Biosphärengebiet
Die Marke Schwäbische Alb wächst weiter

Bis 2027 wird das Biosphärengebiet Schwäbische Alb um knapp 40 Prozent größer werden. Zuwächse gibt es vor allem im Kreis Reutlingen, aber auch im Alb-Donau-Kreis und im Kreis Esslingen.

Die Burg Teck bietet weite Ausblicke ins Unesco-Biospährengebiet. Foto: Carsten Riedl

Streuobstwiesen, Burgen und Schlösser, Schluchtenwälder, Felsentäler und Hochebenen sind typisch für das Biosphärengebiet Schwäbische Alb. Tourismus, Ökologie und Wirtschaft sind unter diesem Label eine enge Verbindung eingegangen. Das Erfolgsrezept für das 16 Jahre alte Schutzgebiet, das
 

Pietistische Zurückhaltung ist in gesundes Selbstbewusstsein umgeschlagen.

Klaus TappeserTübinger Regierungspräsident


sich über die Landkreise Esslingen, Reutlingen und Alb-Donau erstreckt, ist auf Wachstumskurs und soll seine Fläche um 40 Prozent ausdehnen.

Damit können künftig weitere touristische Attraktionen wie Schloss Lichtenstein, die Bärenhöhle bei Sonnenbühl sowie der Blautopf bei Blaubeuren mit dem Label Unesco-Biosphärengebiet werben. Bis zum Jahr 2027 dürften die politischen Entscheidungen in den beteiligten Kommunen, die rechtliche Ausweisung und schließlich der neue Unesco-Antrag auf den Weg gebracht sein, kündigte der Tübinger Regierungspräsident Klaus Tappeser (CDU) an.

„Wir sind Älbler“, diese Aussage spiegle das neue Selbstbild der Menschen auf der Schwäbischen Alb, erklärte Tappeser bei der Vorstellung des bereits weit fortgeschrittenen Erweiterungsvorhabens. Laut Tappeser hat das Projekt seit der Ausweisung des Biosphärengebiets im Jahr 2008 eine identitätsstiftende Wirkung entfaltet und die teils auf der Alb herrschende pietistische Zurückhaltung der Menschen in „gesundes Selbstbewusstsein umschlagen“ lassen sowie dafür gesorgt, dass man auf die eigene Leistung stolz sei.

In 19 von 22 Kommunen ist das Einbringen weiterer Flächen in das Biosphärengebiet inklusive Ausweisung von Kern-, Pflege- und Entwicklungszonen beschlossene Sache. Im Kreis Esslingen, der das nördliche Tor zum Biosphärengebiet markiert und über die A 8 die verkehrliche Anbindung aus dem Stuttgarter Ballungsraum bietet, sind das die Gemeinden Dettingen, die rund 1500 Hektar einbringt, Weilheim (447 Hektar), Bissingen (109 Hektar) und Beu­ren mit weiteren 56 Hektar.

Volker Häring von der in Münsingen angesiedelten Geschäftsstelle des Biosphärengebiets äußerte sich erfreut über diese Erweiterungen. Mit Dettingen kämen wertvolle weitere Streuobstwiesen ins Gebiet und in Weilheim die attraktive Altstadt. Dettingen betreibe überdies eine vorbildliche Stadtentwicklung samt klimagerechtem Bauen.

Im Kreis Reutlingen kommen rund 23.000 Hektar und im Alb-Donau-Kreis 5000 Hektar hinzu, wobei in drei Kommunen die Beschlüsse der Gemeinderäte noch ausstehen. Insgesamt wächst das Biosphärengebiet damit flächenmäßig um knapp 40 Prozent auf rund 120.000 Hektar. Und noch ein paar Fakten zum Bevölkerungswachstum: Nach der Gebietserweiterung leben dort 260.000 Menschen, ein Plus von 80 Prozent. Dazu trage vor allem die Großstadt Reutlingen bei.

Bei dem Erweiterungsverfahren, das von einem Lenkungskreis vorangetrieben wird, wurden zunächst 17 Mitgliedskommunen, die nur anteilig im Biosphärengebiet liegen, nach ihrem Interesse an Erweiterung gefragt, außerdem neun neue Kommunen, die an die Gebietskulisse angrenzen und die bereits 2008 bei der Ausweisung des Biosphärengebiets als potenzielle Mitgliedskommunen angefragt worden waren. Nicht alle haben den Weg ins Biosphärengebiet gewählt. „Wir sind das erste Bio­sphärengebiet mit Loch“, kommentierte Achim Nagel, der Leiter der Geschäftsstelle Biosphärengebiet, die Entscheidung, der zentral im Gebiet liegenden Kommune Mehrstetten im Landkreis Reutlingen nicht beizutreten. Absagen gab es außerdem aus Laichingen und Emeringen aus dem Alb-Donau-Kreis.

Auch wenn die Beschlüsse in vielen der Kommunen einstimmig fielen, habe es immer wieder kritische Stimmen gegeben, räumte Tappeser ein. Eine große Rolle habe die Sorge vieler Landwirte gespielt, die sich um Bewirtschaftungsauflagen sorgten. Etwaigen Einschränkungen stehen laut Tappeser neue Vermarktungschancen regionaler Produkte gegenüber. Seit 2008 seien 154 Projekte mit durchschnittlich 1,6 Millionen Euro Fördermitteln unterstützt worden, was zu Investitionen in Höhe von insgesamt 4,1 Millionen Euro geführt habe. Profitiert davon hätten Kooperationsprojekte wie die Marke Albgemacht, Bienenstrom, die Erhaltung des Schlachthauses in Westerheim, Mäh- und Kühltechnik, Verkaufsautomaten und Brennereianlagen.

 

„Unser Produkt fängt auf dem Acker an“

Weilheim. Die Biobäckerei Scholderbeck ist Partner des Biosphärengebiets Schwäbische Alb. Die Geschäftsführerin Eve Neubold-Sigel erklärt, welche Bedeutung für sie die Zusammenarbeit hat und was sie von den Bauernprotesten hält.

Seit wann sind Sie Partnerbetrieb?

Eve Neubold-Sigel: Wir sind seit Beginn dabei. Das biologisch angebaute Getreide, das wir in der Backstube verarbeiten, wächst in Sichtweite der Teck. Es gehört seit 30 Jahren zu unserer DNA. Wir wollen Ökonomie, Ökologie und Tourismus vereinen. Für uns ist das keine Marketingfrage, sondern Lebensgrundlage, unser Produkt fängt auf dem Acker an.

Was heißt das für die Landwirte?

Neubold-Sigel: Unsere Partner bekommen, was sie brauchen, sie haben im Bioanbau mehr Aufwand. Bei den Preisen geht es um Centbeträge. Wenn ich auf den Wochenmarkt gehe, kann ich mit dem, was ich regional und frisch einkaufe, günstig kochen. Ich verstehe den Bauernprotest, aber es geht nicht mit einem „Weiter so!“.

Was bedeutet das?

Die Belastung der Böden und des Grundwassers ist zu hoch. In Niedersachsen hat die Massentierhaltung von Hühnern und Schweinen dazu geführt, dass stellenweise das Wasser nicht mehr zum Zubereiten für Babynahrung benutzt werden kann, im konventionell hergestellten Brot ist die Pestizidbelastung messbar. Wenn wir die Schäden, die die konventionelle Landwirtschaft verursacht, bezahlen müssten, gäbe es keine billigen Lebensmittel mehr. Bisher zahlt das Delta der Steuerzahler.

Welche Rolle spielen die Bauern?

Warum sind die Bauern nicht zu Lidl und Aldi gefahren? Die diktieren ihnen die Preise. Joachim Rukwied (Vorsitzender des deutschen Bauernverbands, Anmerkung der Redaktion) hat die Menschen aufgewiegelt und die Rechten regelrecht angelockt. Der Bauernprotest ist unehrlich. Wir müssen uns fragen: Wie gehen wir mit Ressourcen um, nicht nur mit fossilen Energien, auch mit der Arbeitskraft? Warum müssen wir so viel produzieren, dass Überschuss entsteht? Vielleicht brauchen wir ein Wegwerfverbot, wie es für die Supermärkte in Frankreich gilt. Aber das fängt schon viel früher an.

Was meinen Sie damit?

Für mich ist das eine Bewusstseins- und Bildungsfrage. Wir sind Partner der Biosphärenschule in Lenningen. Der nächste Schritt geht Richtung Kindergarten, da stricken wir mit der Stadt Weilheim, dem Streuobstverein und Ranger an einem Konzept.