Zwischen Neckar und Alb
„Die Zeit läuft uns davon“

Mobilität Eine zweistündige Online-Diskussion zeigt bei fünf Landtagskandidaten viel Übereinstimmung in Sachen Verkehrswende, aber auch Unterschiede, was das Fahrrad und synthetische Kraftstoffe betrifft. Von Peter Dietrich

Rund ums Thema Mobilität ging es bei einer Online-Diskussion, zu der die Initiative „Kirchheim anders mobil“ und die Allianz „Mobilitätswende für Baden-Würt­temberg“ eingeladen hatten. Auf dem Podium saßen die Kirchheimer Landtagskandidaten An­dreas Schwarz für die Grünen, Natalie Pfau-Weller für die CDU, An­dreas Kenner für die SPD, Ralph Kittl für die FDP und Sahin Hüseyin für die Linken.

Beim Thema Mobiliät bringen die Kirchheimer Landtagskandidaten einiges an Erfahrung und Sachkenntnis mit: Andreas Schwarz nutzt Stadtmobil, ist S-Bahn-Fan und Rennradfahrer. Auch Natalie Pfau-Weller stellte sich als leidenschaftliche S-Bahn-Fahrerin vor und geht in der Kommune gerne zu Fuß. Andreas Kenner hat kein Auto, aber ein Pedelec, und fährt viel S-Bahn. Sahin Hüseyin fährt am meisten Rad, auch zur Arbeit, bei Regen auch mal Zug. Das einzige Bekenntnis zum Auto kam von Ralph Kittl: Zum Dienstantritt morgens um 5 Uhr in Nürtingen fährt er von Kirchheim aus mit dem Auto, mit dem ÖPNV würde das bis zu 45 Minuten dauern.

Bei der Stromproduktion liege der Anteil erneuerbarer Energie bei über 40 Prozent, beim Verkehr noch bei fünf Prozent, nannte Moderator Romeo Edel von der „Mobilitätswende für Baden-Württemberg“ Zahlen und sagte: „Es besteht dringender Handlungsbedarf.“ Natalie Pfau-Weller legte Wert auf Barrierefreiheit beim Busverkehr, die Taktabstimmung mit der S-Bahn und den Preis - mit einem Lob fürs Stadtticket.

„Wir wollen bis 2030 die ÖPNV-Fahrgastzahlen verdoppeln“, unterstrich Andreas Schwarz das ambitionierte Ziel. Jeder Ort in Baden-Württemberg müsse von frühmorgens bis spätabends mindestens stündlich angebunden werden. Ralph Kittl sieht das Problem darin, dass die erneuerbaren Energien nicht gespeichert werden können. Dies sei mit synthetischen Kraftstoffen, so genannten „e-fuels“, und mit Wasserstoff möglich. Für letzteren ließen sich Erdgasleitungen nutzen.

Andreas Kenner ist mit der Entwicklung der Radwege in den letzten zehn Jahren „nicht ganz zufrieden“. Warum erhielten die ­S-Bahnen erst 2033 eine Toilette? „Da ist noch Luft nach oben“, betonte er. Sahin Hüseyin sprach sich für Kostenwahrheit aus: Einen Großteil der Kosten für den Autoverkehr hätten bisher alle anderen mitbezahlt. „Die innovativste Technologie wird nicht alle Probleme lösen können. Im Stau ist der Antrieb egal.“ Es brauche weniger Autos und mehr Rad, Bus und Bahn. Auch aus Sicht von Andreas Kenner sind „47 Millionen Elektroautos auf der Straße“ keine Perspektive.

Einer der rund 40 Zuschauer verwies im Chat auf den miserablen Wirkungsgrad der synthetischen Kraftstoffe. Woher solle die zusätzliche Energie kommen? Noch eine Nachfrage: Als Winfried Kretschmann 2011 von „weniger Autos“ sprach, habe es einen Aufschrei gegeben. Dürfe man das nun 2021 sagen?

Einigkeit bestand aber darin, dass der Wandel schneller gehen muss. „Der Radschnellweg dauert viel zu lange“, gab Andreas Schwarz einem Zuschauer Recht. „Die Zeit läuft uns davon“, sagte Andreas Kenner. „Wir haben nur noch 15 Jahre Zeit, um die massiven Klimafolgen einzudämmen“, so Sahin Hüseyin. Für ihn geht es auch um eine soziale Frage: Mehr Einkommen bedeute größere Autos und Häuser und mehr Reisen und damit mehr Umweltbelastung. „Es ist nicht richtig, wenn jemand mit Geld das Recht kaufen kann, die Natur zu zerstören.“

Klare Unterschiede gab es beim Thema Fahrrad. Ralph Kittl sieht es eher im lokalen Bereich und gab zu bedenken, dass die Masse damit nicht zur Arbeit oder in den Urlaub fahren werde. Andreas Kenner dagegen hatte es in Kopenhagen fasziniert, was mit dem Rad alles geht.