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Die meisten Schmetterlinge sind „Motten“

Natur Nachtfalter sind die großen Unbekannten unter den Schmetterlingen. Schüler und Artenkenner Frederik Holzweißig wirbt für die Tiere. Von Daniela Haußmann

In Deutschland gibt es rund 3700 Schmetterlingsarten. Nur die wenigsten wissen: 95 Prozent davon gehören zu den Nachtfaltern. Beinahe die Hälfte von ihnen gilt laut BUND aktuell als gefährdet. Für Frederik Holzweißig Grund genug, die „Motten“, wie sie im Volksmund heißen, aus dem Schatten ihrer tagaktiven Artgenossen zu holen. „Schließlich kann man nur schützen, was man kennt“, so der Zehnjährige, der in Lenningen lebt und sich seit sechs Jahren mit den Insekten beschäftigt. Vom Regierungspräsidium hat er eine Sondergenehmigung bekommen, die er braucht, um Falter überhaupt fangen zu dürfen.

 

Manche Nachtfalter leben nur kurz, weil sie keine Nahrung aufnehmen können.
Frederik Holzweißig
Nachtfalter-Experte und Fünftklässler

 

Außerdem steht der Fünftklässler in engem Kontakt mit einem Umweltbüro, dessen Mitarbeitern er bei der Arbeit draußen im Gelände über die Schultern schaut. Über die Jahre hat Frederik deshalb nicht nur Arten kennengelernt, sondern sich ein umfangreiches und fundiertes Artenwissen aufgebaut. Das heißt, dass er zum Beispiel interessante Einzelheiten über Lebensweise, Anatomie, Verbreitung oder den Lebensraum von Nachtfaltern kennt. Deswegen weiß der Schüler auch, dass längst nicht alle von ihnen bei Dunkelheit unterwegs sind. Zirka 300 Nachtfalterarten seien tagaktiv, darunter das Bergkronwicken-Widderchen, das auch im Lenninger Tal vorkommt.

Von ihren tagaktiven Verwandten lassen sie sich laut dem Gymnasiasten am besten anhand der Fühler unterscheiden: „Die sind bei Tagfaltern am Ende keulenartig verdickt, bei Nachtfaltern können sie fadenförmig, gesägt oder gefiedert sein.“ Die Färbung ist ein weiteres markantes Unterscheidungsmerkmal. Die meisten „Motten“ sind grau, braun, weißlich und damit eher unscheinbar. So können sie sich am Tag gut vor Feinden verbergen. Doch wie Frederik weiß, gibt es auch farbenfrohe Ausnahmen wie das Rote Ordensband, den Kleinen Weinschwärmer oder das Abendpfauenauge – Arten, die sich auch in der Teckregion beobachten lassen.

Das Gros der Nachtfalter ernährt sich dem Hobby-Biologen zufolge von Blütennektar und anderen Pflanzensäften, wie Honigtau oder dem Saft von Fallobst. „Es gibt aber auch Arten, die nur wenige Tage alt werden, weil sie gar keine Nahrung aufnehmen können. Dafür sind ihre Mundwerkzeuge nicht ausgebildet“, klärt er auf. Und anders als die Tagfalter brauchen die Schmetterlinge der Nacht keine bunte Flügelpracht, um potentielle Partner anzulocken. „Die Weibchen behelfen sich mit Sexuallockstoffen, die die Männchen auch über große Entfernung wahrnehmen können“, so der Schüler. „Studien zeigen zum Beispiel, dass 1000 Duftstoff-Moleküle pro Kubikzentimeter Luft für eine Lockreaktion bei Seidenspinner-Männchen ausreichen.“ Zur Einordnung: Ein Kubikzentimeter Luft enthält zirka 27 Trillionen Moleküle. Aus dieser unglaublich hohen Anzahl filtert das Männchen die Pheromone des Weibchens heraus.

Die Tiere haben aber auch eine wichtige Funktion im Ökosystem. Die Raupen zersetzen organisches Material wie Laub, Holz oder Pilze und wandeln es in Humus um, der für das Pflanzenwachstum wichtig ist. Schmetterlinge tragen zur Bestäubung bei und sind Nahrung für viele Vögel, Fledermäuse und andere Lebewesen. „Nimmt bei den Nachtfaltern also die Zahl der Individuen und der Arten ab, bricht anderen Spezies ein wichtiger Teil ihrer Nahrungsgrundlage weg“, warnt Frederik. Neben Flächenverbrauch, intensiver Landwirtschaft, Pestiziden und der Überdüngung von Wiesen macht Nachtfaltern der Verlust von geeigneten Biotopen zu schaffen, in denen es Nektarpflanzen und Futter für Raupen gibt.

„Manche von ihnen sind zur Eiablage auf eine einzige Pflanze spezialisiert. Fehlt die, gibt es keinen Nachwuchs und die Bestände gehen zurück“, betont der Gymnasiast. Um den Verlust von Pflanzen, Nektarangeboten, bereits abgelegten Eiern und Larven einzudämmen, sollte nicht zu oft gemäht werden, appelliert Frederik an Gartenbesitzer und Landwirte. Wer Futterpflanzen wie Nachtkerze, Flockenblume, Sommerflieder, Skabiose oder Salweide pflanzt oder in einer Ecke etwa Brennnesseln oder Disteln stehen lässt, bietet Schmetterlingen Nektar und ihren Raupen Futter. Aus Sicht von Frederik lässt sich so mit einfachen Mitteln viel für die Artenvielfalt tun.