Die gute Nachricht zuerst: 73 am Coronavirus Erkrankte im Kreis Esslingen sind inzwischen wieder gesund. Ein Zeichen, dass sich die Situation entspannt, ist das freilich nicht. Im Gegenteil: „Die Lage spitzt sich weiter zu“, sagt der Esslinger Landrat Heinz Eininger, der in der Audiokonferenz mit der Presse gestern bemüht war, Emotionen vor allem als Dank zu verpacken: An alle Mitarbeiter und Helfer, aber auch an die, die Disziplin zeigten und soziale Kontakte vermieden. Ansonsten ging es um Fakten, und die sind nach wie vor beunruhigend: Stand gestern kletterte die Zahl der Infizierten im Kreis auf 608. Das sind 17 Fälle mehr als am Vortag. Drei weitere Personen sind inzwischen gestorben. Damit erhöht sich die Zahl der Todesopfer im Kreis - allesamt Personen im Alter zwischen 70 und 95 Jahren - auf sechs. In den drei Kreiskliniken sind momentan 74 Coronapatienten untergebracht plus 40 weitere Verdachtsfälle. 16 der Infizierten sind ein Fall für die Intensivmedizin, darunter auch einige unter 50-Jährige, die nicht zur Risikogruppe zählen.
Doch gerade die bereitet den Medizinern weiterhin Sorgen, denn die Zahl der Intensivbetten ist begrenzt. Kreisweit stehen an den drei Medius-Kliniken, der Filderklinik in Bonlanden und dem Klinikum in Esslingen 121 Beatmungsplätze zur Verfügung. Damit die Lage nicht eskaliert, heißt es: vorbereitet sein und weiter tes- ten. An den beiden Corona-Abstrichzentren (CAZ) in Oberensingen und bei der Messe auf den Fildern, wo sich die Lage inzwischen etwas entspannt hat, haben Ärzte und Helfer des Malteser Hilfsdienstes in den zurückliegenden zwei Wochen 5812 Tests vorgenommen. Die Nachricht, die gestern Mittag vom Stuttgarter Automobilzulieferer Bosch kam, will man im Landkreis bisher noch nicht kommentieren: Bosch kündigt einen Schnelltest an, der Ergebnisse innerhalb von zweieinhalb Stunden ermöglichen soll.
Fieberambulanzen an den CAZ
Egal wie: Jeder Test, der außerhalb von Arztpraxen und Kliniken stattfindet, dient dort der Entlastung. „Das funktioniert in keinem anderen Landkreis so gut“, meint Eininger. Deshalb wolle man so lange wie möglich daran festhalten. Und nicht nur das: Im Laufe der kommende Woche sollen an beiden Standorten Fieberambulanzen eingerichtet werden, in denen Patienten, die mit dem Auto kommen und entsprechende Symptome aufweisen, gesondert behandelt werden.
Dann wird es im Kreis auch erstmals etwas geben, was man bisher strikt vermeiden wollte: Notkrankenhäuser. Die Planungen, die Fildermesse zur Ersatzklinik umzurüsten, laufen bereits, wie der Landrat gestern bestätigte. „Im Laufe der kommenden Woche könnten wir eventuell so weit sein.“ Geplant seien 200 bis 300 Betten zur Entlastung des Klinikbetriebs. Das Problem: Im Moment fehlt noch das Personal (siehe Infoteil).
Noch dramatischer ist die Situation beim Nachschub mit Schutzausrüstung. Es fehlt an allem: Kleidung, Masken, Handschuhe, Desinfektionsmittel. Die Häuser helfen sich gegenseitig aus, so gut es geht - auch über Kreisgrenzen hinweg. Was im Moment als Folge von öffentlichen Appellen zusammengetragen wird, ist allerdings nicht mehr als der Tropfen auf den heißen Stein. „Was wir haben, reicht im Moment noch bis Anfang kommender Woche“, stellt Eininger fest. Um die Dimension zu verdeutlichen: Allein in den drei Kreiskliniken mit ihren mehr als 3000 Beschäftigten werden pro Monat 120 000 Schutzkittel und 40 000 Mundschutzmasken benötigt, die zumeist aus Frankreich und China geliefert werden. Eininger hat sich deshalb am Mittwoch mit einem Hilferuf direkt an Sozialminister Manne Lucha gewandt. Und das in ziemlicher Deutlichkeit: Ohne ausreichendes Schutzmaterial sei man gezwungen, die Versorgung einzustellen und Patienten an andere Häuser zu verlegen.