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Die Rückkehr ins Kinderzimmer

Hobby Die Modellbahnbranche hat schwere Zeiten erlebt. Doch derzeit kehrt das Hobby zurück. Das liegt an Corona, aber auch an den Herstellern, die sich verstärkt um den Nachwuchs bemühen. Von Peter Dietrich

Darf ich dir meine Modellbahn zeigen?“ Auf der Liste der allerschlechtesten Anmachsprüche für Teenager konnte das lange für den zweiten Platz reichen, direkt hinter der Briefmarkensammlung. Doch halt, ist das noch immer so uncool? Als kürzlich eine junge Nachbarin die H0-Anlage des Verfassers erblickte, hat sie nicht gelacht, sondern interessiert gefragt: „Ist das so was wie in Hamburg? Werden da auch Geschichten erzählt?“

Ja, das Miniatur Wunderland ist das Allerbeste, was der Modellbahnbranche passieren konnte - auch wenn manche Hersteller die Gebrüder Braun am Anfang für so verrückt hielten, dass sie diese gar nicht beliefern wollten. Die Hamburger haben das Hobby erfolgreich aus der Alte-Herren-Ecke geholt - mit ihrer unbändig kreativen Welt, in der halt zufällig auch Züge fahren.

Eric-Michael Peschel arbeitet schon seit 1986 bei der Firma Märklin in Göppingen und hat in dieser Zeit gute und böse Zeiten erlebt: eine Insolvenz, den ruinösen Einstieg von Heuschrecken und im Jahr 2013 die Rettung durch die Familie Sieber und die Simba Dickie Group. Wenn der „Leiter Eventmarketing“ heute erzählt, klingt das zufrieden - trotz und auch wegen Corona.

Zum einen war die Fertigung in Ungarn mit 800 Mitarbeitern für acht Wochen geschlossen. Damit fehlten auch im Standort Göppingen mit seinen knapp 500 Mitarbeitern nötige Teile, denn ansonsten fährt jeden Tag ein Lkw hin und her. Insgesamt warf das die Produktion um rund ein Vierteljahr zurück, manche Neuheit des Jahres 2020 wird deshalb erst 2021 ausgeliefert. Aber die Pandemie hatte noch eine andere Auswirkung: Die zuhause bleibenden Menschen haben ihre Keller und Bühnen aufgeräumt und dort so manche alte Modellbahnkiste entdeckt. Das hat Märklin auf zweierlei Weise gemerkt: Kunden brachten ihre Fundstücke zur Göppinger Reparaturannahme, und die Nachfrage nach Verschleißteilen wie etwa Schleifern ist spürbar gestiegen.

Modellbahnhersteller müssen langfristig denken. „Die komplette Neukonstruktion eines Lokmodells kostet bis zu 1,5 Millionen Euro“, sagt Peschel. Die strategische Entscheidung des Jahres 2009 hieß bei Märklin „my world“ und sollte die Bahn zurück ins Kinderzimmer bringen. In dieser neuen Produktlinie entstand eine Batteriebahn mit Kunststoffgleisen und Magnetkupplungen, mit der schon Dreijährige spielen können. Die Wagen könne später bei der „richtigen“ elektrischen Bahn weiterverwendet werden. Zu den „Jim Knopf“-Kinofilmen gibt es spezielle Modelle, die sich als sehr beliebt erwiesen. „Nach elf Jahren kann ich sagen, die Modellbahn hat das Kinderzimmer wieder erobert“, sagt Peschel. Das hätte zuvor in Zeiten, in denen manche alte Traditionsmarke - wie etwa Fleischmann oder Arnold - übernommen wurde oder andere Marken ganz vom Markt verschwanden, keiner erwartet.

Ein neuer Trend ist, dass verschiedene Spielwelten zusammenwachsen, es gibt inzwischen Eisenbahnwagen mit Noppensteinen und Kombinationen mit Flughafen, Feuerwehr und Bauernhof. Bei Jugendlichen geschieht das Zusammenwachsen dann in eine ganz andere Richtung, manche fasziniert die Steuerung einer Anlage mit dem Tablet und die Programmierung der Decoder kann zum digitalen „Hobby im Hobby“ werden.

Die Nachfrage sei in allen Baugrößen positiv, sagt Peschel, von Spur Z bis LGB. So groß die Spanne bei den Baugrößen ist, ist sie auch bei den Preisen: Bei der Batteriebahn gibt es für 80 Euro eine komplette ICE-Packung, in der Königsklasse „Spur 1“ im Maßstab 1:32 kostet hingegen eine einzelne Lok zwischen 1400 und 4500 Euro. Auch Zubehöranbieter wie Faller aus dem Schwarzwald haben ihr Angebot ausdifferenziert. Ähnlich bunt sind auch die Käufer: „Ich bin im Rettungsdienst und kam jüngst zu einem Mann kurz vor 90“, erzählt Peschel. „Der hatte eine Teppichbahn in Digitaltechnik. Das finde ich gut, da bleibt er geistig fit.“