Das Artenschutz-Volksbegehren, die Erntebilanz und der fehlende Bezug der Verbraucher zur Landwirtschaft - Themen, mit denen sich der Kreisbauerntag in der Neidlinger Reußensteinhalle am Samstag beschäftigt hat. Unter den Gästen waren Mitglieder und Vertreter aus Verbänden und Einrichtungen, Landfrauen und Landwirte. Die meisten dürften wegen des Referenten Dr. Andreas Möller gekommen sein. Doch bevor der Kommunikationschef des Ditzinger Maschinenbauunternehmens Trumpf und Autor des Buchs „Zwischen Bullerbü und Tierfabrik“ einen Blick auf die Landwirtschaft richtete, kam die Landjugend Nürtingen zum Zug: Fünf Paare machten mit ihrem „Zillertaler Hochzeitsmarsch“ und „Wolgaster“ aus Pommern deutlich, dass sie großen Wert auf die Tradition des Volkstanzes legen.
„Es war wieder recht trocken, lokal war‘s nix, dennoch gab es meist durchschnittliche Erträge“, so lautet die Bilanz des Kreisbauernverband-Vorsitzenden (KBV) Siegfried Nägele, der zudem betont: „Dem guten Boden und dem Können unserer Bauern sei es gedankt, dass wir ernten konnten.“ Stichworte wie das Volksbegehren für Artenschutz „Rettet die Bienen“, Biodiversität und Nutztierhaltung seien Reizthemen, die mehr belasteten als die eigentliche Arbeit. „Wenn nicht unter unseren Augen und Bedingungen angebaut und gezüchtet wird, bedeutet das, wir geben nachhaltige, kontrollierte regionale Landwirtschaft auf und importieren kritische, gleich schlechte Landwirtschaft“, sagt Siegfried Nägele. Er erklärt es auch gerne auf Schwäbisch: „Erscht wenn ma ebbas nemme hot, hot’s en Wert!“ Tosenden Beifall erntet er für seine Idee, ein Gesetz anzustoßen, dass sich nicht jeder „Dahergloffene“ als „Agrar-Experte“ in den Medien bezeichnen darf, weil er vielleicht einen Fisch von einem Baum unterscheiden kann. Nach zahlreichen sachbezogenen Infos kündigt Siegfried Nägele - der gemeinsam mit Tobias Briem den KBV Esslingen führt - an, dass er sich nach 14 Jahren aus Gründen beruflicher Veränderungen nicht mehr zur Wahl stellt.
„Käpt‘n Iglo kennt jeder“
Dann redet Dr. Andreas Möller Tacheles über das „Kernproblem der Bauern“: Er erläutert, wie „idealisierte Naturbilder“ den fehlenden Bezug zur bäuerlichen Arbeit und Landwirtschaft verstärken. Er spricht vom Zünsler, Wurzelbohrer und zeigt sein Lieblingsbild: das Mutterkorn. „Die Dinge, die wir nicht mehr sehen, beurteilen wir anders.“ So würden die Leute kaum noch etwas über Getreidesorten, Fische, Kartoffelkäfer oder Milan, Mäusebussard und Falken wissen. „Dafür kennt aber jeder Käpt‘n Iglo.“
Für den Referenten ist die öffentliche Präsenz der Landwirtschaft ein Spiegelbild der modernen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft. „Weniger als zwei Prozent der erwerbstätigen Deutschen arbeiten noch in landwirtschaftlichen Berufen.“ Nach dem Zweiten Weltkrieg war es noch jeder Vierte, im 19. Jahrhundert jeder Zweite. Die Zahl der Höfe habe sich seit der Wiedervereinigung auf rund 274 000 halbiert. Dafür sind die Betriebe immer größer geworden: Waren es 1990 durchschnittlich noch 17 Hektar pro Betrieb, so sind es heute 62 Hektar. Dass solche Trends Folgen auf den Blick für die Landwirtschaft haben, sei nur konsequent. Seiner Meinung nach dominieren zwei Extreme: Auf der einen Seite gebe es die verklärende Sehnsucht nach einem vormodernen, kleinbäuerlich geprägten Idyll à la „Landlust“. Auf der anderen Seite würden viele die auf Größe, weil auf Produktivität getrimmte „Agroindustrie“ verabscheuen.
„Entscheidend ist der gesellschaftliche Rahmen“, sagt Andreas Möller. „Die Verbraucher schauen beim Einkauf, wo sie sparen können.“ Das sei bei der Miete, beim Autokauf oder Urlaubsreisen anders. Den Menschen, die ihr Kreuz beim Artenschutz-Volksbegehren machen, dürfe man eher keinen Vorwurf machen, so der Referent. Keiner der Initiatoren habe die Folgen für die Landwirtschaft bedacht, mutmaßt er und unterstreicht die Ambivalenz der Verbraucher mit dem Satz: „Nicht ich muss mich ändern, sondern die anderen.“