Geschäftsübergabe
Die Salchers in Lenningen: Bäcker-Familie von echtem Schrot und Korn

In der Backstube übernimmt die nächste Generation das Ruder. Die gute Nachricht für Kunden: Am Geschäftsmodell, das wie aus der Zeit gefallen scheint, wird sich wenig ändern.

Generationswechsel in Unterlenningen: Doris und Kurt Salcher (links) haben die Bäckerei zu Jahresbeginn an ihre Tochter Sandra Klamt (rechts) übergeben. Ihr Mann arbeitet als IT-Experte und hilft gelegentlich aus.  Foto: Carsten Riedl

Für die zahlreichen Stammkunden im Lenninger Tal dürfte es eine gute Nachricht sein. Im Bäcker-Handwerk ist es weit mehr: ein Signal, das dem üblichen Trend trotzt. Seit 37 Jahren versorgen die Salchers ihre Kundschaft mit täglich frischen Backwaren aus der kleinen Backstube in Unterlenningen. Filialen gibt es hier keine, dafür einen treuen Stamm von Mitarbeitern, der seit Jahrzehnten den Laden am Laufen hält. 17 Beschäftigte in Voll- und Teilzeit kümmern sich um Herstellung und Verkauf von dem, was allmorgendlich in großen Körben dampfend aus der Backstube kommt – vom Sauerteigbrot bis zur handgeschlungenen Laugenbrezel. Kunden, die Schlange stehen bis vor die Tür, sind zu Stoßzeiten keine Seltenheit. Die Salchers in Lenningen – ein Geschäftsmodell, das aus der Zeit gefallen scheint und das nun von der nachfolgenden Generation übernommen wird. Nicht irgendwie, sondern genau so.

Wir gehen zum Lachen nicht in den Keller. Wir haben keinen.

Seniorchefin Doris Salcher über gute Laune ­hinter der Bäckerei-Theke

 

Stetiges Wachstum als Überlebensstrategie – nicht mit ihr. „Ich will nicht eines Tages nur noch im Büro sitzen. Mein Platz ist in der Backstube.“ Seit Jahresanfang ist Sandra Klamt Chefin im elterlichen Betrieb. „Herzblut“ ist ein Wort, das der 37-Jährigen häufig über die Lippen kommt. Was sie damit meint: Nicht alles machen, aber das, was man macht, richtig. Kurt und Doris Salcher haben diesen Leitsatz ein Berufsleben lang beherzigt. Er beschreibt ein Bild, zu dem mehr gehört als gutes Brot und warme Brötchen. Die Bäckerei ist täglicher Treffpunkt für Menschen aus dem ganzen Lenninger Tal. Hier hat man Zeit für ein Schwätzchen, hier erfährt man Neues, hier wird man ernst und wahrgenommen. Dass das eingespielte Team hinter der Theke meist gute Laune verströmt, tut ein Übriges, damit die Klientel gerne und aus Überzeugung hierher kommt. Rund 80 Prozent sind langjährige Stammkunden. Warum das so ist, erklärt Seniorchefin Doris Salcher auf ihre Art: „Wir gehen zum Lachen halt nicht in den Keller. Wir haben keinen.“

Den Betrieb aus den Händen zu geben, fiel leicht. Die Seniorchefin ist 60 Jahre alt, ihr Mann inzwischen 65. Der Knochenjob zu nachtschlafender Zeit hat bei ihm Spuren hinterlassen: Bluthochdruck, eine künstliche Hüfte. Sie sind glücklich mit der Entscheidung der Tochter, doch Gedanken an den Ruhestand schieben beide weit von sich. „Ich werde weitermachen, solange die Gesundheit es zulässt“, betont Kurt Salcher. „Das hier ist mein Leben. Schließlich hatte ich nie Zeit für andere Hobbys.“

Was für viele Betriebsnachfolger wie eine Drohung klingen dürfte, empfindet Tochter Sandra als Vertrauensbeweis. Die Bäckermeisterin, die einmal Hebamme werden wollte, hat eine Ausbildung als medizinische Fachangestellte. Den elterlichen Betrieb zu übernehmen, war lange Zeit kein Thema. Vor mehr als 15 Jahren änderte sich das. „Hier kann ich kreativ sein, hier habe ich eine tolle Mannschaft um mich, was will ich mehr?“ Sie hat eine Lehre absolviert, den Meistertitel draufgesattelt und bis zuletzt in der Bäckereifachschule in Stuttgart als Fachlehrkraft unterrichtet. Jetzt ist die Mutter zweier vier- und sechsjähriger Töchter ihre eigene Chefin, während ihr Mann als IT-Experte gelegentlich aushilft.

Ohne offen zu sein für Neues, das wissen die Salchers, geht es auch in ihrem Handwerk auf lange Sicht nicht. Seit vergangenem Jahr steht ein neuer Holzbackofen in der Bäckerei, und es gibt einen neuen Gärraum, in dem der Teig reift. Statt mitten in der Nacht die gesamte Tagesproduktion zu bewältigen, soll künftig auch tagsüber gebacken werden. Das Plus: häufiger ofenfrische Ware, weniger Überproduktion. Auch das Sortiment soll angepasst werden. „Es muss nicht jeden Tag alles geben“, sagt Sandra Klamt. Ihr Motto: Weniger kann mehr sein, wenn es um Qualität geht. Der Senior trägt das alles ohne Widerstand mit. „Veränderung an manchen Stellen muss sein“, zeigt sich Kurt Salcher bereit, alte Gewohnheiten zu hinterfragen: „Dem haben wir uns in der Vergangenheit vielleicht zu wenig gewidmet.“

Ein Problem aber bleibt: Der Bäckereibetrieb wirtschaftet nicht in eigenen Räumen, sondern als Mieter. Vorstöße, das Gebäude zu kaufen, liefen in den vergangenen Jahrzehnten alle ins Leere. In der Backstube geht es eng zu, einzelne Räume sind durch Stufen getrennt, was die Arbeit zusätzlich erschwert. Als Mieter zu inves­tieren, ist immer ein Risiko. Im Bestand umzubauen und das bei laufendem Betrieb, „das wäre ein größeres Thema“, denkt Sandra ­Klamt laut über die Zukunft nach. „Aber auch dafür werden wir irgendwann eine Lösung finden.“