Startschuss für den Musikverein Dettingen ist im Spätherbst 1921. Bereits am 1. Mai hatten musikliebende Bürgerinnen und Bürger den Mandolinenclub gegründet. Wenige Monate später trennen sich viele junge Leute vom „Zupfverein“ und gründen am 17. September den Musikverein. Schon bald musizieren sie bei Festen der örtlichen Vereine, spielen Ständchen an Geburtstagen und Hochzeiten. Der Verein ist in der 2300 Einwohner zählenden Gemeinde aus dem Kulturleben nicht mehr wegzudenken.
Die erste Generalversammlung findet allerdings erst am 12. April 1923 im „Weißen Ochsen“ statt. Dabei wird Georg Hummel zum ersten Vorsitzenden gewählt. Unter Dirigent Frey nimmt der Verein 1924 zum ersten Mal an einem Wertungsspiel in
der unteren Stufe teil und erspielt sich mit seinen Mitstreitern das Ergebnis „sehr gut“. Die Stammkapelle zählt 18 Musiker.
Die Musiker kaufen sich 1926 selbst eine Uniform. Doch die Weltwirtschaftskrise hat auch die Dettinger jahrelang im Griff. Erst 1937 wird sie überwunden und ein Neuanfang mit dem Vorsitzenden, Oberlehrer Karl Sigel, ist möglich. Aber mit Beginn des Zweiten Weltkriegs müssen die meisten Musiker ins Feld ziehen und das Vereinsleben
kommt wie überall zum Erliegen.
Fliegerangriff vernichtet Dokumente
Vier Jahre nach Kriegsende soll der Verein wieder in Gang gebracht werden. Der Besuch zur Versammlung am 24. September im Vereinslokal „Weißer Ochsen“ ist spärlich, niederschmetternd und traurig zugleich: Ein großer Teil der Musiker ist gefallen, sämtliche im Übungslokal der alten Kinderschule gelagerten Instrumente, Noten, Pokale, Urkunden und eine Standarte fallen am 20. April 1945 dem Fliegerangriff auf Dettingen zum Opfer. Nur wenige Aktive sind bereit, einen geregelten Spielbetrieb wieder aufzunehmen.
Im Jahr 1954 startet der Verein einen gelungenen Neuanfang. Die Gemeindeverwaltung unterstützt den Verein finanziell bei der Beschaffung der Instrumente. Somit ist der Auftakt zu einer raschen Aufwärtsentwicklung des Musikvereins gegeben. Schon nach wenigen Monaten tritt die neue Kapelle auf und es müssen keine Gastkapellen bei Dettinger Festen mehr verpflichtet werden. Bei der Einweihung des Sportplatzes 1956 ist der Musikverein Teil des Festzugs. Ein Jahr später gibt es die erste Uniform, 1965 die Tracht.
Bereits 1963 wird die Jugendkapelle gegründet. Neue Wege geht der Verein 1983, um junge Musiker in seine Reihen locken zu können: In der Hauptschule, zu der Schüler und Eltern eingeladen sind, werde alle im Verein gespielten Instrumente vorgestellt.
Am 16. Mai 1985 findet die erste Vatertagshocketse auf dem Hirschsprung statt – das Fest wird zum Dauerbrenner und Publikumsmagneten bis heute. Immer wieder gibt es Highlights im Vereinsleben: Am 1. Oktober 1989 startet der Verein beispielsweise mit zahlreichen Schlachtenbummlern zur Blasmusik-Parade nach Stuttgart auf den Killesberg und spielt sich mit dem „Zillertaler Hochzeitsmarsch“ auf Platz zwei.
Heinrich Schmidt, ungarisch-deutscher Donauschwabe schlägt eine Ungarnreise vor und so geht es erstmals 1990 nach Pécs (Fünfkirchen) im Süden Ungarns und nach Palotabozsok (Boschok). Weitere Reisen dorthin folgen, ebenso ein Gegenbesuch der Ungarn an die Teck. Das Fest zum 70-jährigen Bestehen des Musikvereins findet im Juni 1992 statt. Die Tage erhalten durch den Besuch der Freunde aus Palotabozsok, die mit zwei Bussen anreisen, eine besondere Note.
Ein Jahr zuvor ist die Schlossberghalle grundsaniert und um einen Anbau erweitert worden. Der Proberaum und die Nebenräume werden dem Verein überlassen. Es steckt neben der finanziellen Investition viel Eigenarbeit der Mitglieder drin: Allein die Helfer leisten 2000 Arbeitsstunden.Nach über einjähriger Bauzeit wird die „neue“ Schlossberghalle ihrer Bestimmung übergeben. Nun kann auch der Musikverein seinen neuen Proberaum
am 25. Oktober 1991 erstmals nutzen.
Erwähnung in der Festschrift findet auch der zweimalige Besuch im Neckarstadion, wo der Musikverein bei VfB-Spielen musikalisch die Halbzeitpausen füllt. Zudem ist die Musikkapelle auch mehrmals im Süddeutschen Rundfunk zu hören und anlässlich des 75-jährigen Bestehens wird eine CD aufgenommen.
Das Jubiläum wird vier Tage lang gefeiert: Umzug mit Kinderfest, Heimatabend, großer Tanzabend mit den Blaumeisen und vielem mehr. Highlight ist der bunte Abend am Samstag mit namhaften, aus Funk und Fernsehen bekannten Gästen der Volksmusikszene. Mit dabei sind André Stoll und seine Schwabenlandmusikanten, der jodelnde Japaner Takeo Ischi, Uschi Bauer, die als schnellste Jodlerin der Welt gilt, – und ein gewisser Florian Silbereisen. Der wird als „der Junge mit dem Akkordeon“ angekündigt. Somit darf der Dettinger Musikverein nicht nur den eigenen Musik-Nachwuchs als Sprungbrett gelten. In 22 Sitzungen hat der extra einberufene Festausschuss damals diese Veranstaltung
akribisch vorbereitet.
Die Winterunterhaltung ist stets das musikalische Highlight beim Musikverein. Hier legen die Dirigenten der Jugend- und Stammkapelle immer ein spezielles Programm auf. Da gibt es alles zu hören – von konzertanter Musik, Musicals, über Rock und Pop, Schlager, Polka, Marsch bis Walzer. Für jeden Geschmack ist immer etwas dabei. Amüsanter Abschluss jeder Winterunterhaltungen: Der Auftritt der Theatergruppe.
Seit dem Jahr 2000 findet unter dem Maibaum der Brunnenhock des Musikvereins statt. Im Jahr 2001 feiert die Gemeinde Dettingen ihr 750-jähriges Bestehen. Das „Wecken“ durch den Ort ist bis dato der letzte Auftritt dieser Art. „Große Veranstaltungen sind heutzutage Mangelware und teilweise aus finanzieller Sicht kaum mehr vertretbar“, bedauern die Verantwortlichen. Am Sonntag marschiert die Kapelle beim historischen Festumzug durch Dettingen mit. Dieser Umzug versetzt ganz Dettingen ins Mittelalter. Die Lauterhocketse wird 2003 aufgewertet und findet nun an drei Tagen statt. Hinzu kommt der Freitagabend mit Disco und Barbetrieb. Doch wenige Jahre später, ab 2009 wird das Fest wieder auf einen Tag reduziert.
Nach 28 Jahren gibt Horst Kiedaisch sein Amt 2014 als Jugendleiter ab. Er prägt wie kein anderer vor ihm das Bild der Jugendarbeit. Unzählige Kinder und Jugendliche werden von ihm ausgebildet und in der Jugendkapelle begleitet. „Als zuständiger Jugenddirigent hat er vielen Jugendlichen das musikalische Handwerkszeug mit an die Hand gegeben“, lautet das einhellige Lob.
Nicht wegzudenken ist aus dem Vereinsreigen ist die beliebte Theatergruppe. Insgesamt 47 Schauspieler, vor allen Dingen Schauspielerinnen, standen seit Anfang der 1960er Jahre in rund 50 verschiedenen Theaterstücken auf der Bühne. Aus der Not geboren, spielt die Truppe eines schönen Tags nicht wie üblich am Ende der Winterunterhaltung, sondern hat ihren eigenen, abendfüllenden Auftritt. Der kommt so gut bei den Besucherinnen und Besuchern an, dass die Theatergruppe fortan mit dem Theaterfrühling einen eigenen Platz im Veranstaltungskalender des Musikvereins hat. Das ist 2020 bislang die letzte offizielle Aufführung des Musikvereins – wegen Corona. Auch wenn deshalb das Vereinsleben nicht mehr stattfindet, lässt sich der Dettinger Musikverein davon nicht unterkriegen. Kurzerhand rufen die Mitglieder – vor allem die Frauen – die Aktion „Wir backen das!“ aus der Taufe. Die ist dermaßen erfolgreich, dass weitere dieser Art folgen. Auf speziellen Wunsch vieler Herren gibt es auch eine deftige Einlage mit „Wir bruzeln das!“: Schweinshaxe und Weißwurst können statt Rüblitorte und Glühweikuchen abgeholt werden. Kurz vor dem zweiten Lockdown gibt der Verein noch ein Platzkonzert vor der Kirche, ehe die Instrumente wieder für lange Zeit verstummen.
Doch anlässlich des Jubiliäums stehen die Zeichen endlich wieder auf Feierlaune, schließlich wollen 100 Jahre Musikverein Dettingen gebührend gefeiert werden.