Theater in der Bastion - man erinnert sich, dass das in früheren Zeiten keine Seltenheit war. Doch die Gegebenheiten für Theater in dem Kirchheimer Keller fordern Improvisationstalent: schwierige Auftritts- und Abgangsbedingungen, bescheidene technische Möglichkeiten, zum Teil schlechte Sichtverhältnisse. Und doch bietet das Gewölbe eine unvergleichlich atmosphärisch dichte Spielfläche für Kammertheater. Also haben die Bastionsmacher es wieder einmal gewagt, gesprochenes Wort statt Musik in der Steinkulisse erklingen zu lassen. Und siehe da, die Ränge waren voll besetzt. Das Bedürfnis ist da.
Ausgewählt wurde das für die Bastion genau Passende, ein Vierpersonenstück ohne Szenenwechsel und mit minimalem Kulissenaufwand, eine der weltweit meistgespielten Komödien. Das wundert, denn sie besteht eigentlich nur aus dem Gespräch einer Vierergruppe im kulturellen Milieu der Pariser Schickeria, in dem die Autorin aufgewachsen ist. Ein Ehepaar, dessen Sohn einem Klassenkameraden zwei Zähne ausgeschlagen hat, ist von den Eltern des Opfers eingeladen, um die Sache gesprächsweise zu bewältigen. Diesen zivilisierten Umgang pflegt man schließlich in dieser sozialen Schicht - von wegen. Es stellt sich heraus, wie wenig tragfähig dieser Vorsatz ist. Immer wieder gibt es wellenförmig Wut- und Hassausbrüche der Ehepaare gegeneinander und untereinander, in denen die tatsächlichen Gegebenheiten zutage kommen. Und die sehen deprimierend aus. Jeder geht jedem auf die Nerven, zum Beispiel der Anwalt, der jedes Gespräch unterbricht, weil immer wieder sein Handy klingelt. Der andere Ehemann, der wiederum immer wieder mit seiner Mutter zu telefonieren hat, konstatiert: „Die Ehe ist die schlimmste Prüfung, die Gott uns auferlegt hat. Die Ehe und das Familienleben.“
Es wird aber nicht nur schmutzige Beziehungswäsche gewaschen, sondern die Gespräche thematisieren auch gesamtgesellschaftliche Probleme wie Kindererziehung, Skrupellosigkeit oder das Kommunikationsproblem angesichts der erdenen Erreichbarkeit. Dieses „Gemetzel“, das die Autorin da verhandelt, ist nicht gerade aufbauend - und macht doch Spaß. Die Dialoge reizen immer wieder zum Lachen, denn, so Reza in einem Interview: „Nur Pessimisten können wirklich lachen“.
Belacht und beklatscht wurde eine Truppe aus Stuttgart, Mitglieder einer privaten Schauspielschule mit dem stolzen Namen „CreArte - Internationale Schauspielakademie“. Wie der Direktor und Regisseur Walter Becker mitteilte, durften Studenten des zweiten Semesters ran, um sich an das Spielen vor Publikum zu gewöhnen. Die Theatergruppe beanspruchte als Spielfläche noch die Hälfte des Zuschauerraums, damit der Tisch für die Vierergruppe Platz fand, allerdings mit nur zwei Stühlen: Das wirkt gleich ungemütlich. Beim Spiel fühlten sich die zwei Schauspielerinnen und zwei Schauspieler bei den Szenen, in denen es leidenschaftlich wurde, und erst recht, wenn sie sich körperlich an den Kragen gingen, sichtlich wohler als bei den „reinen“ vielsagenden Dialogen. Und - Überraschung! - bei den Männern fand ein fliegender Austausch der Darsteller statt. Offensichtlich sollten möglichst viele Schauspieler Praxiserfahrung sammeln.
Es wäre begrüßenswert, wenn die Bastion den Entschluss fassen würde, wieder mehr Theater anzubieten.
„Der Gott des Gemetzels“ wurde im Jahr 2006 uraufgeführt und 2011 von Roman Polanski verfilmt. Seitdem gehört diese schwarze Komödie der französischen Autorin Yasmina Reza zu den weltweit meist gespielten Komödien.