Als Hilde Uber das Rathaus in Beuren betritt, wird sie von mehreren Mitarbeitern persönlich begrüßt. Bürgermeister Daniel Gluiber ist da, auch die Zeitung ist gekommen. Die 89-Jährige ist überrascht: „So wichtig bin ich doch gar nicht“, sagt sie und muss lachen. Doch die Rentnerin hat in den Geschichtsbüchern Beurens einen ganz besonderen Platz. Als Gemeindeschwester stattete sie täglich älteren Menschen daheim Besuche ab und griff ihnen unter die Arme. Der Beruf ist heute mit einem ambulanten Pflegedienst zu vergleichen.
„Sie ist Beurens letzte Gemeindeschwester“, sagt Bürgermeister Gluiber. Als er erfahren hat, dass Hilde Uber wegzieht, habe er sich persönlich von ihr verabschieden wollen. „Wir können Sie nicht einfach so gehen lassen“, sagt er der Rentnerin im Besprechungszimmer. Nach 38 Jahren in Beuren zieht Hilde Uber nach Herrenberg ins betreute Wohnen. In wenigen Wochen wird sie 90 Jahre alt.
„Ich bin in einem fortgeschrittenen Alter“, sagt sie. Das Gehör sei nicht mehr das Beste, auch das Gedächtnis spiele ihr ab und an einen Streich: „Wenn ich durch Beuren laufe, grüßen mich manchmal Leute mit einem strahlenden Lächeln, und ich frag’ dann ,Wie heißen Sie eigentlich‘?“. Doch wenn Hilde Uber auf ihr Leben zurückblickt, erinnert sie sich an alles ganz genau: an die Schrecken des Zweiten Weltkrieges, ihre Zeit in der Ukraine und Russland, und wie sie sich um Heimatvertriebene gekümmert hat. Hilde Uber hält kurz inne, als sie sich an die Ermordung einer Gruppe Juden erinnert: „Wir haben das alles mit angesehen.“
Ihr Vater war Pfarrer, „doch Gott war für mich weit weg“, sagt sie. Sie erhofft sich göttliche Offenbarung in Laos, wo sie sich während des Vietnamkriegs um Geflüchtete kümmert. Anschließend geht Hilde Uber als Missionarin nach Indien. „Dann bin ich wieder ein paar Jahre in die Heimat gegangen, nach Berlin.“ Dort ist Hilde Uber als Unterrichtsschwester tätig und bildet Pflegekräfte aus.
Doch lange hält sie es nicht in Deutschland aus. 1978 zieht es sie wieder nach Indien, erst 1984 kommt sie als Gemeindeschwester nach Beuren und zieht in eine Dienstwohnung direkt am Kindergarten. „Ich habe mich mit den Erzieherinnen immer gut verstanden. Wenn ich mal eine Fotokopie brauchte, haben sie mir immer geholfen“, erinnert sich Hilde Uber. Zwei Jahre war sie als Gemeindeschwester alleine für Beuren verantwortlich. „Wenn die Leute Hilfe brauchten, haben sie mich angerufen. Ich bin dann mit dem Auto zu ihnen gefahren.“ Noch heute ist die 89-Jährige selbst mit dem Wagen unterwegs. „Aber nicht mehr so häufig wie früher“, sagt sie.
Mitte der 80er-Jahre ist sie als Pflegerin im Auftrag der Diakonieschwesternschaft Herrenberg im gesamten Neuffener Tal unterwegs, bleibt aber in Beuren wohnen. Mit 60 Jahren geht sie schließlich in den Ruhestand. „Die Zeit in Beuren war für mich sehr prägend, das werde ich nie vergessen“, sagt Hilde Uber, wenige Tage vor ihrem Umzug nach Herrenberg.
Als Daniel Gluiber ihr zum Abschied eine Blume und ein Buch überreicht, verabschiedet sich Beurens letzte Gemeindeschwester mit einem leisen „schade“ und dem Versprechen, wiederzukommen.