Wer in die riesige Halle mit dem 15 Meter hohen Holzdach schaut, sieht vor allem diverse Geröll- und Schutthaufen. Doch der Schein der Untätigkeit trügt: Die Millionen Mitarbeitenden, die unentgeltlich den wichtigsten Job in diesem Teil der Weilheimer Recycling-Firma Fischer erledigen, sieht man überhaupt nicht: Unzählige Mikroorganismen bereiten den mineralischen Abfall biologisch-physikalisch auf.
Die Aufgabe ihrer menschlichen Kollegen ist es, optimale Bedingungen zu schaffen, damit die Kleinstlebewesen ihren Job erledigen können, nämlich Gift- und Schadstoffe zu zersetzen. Damit
verfolgen sie ein großes Ziel: Möglichst viel Boden und Material wieder in den Stoffkreislauf zurückzuführen und damit Deponiekapazität in der Region zu schonen.
Um das zu erreichen, ist ein gutes Arbeitsklima wichtig, das sich zwischen 15 und 20 Grad bewegt. „Ab zehn Grad und niedriger gehen die Mikroorganismen quasi in den Ruhestand“, erklärt Jörg Czischek, Bereichsleiter für Entsorgungs- und Kreislaufwirtschaft. Außerdem ist es wichtig, die verschiedenen Bodenarten zu trennen, denn je nach Beschaffenheit sind unterschiedliche Bakterien und Mikroorganismen im Einsatz, bei einer Vermischung könnten sie getötet werden. Um den Prozess zu beschleunigen, gäbe es auch noch die Möglichkeit, Tierdung hinzuzugeben, damit seien in Experimenten bereits sehr gute Ergebnisse erzielt worden, erklärt Czischek. Den Millionen „Kleinstarbeitern“ stehen zwei bis drei menschliche Mitarbeiter gegenüber, die alles kontrollieren.
Kapazität für 400000 Tonnen
Als aufmerksame Zuhörer hat er an diesem Tag Dr. Andre Baumann, Staatssekretär im Umweltministerium des Landes, sowie den Grünen-Abgeordneten Andreas Schwarz und Weilheims Bürgermeister Johannes Züfle zu Gast. Die Anlage in Weilheim soll als Muster für weitere Recycling-Firmen im Land dienen. Denn kurze Wege sind für nachhaltiges Wirtschaften ebenfalls wichtig.
Seit Juni vergangenen Jahres sind in der neuen Bodenbehandlungsanlage des Weilheimer Transport- und Recycling-Spezialisten mehrere 10 000 Tonnen kontaminierten Bodens gereinigt worden. Kapazität gäbe es jährlich für 400 000 Tonnen.
Der Besuch des Staatssekretärs kommt nicht von ungefähr, denn Firmen wie Fischer sollen noch weitere folgen. „Wir wollen Baden-Württemberg zu einem Musterland der Circle-Economy in Europa machen“, sagt André Baumann, und dabei soll den Firmen auch geholfen werden. Denn für Baustoff-Recycling braucht es Platz.
Bei Fischer, einem der Musterschüler der Kreislaufwirtschaft, benötigt die riesige Halle 3200 Quadratmeter Fläche. Hinzu kommt ein ausgeklügeltes Wärme- und Belüftungssystem, um stets optimale Bedingungen zu haben. Die Abluft wird zudem noch mehrfach gefiltert.
Lange Genehmigungsphase
Die Genehmigung hat ihre Zeit gebraucht, die Planungen für diese Anlage reichen bis ins Jahr 2017 zurück. „Danke für den langen Atem“, sagt der Staatssekretär. Geschäftsführer Udo Kolb gibt den Dank an Bürgermeister Johannes Züfle weiter: „Ich bin stolz, dass wir die Chance dafür mit der Genehmigung bekommen haben, das ist zukunftsweisend für den Landkreis.“
Wirtschaftlich rechnet sich das Ganze auch, wenn die Politik mitspielt: Das sperrige Zauberwort heißt „Ersatzbaustoffverordnung“. „Wenn der Baustoff sauber ist, kann er im Straßenbau und in Gebäuden eingesetzt werden“, erklärt André Baumann. Denn der zunehmend knapper werdende Platz erlaube es immer weniger, Baustoffe neu herzustellen. Daher wäre recycelter R-Beton zukunftsweisend. „Viele Architekten glauben immer noch nicht, dass man alles damit machen kann“, weiß Andre Baumann. Doch der Gesetzentwurf für „mehr zirkuläres“ Bauen, der genau den Einsatz recycelter Baustoffe fördert, ist beschlossene Sache.
„Wenn das Prinzip relativ einfach ist, haben Sie dann Angst vor Konkurrenz?“, will Andreas Schwarz wissen. „Es geht um schnelles Handeln, je spezialisierter wir sind, umso eher liegen wir im Wettbewerb vorne“, sagt Udo Kolb. Man habe außerdem vier Jahre Vorsprung und den Aufwand müssten andere genauso betreiben. Konkurrenz aus Fernost muss er zumindest nicht fürchten.
Nachhaltig auch bei der Energieerzeugung
Die Firma Fischer gilt als Spezialist für Transportlogistik, Kreislaufwirtschaft und Recycling. An seinen Standorten beschäftigt das Unternehmen etwa 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
In Weilheim sind aktuell 380 Menschen beschäftigt. Am Hauptsitz gibt es eine firmeneigene Kita mit neun Kindern und zwei Erzieherinnen. Der Standort wurde 2000 gebaut und mit der Zeit durch mehrere Maßnahmen klimaneutral gestaltet.
Auf allen Gebäudedächern befinden sich Photovoltaik-Anlagen mit einer Fläche von insgesamt 6100 Quadratmeter. In Kombination mit einem Blockheizkraftwerk liefert die PV jährlich rund 1400 Megawattstunden Strom und trägt damit nach eigenen Angaben zu einer Überdeckung des standorteigenen Strombedarfs bei. Zusätzlich heizen Erdwärmesonden und Wärmepumpen die Fußbodenheizung der Bodenbehandlungsanlage für die Unterstützung der biologischen Prozesse. zap