Weilheim · Lenningen · Umland
Die letzte Weilheimer Mühle ist bald Geschichte

Tradition In Weilheim endet eine Ära: Die Obere Mühle, die seit 200 Jahren in Familienbesitz ist, schließt.
Wie es mit dem historischen Gebäude jetzt weitergehen könnte. Von Bianca Lütz-Holoch

Langsam leeren sich die Regale und das Lager im Mühlenladen: Gewürze und Tees, Nudeln und Wein, Futtermittel, Blumenarrangements und natürlich Mehl – bis Ende März muss alles raus. Dann stellt mit der Oberen Mühle auch die letzte Weilheimer Mühle ihren Betrieb ein. Warum das so ist und wie es weitergehen könnte.

 

Seit 1822 ist die Mühle in Familienbesitz.
Rose Geßmann

 

„Ich werde 72, mein Mann ist 76 Jahre alt“, sagt Rose Geßmann, die den Mühlenladen seit 32 Jahren führt. Schon seit mehreren Jahren mahlt Müller Friedrich Geßmann nicht mehr selbst. „Aus gesundheitlichen Gründen“, erklärt seine Frau. Walzenstühle und Sichter sind schon längst verschwunden. Nach wie vor haben die Geßmanns aber Mehl von der Verwandtschaft aus Leingarten abgefüllt, Brotbackmischungen hergestellt und Großkunden beliefert. Und natürlich hat Rose Geßmann ihren Naturkost- und Mühlenladen sowie eine Seidenblumen-Werkstatt betrieben.  

„Seit 1822 ist die Mühle in Familienbesitz“, erzählt Rose Geßmann. Von Generation zu Generation wurde die Mühle in der Familie ihres Mannes weitergeführt. Jetzt endet die Ära. „Von unseren beiden Söhnen führt keiner die Mühle weiter.“ Die Geschichte der Mühle reicht aber noch viel weiter zurück (siehe Info unten). 

Wohnen blieben wollen die Geßmanns trotzdem im Wohnhaus, das sie 1990 an die idyllisch am Fuße der Limburg gelegene Mühle neu gebaut haben. „Das ist unsere Heimat, hier ziehe ich nicht mehr weg“, sagt Rose Geßmann. Nicht zuletzt freut sie sich darauf, künftig viel Zeit in ihrem Garten zu verbringen. „Der ist wirklich traumhaft“, sagt sie.

Investor hat Interesse

Was mit der Mühle selbst passiert, steht noch nicht endgültig fest. Nur so viel verrät Rose Geßmann: „Es gibt einen Investor, der dort eventuell Wohnungen bauen möchte.“ Ein Architekt hat sich das Gebäude bereits angeschaut. „Die Mühle steht nicht unter Denkmalschutz, weil früher schon so viel verändert wurde.“ Voraussichtlich wird im Falle eines Umbaus auch das kleine, vorgelagerte Gebäude verschwinden, das früher als Ölmühle diente und heute noch Getreidesilos beherbergt. Die Tage der Silos selbst sind dann ebenfalls gezählt.

Voraussichtlich Ende März schließt die Obere Mühle in Weilheim. Foto: Tobias Tropper

Fehlen wird künftig nicht nur die Mühle, sondern vor allem auch der Laden. „Er ist eine Institution in Weilheim“, sagt Rose Geßmann. „Wir haben eine breit gefächerte Kundschaft.“ Vor allem in den vergangenen Jahren, befördert durch die Corona-Pandemie, hat Rose Geßmann einen Trend hin zum Selbermachen bemerkt. „Viele haben angefangen, selbst ihr Brot zu backen.“ Bei Rose Geßmann bekamen sie nicht nur Mehl und Mischungen, sondern auch Beratung und Tipps. Auch Menschen mit Unverträglichkeiten und Allergien wurden bei ihr fündig. „Ich habe alles bestellt, was gewünscht wurde.“ Ebenfalls hoch im Kurs: Rose Geßmanns Müsli-Mischungen, die ganzen Natur- und Fairtrade-Produkte.

Wichtig war es Rose Geßmann auch, Waren aus der Region anzubieten – angefangen bei Weilheimer Kartoffeln und Wein über Alblinsen bis zu Hägenmark aus Ditzenbach. Dazu auch noch Futter für Hunde und Pferde, Kaninchen und Hühner. Einen Traum erfüllt hatte sich Rose Geßmann zudem mit der „Seidenblume“, ihrer Trockenblumen-Werkstatt. „Ich bin ja eigentlich Gärtnerin und Floris­tin“, verrät sie.

 

Die letzte von fünf Mühlen

Die Obere Mühle ist die letzte noch aktiv betriebe Mühle in Weilheim. Ihre Geschichte reicht bis ins Mittelalter zurück. Offenbar gibt es Belege, dass 1429 ein „Obermüller“ in Weilheim genannt wurde. Die Geßmanns sprechen von einer Erbauung der Mühle 1532. In ihrer jetzigen Form soll die Mühle seit 1772 stehen. 1822 waren laut dem Mühlen-Flyer der Stadt Johannes Caspar und Anna Maria Obermüller Inhaber. Ein Mehlsack an der Wand der Geßmanns verweist darauf, dass 1887 Johannes Sigel Obermüller war.

Fünf Mühlen gab es früher in Weilheim: Neben der Oberen Mühle in der Zähringergasse 11 waren das die Stibermühle am Scholderplatz am jetzigen Freibad-Standort, die Kurrlesmühle in der Oberen Mühlstraße 18, die Untere Mühle in der Kirchheimer Straße 78/1 und die Sägmühle in der Kirchheimer Straße 101. Die Stibermühle wurde bereits 1960 abgebrochen, die Stillegung der Unteren Mühle folgte 1963. Der Beschluss, die Kurrlesmühle abzureißen, fiel 2015.