Ob sich Asterix mal wieder mit den Römern anlegt, Micky Maus ein neues Abenteuer erlebt oder Spiderman die Stadt vor der Vernichtung retten muss: Comics erfreuen sich auch in Deutschland schon seit vielen Jahrzehnten großer Beliebtheit. Dennoch wissen viele nicht, dass sich Europas größter und umsatzstärkster Comicladen nur einen Katzensprung von Kirchheim entfernt befindet.
Erst im vergangenen Jahr hat die „Sammlerecke“ im Esslinger Stadtteil Pliensauvorstadt ihr 35-jähriges Bestehen seit der Gründung durch Frieder Maier im Jahr 1988 gefeiert. Eigentlich sei sein Vater, der das Geschäft bis heute leitet, aber nie wirklich Comicfan gewesen, gesteht dessen Sohn Julian Maier. Durch reinen Zufall habe er damals in Nürtingen eine der ältesten privaten Leihbüchereien entdeckt und sich daraufhin entschieden, seinen alten Job hinzuschmeißen, um den Eckladen mitsamt antiquarischem Bestand zu übernehmen. „Es hat alles ganz klein, auf gerade mal 35 Quadratmetern, angefangen“, erzählt er.
Nach dem Ankauf baut Frieder Maier die Leihbücherei zu einem Comic- und Romanfachgeschäft aus; die erste Versandliste schreibt er damals noch von Hand. Lange dauert es nicht, bis das kleine Geschäft in den Comicfankreisen Anklang findet. Sortiment und Kundenstamm wachsen stetig. Um dem räumlich gerecht zu werden, wechselt die Sammlerecke zweimal den Standort, bevor sie im Jahr 2011 in der Pliensauvorstadt einzieht. 200 volle LKW-Ladungen sind nötig, um die Bestände in ihr neues Zuhause zu bringen.
Sensation „Sammlerecke“
Heute umfasst das Sortiment mehrere Millionen Hefte und Bücher, die auf rund 4000 Quadratmetern untergebracht sind. Dass sich hinter der unscheinbaren Gebäudefassade ein echtes Paradies für Leseratten und Sammler versteckt, ist außerhalb der Fangemeinde jedoch nur wenig bekannt.
„Das liegt wohl daran, dass wir nicht so zentral sind, wie andere Buchhandlungen. Rein platztechnisch wäre das für uns aber auch gar nicht möglich“, meint Julian Maier. Ein Problem sei das aber nicht, da die Laufkundschaft ohnehin nur einen kleinen Teil des Umsatzes ausmache. Stattdessen käme die überwiegende Mehrheit der Einnahmen durch den nationalen und internationalen Versand der Hefte zustande. „Von den Hardcorefans sollte wirklich jeder in Deutschland schonmal von uns gehört haben“, schätzt der Mitgeschäftsführer.
So manche Comicliebhaber nehmen weite Strecken auf sich, um dem Geschäft einen Besuch abzustatten. Veranstaltungen wie der Gratis Comic Tag locken jährlich mehrere tausend Besucherinnen und Besucher in die Pliensauvorstadt. Über die Jahre hat die Sammlerecke zudem bereits einige prominente Gäste, wie den US-amerikanischen Disneyzeichner Don Rosa und den britischen Superheldenzeichner Mike Perkins, empfangen.
Obwohl sich der Löwenanteil des Bestands im Keller und dem gegenüberliegenden Lager befindet, lassen sich alleine im frei zugänglichen Bereich zigtausende Comics, Romanhefte, Mangas, DVDs, Spiele und mehr durchstöbern. In einer separaten Ecke können ältere und gebrauchte Comics abgewogen und zu besonders günstigen Preisen ergattert werden.

Das Herzstück des Sortiments ist und bleibt jedoch das Antiquariat. Die Hefte, die in den beinahe deckenhohen Regalen verstaut sind, stammen zum Teil noch aus den 50er Jahren. „Solche Comics können wir natürlich nicht mehr bei den Verlagen nachbestellen. Die meisten Verlage gibt es heute auch gar nicht mehr“, bemerkt Julian Maier. In erster Linie stammen die Hefte daher von Privatpersonen: „Manche bringen uns ihre Comics vorbei oder schicken sie uns per Post. Außerdem machen wir regelmäßige Ankaufsreisen, bei denen wir oft ganze Sammlungen mit dem LKW abholen.“
Die teureren Ausgaben werden von den Mitarbeitern auf ihre Verfassung untersucht und mit einer Nummer zwischen Eins und Drei bewertet. Dabei befinden sich Hefte der Kategorie Eins in der Regel in tadellosem Zustand; sind leichte oder deutlichere Gebrauchsspuren erkennbar, wird dem Heft die Kategorie Zwei oder Drei zugeordnet.
Wachsender Markt
Die wirklich wertvollen Exemplare werden jedoch nicht im Regal, sondern in einem Tresor gelagert, um sie vor Diebstahl und Beschädigung zu schützen. „Der absolute Klassiker unter den deutschen Comics ist eigentlich das erste Micky Maus Heft von 1951“, behauptet Julian Maier. „Das ist heute sehr, sehr gesucht und ist sozusagen der heilige Gral der Comicgeschichte.“ Im Topzustand kostet die Ausgabe laut Maier aktuell etwa 50.000 Euro. Auch im Safe der Sammlerecke liegt ein Exemplar; das ist allerdings „nur“ 30.000 Euro wert.
Da sich der Wert vieler Comics exponentiell steigert, werden die Hefte mit den kleinen, bunten Bildchen immer häufiger auch als Geldanlage genutzt. Natürlich sei das nicht bei allen Heften der Fall, so Julian Maier. Es betreffe in erster Linie die Ausgaben, „die immer besonders bleiben werden“.
Es sind jedoch nicht ausschließlich Investoren, die bereit sind, für einen Comic etwas tiefer in die Taschen zu greifen. Unter den Käufern kostspieliger Hefte befinden sich immer wieder auch Sammler und ältere Menschen, für die die Hefte einen nostalgischen Wert haben.
Zeitlose Kunst
Generell ist der Kundenstamm der Sammlerecke bunt gemischt. „Wir haben schließlich auch eine unfassbar breite Palette an Produkten“, betont Julian Maier. Natürlich gebe es immer bestimmte Artikelgruppen, die besser oder schlechter laufen; so sind Romanhefte zwar immer weniger gefragt, dafür wächst der Markt für Mangas, japanische Schwarzweißcomics, die von rechts nach links gelesen werden, jedoch stetig.
„Man muss sagen, dass wir vor der Digitalisierung von Büchern und Comics ein bisschen Angst hatten. Das war eine große Unsicherheit“, gesteht Julian Maier. Doch das Team der Sammlerecke durfte aufatmen: Ihre Sorge habe sich als unbegründet herausgestellt, erklärt der Mitgeschäftsleiter. „Klar, es gibt sicher ein paar Menschen, die ihre Comics gerne auf dem Tablet lesen, aber der Großteil möchte die Hefte anfassen und ins Regal stellen. Am Ende zählt das Haptische am Buch genauso wie der Sammelcharakter.“
Info: Anlässlich des diesjährigen Batman- und Manga-Tags verwandelt sich der Platz vor der Sammlerecke am 21. September zum Festgelände. Geboten werden auch in diesem Jahr wieder kostenlose Leseproben und Fanartikel, ein Comic-Flohmarkt, spannende Gäste, Musik und Catering.