Es ist der Geruch von altem Holz, Lehm und Kalk, der beim Betreten der Jahrhunderte Jahre alten Fachwerkhäuser in die Nase strömt. Der Hauch der Vergangenheit macht sich breit, denn im Freilichtmuseum in Beuren scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Hier tauchen die Museumsgäste in eine Welt ein, wie sie heute kaum vorstellbar ist. Hans Krieg führt beispielsweise die Besucherinnen und Besucher durch ein Haus, das im 18. Jahrhundert erbaut wurde und das innen so aussieht, als ob gleich Urgroßmutter und Urgroßvater um die Ecke kämen und sich nach getaner Arbeit an den Tisch setzen würden. Für Kinderaugen sieht bei dieser Führung doch einiges sehr merkwürdig aus - aus heutiger Sicht.
Ziemlich erstaunt zeigen sich die kleinen Besucherinnen und Besucher, als Hans Krieg von einer Kuh im Schlafzimmer erzählt. Doch wie sich herausstellt, war das zu Urgroßvaters und Urgroßmutters Zeiten noch ziemlich normal. Denn eine Kuh hat eine praktische Eigenschaft. Neben Milch und Fleisch gibt sie eine Menge Wärme an ihre Umgebung ab, quasi ein Heizofen auf vier Beinen . “Selbst wenn der Ofen in der Nacht brannte, konnte es im Winter ganz schön frostig im Haus werden“.
Um genügend zu essen zu haben, wurde aber nicht nur Vieh gehalten, sondern auch das „Essgärtle“ gepflegt, wie die Schwaben ihre Gemüsegärten liebevoll nannten. Hierzulande standen vor allem Zwiebeln, Bohnen oder Kartoffeln auf dem Speiseplan, lauter Dinge, die satt machen, erklärt der Experte. Geflüchtete aus dem Osten brachten später auch Zucchini oder Paprika nach Deutschland. Allmählich merkten eben auch die Schwaben, dass das Essen aus dem Ausland gut schmeckte. „So funktioniert das auch heute noch, alle zwanzig bis vierzig Jahre“, meint Hans Krieg.
Am„Backhäusle“ angekommen, erfahren die Besucher der Führung, dass dieser Ort beileibe nicht nur der Ort war, an dem die Frauen aus ihren mitgebrachten Teigen ihr Brot backten - es war der Mittelpunkt eines Dorfes, mit Klatsch und Tratsch, Kommunikationszentrum und Tageszeitung gleichzeitig. Auch heutzutage wird der Ofen im Backhaus noch zu besonderen Anlässen zum Glühen gebracht, und dann wird das gesamte Museumsdorf mit dem Geruch von frischen „Weckle“ umhüllt.
„Hinterbliebene erinnern sich noch genau an die ehemaligen Hausbewohner“, erzählt Hans Krieg, als die Besucher durch das Schlafzimmer eines 1763 erbauten Wohnhauses laufen. Wer hier zuletzt gewohnt hatte, war das Ehepaar Walz mit zwei Kindern, mit den Großeltern Digel und der Schwägerin Luise Digel. Besonders Luises Leben bleibt den Museumsgästen im Gedächtnis, denn schon in jungen Jahren wurde sie von einem tragischen Schicksaal ereilt. Bei einem Arbeitsunfall verlor sie einen Arm. Fortan erhielt sie eine Rente und lebte im Haus des Ehepaars. Trotz verlorenem Arm – an Autorität hatte sie nicht vererloren: „D`Danda gilt“, erinnern sich heute die Neffen und Nichten, was nichts anderes bedeutet als „was die Tante sagt, das zählt“.
Immer wieder lässt sich der schwäbische Charakter in den Häusern, die alle aus der Umgebung stammen, erkennen. So auch im Wohnzimmer der Familie Walz, wo man eine für die damalig Zeit neumodische Erfindung entdeckt – eine Tapete. Allerdings war so ein Wandschmuck ziemlich teuer, was bei genauerem Hinsehen deutlich zu erkennen ist. „Der Schwabe tapeziert nicht hinter dem Schrank“, scherzt Hans Krieg über den berühmten schwäbischen Sinn fürs Sparen. Nichts wurde verschwendet. Selbst das Kondenswasser, das von den Fenstern tropfte, wurde in damaligen Zeiten aufgefangen und zum Kochen benutzt.
Ob Groß oder klein, eines wurde den Besuchern des Museums bei ihrem Besuch klar: Die Urgroßeltern lebten in einer anderen Welt, als die, die wir heute kennen. Sicher war ihre Zeit weniger von Komfort geprägt, aber in puncto Nachhaltigkeit können wir wahrscheinlich vieles von ihnen lernen.