Der Ausbau von regenerativer Energie schreitet voran, sollte jedoch angesichts der gesteckten Ziele noch mehr forciert werden. Vor allem bei Windkraftanlagen sieht die Bundesregierung noch mehr Potenzial. Diese ist in den letzten Jahren insbesondere im Süden wie in Baden-Württemberg ins Stocken geraten. Mit dem neuen sogenannten „Wind-an-Land-Gesetz“ hat sich die „Ampel“ zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2030 den Strom aus Windkraft zu verdoppeln. Um die Energieversorgung schneller umzubauen, sollen Planungs- und Genehmigungsverfahren erheblich beschleunigt werden. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass dafür in zehn Jahren mindestens zwei Prozent der Bundesfläche bereitstehen müssen. Derzeit sind bundesweit 0,8 Prozent der Landesfläche für Windenergie an Land ausgewiesen – allerdings sind nur 0,5 Prozent tatsächlich verfügbar.
Auf einen Haushaltsantrag der Grünen hat die Stadt Wendlingen beim Regionalverband Stuttgart Rückfrage gehalten, wie der Standort einer Windkraftanlage im Waldgebiet Rübholz bewertet wird. Die Antwort kam prompt. Hatte sich ein Windrad noch bei der Teilfortschreibung des Regionalplanes im Jahr 2015 „als grundsätzlich für den Bau einer Windkraftanlage geeignet erwiesen“, hat sich die Beurteilungsgrundlage verändert, nachdem der Windatlas aus dem Jahr 2011 als Planungsgrundlage durch den neuen Windatlas 2019 ersetzt wurde.
Es geht um die Windhöffigkeit
Konkret geht es dabei um einen Orientierungswert zur „Windhöffigkeit“. Der Fachausdruck steht für das durchschnittliche Windaufkommen an einem bestimmten Standort und gilt als Maßstab für die Gewinnung von Windenergie. Der Windatlas von 2011 hatte eine Eignung für ein Windrad ab einem Orientierungswert von 5,3 Metern pro Sekunde (m/s) in einer Höhe von 100 Metern über dem Boden unterstellt. Dieser Orientierungswert lag auch der Fortschreibung des Regionalplans von 2015 zugrunde. 2019 empfahl das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft, dass bei behördlichen Entscheidungen für ein Windrad künftig eine mittlere Windgeschwindigkeit von 5,65 bis 5,9 Meter pro Sekunde in einer Höhe von 160 Metern als Orientierungsgröße für eine ausreichende Windhöffigkeit anzulegen sei. „Dies wird in Wendlingen jedoch nicht erreicht“, so Ulrich Scholder vom Stadtbauamt, da die mittlere Windgeschwindigkeit am vorgesehenen Standort im Rübholz nur zwischen 5 und 5,5 m/s beträgt.
Artenschutz spielt auch eine Rolle
Das gilt auch für den Rest der Gemarkung Wendlingen gemäß dem Windatlas von 2019. Demnach besteht dort kein ausreichendes Windpotenzial. „Unter der gesetzten Mindestschwelle wollen wir keine Vorranggebiete ausweisen“, bestätigte Thomas Kiwitt, Leitender Technischer Direktor beim Verband Region Stuttgart. Ob sich private Investoren dann überhaupt für solche Standorte noch interessieren werden, hängt von der Höhe der zu erwartenden Rendite ab. Aber auch dann müssen für eine Genehmigung weitere Kriterien erfüllt werden wie Artenschutz, Emissionsschutz, Flugsicherung. Für Thomas Kiwitt steht jedenfalls fest: „Wir brauchen Windräder an den richtigen Standorten. Und wir wollen schnell handlungsfähig sein.“
Die Fraktion der CDU im Gemeinderat ist generell gegen die Ausweisung eines Standorts im Wald, kann sich aber vorstellen, Standorte auf Feldern prüfen zu lassen. Die Freien Wähler zeigen sich offen für Standorte, die die Möglichkeit bieten, mehrere Windkraftanlagen aufzustellen. Pro Windrad ist aktuell auch CDU-Stadtrat Alois Hafner, allerdings unter der Voraussetzung, „es lässt sich wirtschaftlich darstellen“.
Für Hermann Sommer, Stadtrat der Grünen, die dazu den Haushaltsantrag gestellt hatten, sind noch nicht alle Fragen zum Windkraftbau hinreichend geklärt. Aus seiner Sicht bedarf es einer weiteren Prüfung. Und die bezieht sich auf die Technik der Windkraftanlagen, die sich seit 2015 verbessert habe, auch würden heute höhere Windräder als damals gebaut. Das sieht auch seine Fraktionskollegin Ursula Vaas-Hochradl so: „Unser Ziel ist es, autark zu werden.“ Angesichts der steigenden Energiepreise gelte es auch die Wirtschaftlichkeit genauer zu überprüfen. Auch diesbezüglich hätten sich die Voraussetzungen geändert, die ins Kalkül einbezogen werden müssen. Aus der Sicht der Grünen haben sich grundlegende Prioritäten verschoben: Galt seither Naturschutz vor Klimaschutz, gilt jetzt: Ohne Klima- gibt es keinen Naturschutz.
Das bedeutet, dass künftig auch Landschaftsschutzgebiete für Windkraftanlagen geöffnet werden sollen. Dafür muss das Bundesnaturschutzgesetz geändert werden, was der Bund zwischenzeitlich auch bereits angekündigt hat. Dafür hatte sich die baden-württembergische Umwelt- und Energieministerin Thekla Walker bei der Bundesregierung mit Erfolg eingesetzt.