Esslingen. Wenn ein Schauspieler den Text vergisst, hält das Publikum den Atem an. Damit solche Gedächtnislücken möglichst unauffällig bleiben, gibt es am Theater Souffleusen und Souffleure. Das Wort kommt vom französischen Wort „souffler“, was zuflüstern bedeutet. Eine von ihnen ist die 52-jährige Birgit Schuck. Derzeit steckt sie in den Endproben für das Gegenwartsdrama „Jeeps“ von Nora Abdel-Maksoud, das am 21. Februar im Esslinger Schauspielhaus Premiere gefeiert hat. Regie führt Tobias Rott. „Wir sind im gesamten Probenprozess dabei“, sagt Schuck. Denn um zu soufflieren, braucht es aus ihrer Sicht ein Vertrauensverhältnis.
Früher saßen die Souffleure in einem Kasten auf der Bühne, auch Muschel genannt. Die gibt es nur noch an wenigen Bühnen. An der Württembergischen Landesbühne (WLB) in Esslingen sitzen die Zuflüsterer in der ersten Reihe im Publikum oder auf der Seitenbühne. Mit ihrer Kollegin Isolde Meisel teilt sich Schuck die Produktionen an der WLB. Nicht nur bei den Proben, auch auf den Abstechern in ganz Baden-Württemberg und darüber hinaus sind die beiden Frauen dabei. Das ist manchmal für alle Beteiligten eine Ochsentour. Aber dabei lerne man sich auch kennen, ist die 66-jährige Isolde Meisel überzeugt.
Wie kamen die beiden Frauen zum Theater? Als Tänzerin war Meisel immer klar, dass sie nicht für unbegrenzte Zeit auf der Bühne stehen würde. Da sie das Theater liebt, suchte sie nach neuen Perspektiven. Die Soufflage war für sie eine wunderbare Möglichkeit. Seit 13 Jahren ist sie jetzt in dem Beruf tätig. Klassische Texte faszinieren sie ebenso wie neue Stücke, „bei denen man auch mal die eine oder andere Zeile improvisieren kann“. Auch Birgit Schuck kommt von der Theaterpraxis. In Laienensembles hat sie Regie geführt. „Mein Wunsch war es aber immer, mit Profis zu arbeiten.“ Deshalb fing die 52-Jährige bei der Esslinger Landesbühne als Souffleuse an.
Die Männer und Frauen, die den Schauspielern bei Gedächtnislücken oder Texthängern helfen, gab es schon im Theater des Barocks. Damals saßen sie am vorderen Bühnenrand in sogenannten Muscheln oder Kästen, die oft kunstvoll verziert waren. An manchen Bühnen ist dieser Kasten heute noch zu finden – allerdings meist in schlichter Form. Dann sind die Souffleure für das Publikum kaum zu hören, für die Schauspieler schon. Meist sitzen die Männer und Frauen, die soufflieren, heute aber in der ersten Reihe. Mit Textbuch, Klemmbrett und einem Lämpchen sind sie leicht zu erkennen und gehören selbstverständlich dazu. Manche Regieteams integrieren sie sogar ins Bühnengeschehen. Manche Spielerinnen und Spieler rufen ganz offensiv „Text, bitte“, wenn sie nicht weiterwissen. Dennoch versuchen die Souffleusen, den Text möglichst leise einzuflüstern, damit das Publikum nichts davon merkt und der Spielfluss weitergeht.
Die Art der Schauspieler, mit Hängern umzugehen, ist Birgit Schuck zufolge ganz unterschiedlich. Man kenne sich und wisse genau, was die Spielerinnen und Spieler bevorzugen. „Am besten ist es, wenn wir gar nicht eingreifen müssen.“ Wichtig sei, genau hinzuschauen und hinzuhören. Dann klappt die Kommunikation mit dem Ensemble auf der Bühne. Denn zu früh ein Wort in den Saal zu rufen, das darf den Souffleusen nicht passieren. Deshalb lesen sie den Text konzentriert mit. „Nach dem langen Probenprozess weiß ich das meiste auswendig“, sagt Birgit Schuck. Gerade beim Textlernen nehmen sie und ihre Kollegen für die Schauspieler eine Schlüsselrolle ein.
Einfühlungsvermögen ist wichtig
Welche Eigenschaften braucht man für den Beruf? In der Jobbeschreibung des Deutschen Bühnenvereins ist von guter Konzentrationsfähigkeit und Einfühlungsvermögen die Rede. Außerdem muss die Stimme kräftig und belastbar sein. Die meisten haben schon am Theater gearbeitet und kennen die Abläufe. Das kommt auch Birgit Schuck zugute. Die erfahrene Souffleurin macht sich im Textbuch akribisch Notizen, hat auch die Regieanweisungen im Blick. „Das ist wichtig, wenn es etwa eine Wiederaufnahme gibt.“ Mit dem Gastspielbetrieb der Landesbühne kommen die beiden Souffleusen gut klar. Sie fahren mit dem Ensemble in die Stadthallen von Ilshofen oder Gerabronn. Die Chance, an der Landesbühne ein so unterschiedliches Publikum zu erleben, macht den stressigen Reisebetrieb wett.

