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Die Miniaturwelten: „Das Wunder von Stuttgart“

Freizeit In den Miniaturwelten in Stuttgart kann man Europas größtes Stadtmodell bewundern. Wolfgang Frey war der Erbauer dieser faszinierenden Anlage. Von Heike Siegemund

Für einen Besuch der Miniaturwelten in Stuttgart muss man nicht unbedingt ein Fan von Modelleisenbahnen sein. Was hier präsentiert wird, begeistert sicherlich auch alle, die mit der Modellbahnwelt ansonsten nichts am Hut haben – und bestimmt auch Nicht-Stuttgarter.

Mitten in der City am Arnulf-Klett-Platz 1-3, gegenüber des Hauptbahnhofs, befindet sich auf mehr als 160 Quadratmetern eine Ausstellung, die Europas größtes Stadtmodell im Maßstab 1:160 originalgetreu und überaus detailreich zeigt. Zu bestaunen sind hier über 500 Gebäude der Landeshauptstadt, wie zum Beispiel der Kopfbahnhof mit seiner Gleislandschaft, sowie 2500 Miniatur-Autos, -Busse, -Lastwagen und -Schienenfahrzeuge, 2500 Grabsteine und 4000 Bäume, die aus Naturholz oder Drahtgeflecht angefertigt wurden.

Erbauer dieser Anlage war der 2012 verstorbene Wolfgang Frey aus Bad Cannstatt. Er hatte das Stuttgarter Stadtmodell innerhalb von 15 Jahren nebenberuflich erbaut, sagt Rainer Braun, Betreiber der Miniaturwelten. Alles begann 1978 mit dem Hauptbahnhof, der Bundesbahndirektion und dem Hindenburgbau, informiert Braun weiter. „In den 80er-Jahren hatte Frey viel Recherche betrieben. Seine Hauptbauzeit war dann zwischen 1992 und 2007 in der Stuttgarter Schwabstraße.“ Hier ging Frey in einem für die Öffentlichkeit nicht zugänglichen Zwischengeschoss der S-Bahnhaltestelle Schwabstraße seinem Hobby nach. So reicht die Anlage vom Gleisfeld des Hauptbahnhofs aus bis nach Bad Cannstatt, samt Wilhelma und Cannstatter Carré – „in Form, Farbe und Gestaltung wie das Original“, betont Braun.

Überhaupt spricht er vom „Wunder von Stuttgart“: Dem als Fahrdienstleiter bei der Deutschen Bahn tätigen Wolfgang Frey sei dieses Meisterwerk gelungen. Für die detailgenaue Erstellung der Anlage habe er alltägliche Materialien und Abfallprodukte verwendet, wie beispielsweise LP-Cover, Elektronikschrottartikel, Verpackungen und Radiergummis. „Er hatte die Gabe, aus Müll alles Mögliche zu zaubern“, verdeutlicht Braun und fügt hinzu: „Nicht ein Häuschen oder Bausatz stammt von einem Spielwarenladen. Alles ist Handarbeit. Es handelt sich ausschließlich um Unikate“.

Auch seinen Arbeitsplatz hatte Frey nachgebaut: seinen Arbeitstisch mit Telefon, Mikrofon und unzähligen Schaltern sowie eine große Stelltafel, die er mit Tisch und Anlage elektrisch verband. Sowohl der Arbeitstisch als auch die acht Meter lange Stelltafel sind in den Miniaturwelten zu sehen.

Bei der Anlage und Ausstellung handle es sich um „das Lebenswerk des Wolfgang Frey“, der gelernter Einzelhandelskaufmann war und 2012 im Alter von 52 Jahren starb. Er sei ein Genie gewesen, betont Braun. „Er hatte die Fähigkeit, anhand von ein, zwei Fotos ein Gebäude originalgetreu nachzubauen.“ Braun selbst fasziniert an Freys Anlage vor allem das Detail, „die detailgetreue Nachbildung in dieser Genialität“.

So ist in mehreren Gebäuden, zum Beispiel im Cannstatter Carré, sogar der Innenausbau zu sehen: Der Besucher entdeckt Schreibtische mit Computerbildschirmen sowie Stühle, Mini-Pflanzen und sogar Leitzordner in den Schränken. Auch ein Fitnessstudio ist eingerichtet. Faszinierend ist auch der Pragfriedhof mit seinen 2500 handgefeilten, bemalten und beschrifteten Grabsteinen. Insgesamt wirken die Nachbauten und Landschaften täuschend echt.

Seit wenigen Wochen gibt es in den Miniaturwelten eine Lichtshow: Dabei werden Hauptbahnhof und weitere markante Gebäude in unterschiedlichen Farben hervorgehoben. Mit Musik untermalt, kann man bei dieser Lichtshow in eine ganz eigene Welt eintauchen – in die fesselnde Welt des Wolfgang Frey.

 

Infos zu den Miniaturwelten

Öffnungszeiten Die Miniaturwelten in Stuttgart sind von Donnerstag bis Sonntag jeweils von 13 bis 17 Uhr geöffnet. Teckboten-Abonnenten erhalten über die Abomax-Karte vergünstigte Eintrittspreise.

Zukunft „Bisher handelt es sich um eine private Ausstellung. Nun sind wir auf dem Weg in eine gemeinnützige GmbH, auch um öffentliche Gelder zu erhalten“, informiert Betreiber Rainer Braun. „Wir hoffen, damit das Überleben der Miniaturwelten für die Zukunft sichern zu können.“

Kunst Früher befand sich die Ausstellung als „Stellwerk S“ in Herrenberg. Inzwischen ist die Anlage an zentraler Stelle in Stuttgart im früheren Hindenburgbau am Arnulf-Klett-Platz 1-3 zu sehen. Zu Brauns Partnern zählt auch die Künstlergruppe SOUP, für die klar ist: Bei Wolfgang Freys Werk handelt es sich nicht nur um eine Modellbahnanlage, sondern um ein wahres Kunstwerk. hei