaninchen und 250 Hühner. Heute sind es noch 40 Kaninchen und 35 Hühner", berichtet der 36-Jährige. Viel Zeit nehme die Zucht und Pflege der Tiere in Anspruch, dessen müsse man sich bewusst sein. Für viele ist das neben Schule, Studium und Ausbildung oder im Berufsleben dann zu aufwändig. "Das ist wohl einer der Gründe, weshalb die Jugendgruppe aktuell nur noch aus zwei Mitgliedern besteht", vermutet Manuel Schranner. Dazu sei das Freizeitangebot heute deutlich größer als in früheren Vereinszeiten. "Man bleibt nicht mehr unbedingt lange bei einer Sache und hat oft mehrere Hobbies gleichzeitig." Da stehe die Kleintierzucht und alles was dazugehöre nicht unbedingt ganz oben auf der Liste, beobachtet der Vereinsvorsitzende. "Es geht bei uns schlicht um Lebewesen, die täglich versorgt werden müssen. Dazu die Aufgaben der Zucht und die Vorbereitung der Schauen. Das bedeutet einen hohen Zeitaufwand und zugleich eine große Verantwortung."

Zu Spitzenzeiten habe die Jugendgruppe aus 15 bis 20 Jugendlichen bestanden. Das Miteinander wurde groß geschrieben, man traf und trifft bis heute im Verein auf Gleichgesinnte, kann sich austauschen. Darüber hinaus gab es schon immer gemeinsame Unternehmungen, die Jugendabteilung grillte, war auf verschiedenen Tagesausflügen unterwegs, war auf den Helferfesten zu den Schauen mit von der Partie oder beim Landesjugendtreffen. 2023 ist das nächste in Königsbronn-Zang geplant. eis