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Die Tattoo-Welt orientiert sich um

Tätowierungen Neue Richtlinien der EU verbieten Inhaltsstoffe von gängigen und meist bunten Tattoo-Farben. Die Vorgaben könnten die Welt der Körperbemalung komplett umkrempeln. Von Silja Kopp

Ab sofort müssen sich alle daran halten: Viele Tattoo-Farben dürfen nach der sogenannten REACH-Verordnung nicht mehr eingesetzt werden. Das hat das Europäische Parlament beschlossen. Grund dafür ist der Verdacht, dass bestimmte Inhaltsstoffe in den Farben gesundheitsschädlich sein könnten. Ab 2023 sollen zudem manche blaue

 

„Ich habe
mehr Angst
vor einem
weiteren Corona-Lockdown.

Frank Stauß

Der Inhaber eines Tattoo-Studios ist zuversichtlich, weiter bunte Farben verwenden zu können.

 

 

und grüne Farbpigmente verboten werden. Diese Vorgaben machen es Tätowierern und ihrer Kundschaft schwerer, sich künstlerisch und bunt auszuleben. 

Die neuen Richtlinien stoßen rund um die Teck bei vielen Tätowierern auf Unverständnis. „Früher waren die Farben mit hohem Nickelgehalt belastet und wirklich schädlich. Mittlerweile sind sie alle überarbeitet und perfektioniert worden“, sagt Tolgay Ucar. Der Geschäftsführer vom Southside-Tatto-Ink in Wendlinge musste Farben im Wert von 1000 Euro wegschmeißen, da sie durch die Verbote nicht mehr genutzt werden können. 

Alternativen gibt es bereits. Den Kopf in den Sand stecken müssen Tattoo-Fans also nicht. Die ersten Händler haben Reach-konforme bunte Farben im Sortiment und bieten sie auch bald zum Verkauf an. Tolgay Ucar hat längst seine Bestellung abgeschickt. Ganz glücklich ist er aber nicht. Er befürchtet nämlich, dass die neuen Töne schneller auf der Haut verblassen könnten. „Wir haben schon immer mehr mit schwarz, grau und weiß tätowiert. Für Studios, die sich aber auf bunte Tattoos spezialisiert haben, sind die neuen Richtlinien existenzbedrohend“, meint er. Der Tattoo-Künstler befürchtet, dass die Verbote den illegalen Handel von schlecht geprüften Produkten fördern.

Dario Esposito vom Tattoo Studio „Dado’s Pincho“ in Kirchheim kann die Reach-Verordnung nicht nachvollziehen. Er glaubt nicht, dass seine bisherigen Farbstoffe gesundheitsschädlich sein können. „Ich arbeite seit 20 Jahren mit den Farben. Da gab es fast nie negative Erlebnisse. Und wenn sich die Haut entzündet hat, lag es an mangelnder Pflege und nicht an den Produkten“, meint er. Als Bedrohung für sein Geschäft sieht er die neuen Regeln aber nicht, da auch er ohnehin nicht viel Buntes tätowiert. 

Frank Stauß von „2020-Tattoo“ in Kirchheim hat längst vorgesorgt: „Die neue Verordnung wurde schon vor zwei Jahren angekündigt. Man muss sich halt um neue Produkte kümmern. Es gibt so viele Möglichkeiten, die verbotenen Substanzen in der Farbe zu ersetzen“, sagt er zuversichtlich. Zusammen mit seiner Frau Rebecca führt er das Studio als Familienunternehmen. Demnächst wollen sie sich sogar vergrößern. „Wir haben mehr Angst vor einem weiteren Corona-Lockdown als vor dem Farbverbot“, erzählt er. Mit dem ersten Eindruck seiner neu bestellten Farben ist er sehr zufrieden. „Sie sollen sogar länger halten, als meine alten Produkte“, meint Frank Stauß. Aber auch er ist vorsichtig mit der Anschaffung von Farben, die von unbekannten Herstellern kommen: „Ich möchte schon wissen, was ich meinen Kunden in die Haut spritze“, schließt er Experimente aus.