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Die Teck ist (fast) immer auf den Kalendermotiven zu sehen

Jahresbegleiter Walter Wanner hat für den Dettinger Bildkalender mit historischen Ansichten in seinem Fotoarchiv gegraben. Herausgekommen ist ein überraschend bunter Blick von den Anfängen der Fotografie. Von Iris Häfner

Gute alte Zeit – mit Blick auf die kaum noch abwendbar zu scheinende Klimakrise scheint eine gewisse Wahrheit in dieser Redewendung zu liegen. Doch wer einst den Großeltern und Eltern zugehört hat und alte, gut gehütete Familienfotos mit geschärftem Blick anschaut, wird die harte Realität hinter der scheinbaren Idylle erkennen. Der Respekt für das Geleistete der „Altvorderen“ versteht sich für Walter Wanner von selbst. Er hat das Fotomaterial für „Dettingen unter Teck – Ein Bildkalender mit historischen Ansichten für das Jahr 2023“ geliefert. 

Die Kalender-Manufaktur im niedersächsischen Verden ist auf den leidenschaftlichen Hobby-Historiker mit der Bitte zugegangen, in seinem Bild-Archiv zu stöbern und eine Auswahl nach Norddeutschland zu schicken. „Ich bin für Baden-Württemberg in unserem Haus zuständig und immer auf der Suche nach neuen Bildgebern“, erklärt Gabriele Bethge. Zu diesem Zweck ruft sie Stadtarchive an und kommt so an das Fotomaterial – oder an Namen, die weiterhelfen können. So kam der Kontakt mit Walter Wanner zustande.

Dank des hohen Alters der Postkarten, die der Dettinger in seinem Bestand hat, gab es keine Probleme bezüglich der Veröffentlichungsrechte. Alle anderen Motive stammen aus dem Hause Wanner, die sich in alten Foto-Alben finden. Schon früh hat sich der Vater von Walter Wanner eine Kamera zugelegt, weshalb er aus einem reichen Fundus auswählen konnte. Mit Begeisterung sichtete er sein Material und schickte eine Auswahl gen Norden. Der Verlag wählte daraus die Motive und stellte die Kalenderblätter zusammen.

 

Als ich nach der Tanzstunde von Kirchheim nach Dettingen unterwegs war, musste ich lange durch die Dunkelheit laufen.
Walter Wanner

 

Dazu zählt beispielsweise das beeindruckende Bild mit dem Zeppelin, der dicht über Dettingen schwebt, Teck und Breitenstein im Hintergrund. „Das war in gewisser Weise nichts Besonderes, der Zeppelin kam regelmäßig vorbei. Die Flugroute führte über das Lenninger Tal, man wusste grob, zu welcher Zeit er vorbeikommt. Da musste sich mein Vater nur an die richtige Stelle stellen“, erzählt Walter Wanner. Vorfahren von ihm sind auf dem November-Blatt zu sehen. Es zeigt eine für die Nachkriegszeit typische Straßen-Szene auf einem schwäbischen Dorf: Frauen mit Kopftuch, Rock und Schürze beim „Grähla-Macha“ – sprich Reisigbündel herstellen – beziehungsweise auf dem Weg zum Feld, wie die geschulterte Hacke beweist. Hühner picken direkt vor ihren Füßen auf der Straße auf der Suche nach Fressbarem. Ein Mann mit Schurz legt letzte Hand an am Geschirr des typischen württembergischen Pferdes, landläufig als „Herr und Bauer“ bekannt, weil das Tier wochentags die Feldarbeit mit seinem Besitzer erledigte und sonntags vor die Kutsche zur Ausfahrt angespannt wurde.

Nicht nur die Landwirtschaft hat sich grundlegend geändert, auch das Ortsbild. Dem Luftangriff in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs fielen viele Häuser zum Opfer. Sie wurden neu errichtet, viele weitere kamen hinzu, ebenso das große Industriegebiet. Den Guckenrain gab es nicht, lediglich das Segelfliegerlager. „Als ich nach der Tanzstunde von Kirchheim nach Dettingen unterwegs war, musste ich lange durch die Dunkelheit laufen“, erzählt Walter Wanner.

Vor allem die Jungen werden sich verwundert die Augen reiben, wenn sie die Teck auf gleich mehreren Kalenderblättern erblicken: Die Burg sieht heute völlig anders aus. Der Unterschied wird vor allem auf einem Bild aus dem Jahr 1908 deutlich: Den runden Turm krönte ein quadratischer Fachwerk­aufsatz, daran angebaut war ein vergleichsweise kleiner Fachwerkbau. Ein heute noch typischer Anblick hat sich allerdings nicht verändert: Schon in den 1930er-Jahren kreisten die Segelflieger nah über und an der Burgstelle.

Eine Zeitdokument ist der Kalender auch für die Feuerwehr. Die Männer der Freiwilligen Wehr waren 1926 in der Unterzahl. Sie trugen zwar Helm und Uniform, doch die Frauen mit Kopftüchern und den Löscheimern waren ihnen zahlenmäßig überlegen. Das jüngste Bild stammt aus dem Jahr 1962 und zeigt die vierte Schulklasse auf ihren Sitzpulten.

„Außer ein paar Freiexemplaren habe ich nichts bekommen“, weist Walter Wanner jede Bereicherung von sich. Ihm hat das Stöbern Spaß gemacht. Er hofft, dass er mit dem besonderen Jahresbegleiter nicht nur den „alten Dettingern“ eine Freude machen kann, sondern auch den Jungen und Zugezogenen.

 

Info Zu kaufen gibt es den DIN A3-Kalender zum Preis von 19,90 Euro in Dettingen beim Rewe-Markt und dem Bücher-Lieferservice Finkeria.