Betrug
Dreiste Handwerker-Abzocke

Eine Frau wird von einer dubiosen Firma übers Ohr gehauen. Die Suche nach den Betrügern führt sie in den Kreis Esslingen. 

Unseriöse Firmen nennen am Telefon nie einen Preis. Foto: adobestock.com

Als der Küchenabfluss bei Mareike Kreuzer (Name geändert) streikt, tut sie, was viele Menschen in einer solchen Situation tun: Sie sucht Hilfe im Internet. Die Firma Seibel 365 wird ihr als Notdienst angezeigt. „Das Unternehmen stand in der Google-Suche ganz oben“, sagt Kreuzer, die Aufmachung der Seite scheint professionell. Die Firma bietet neben einem Schlüsseldienst und Schädlingsbekämpfung auch einen Sanitär- und Heizungsdienst an.

„Am Telefon wurde mir gesagt, dass eine Einsatzpauschale von 69 Euro anfällt und die restlichen Kosten mit dem Handwerker vor Ort besprochen werden“, erzählt Kreuzer. Wenige Stunden später steht der mutmaßliche Handwerker vor der Tür – „ein junger Kerl, sehr freundlich“. Der Mann spricht von einer Arbeitspauschale von 229 Euro und 29 Euro pro gereinigtem Meter Rohr. Rund 700 Euro soll der Einsatz kosten. „Das kam mir ziemlich viel vor, aber der Handwerker versicherte, dass das der marktübliche Preis ist. Und ich selbst hatte ja keine Ahnung davor.“

Nach 30 Minuten ist die Arbeit getan, doch plötzlich verlangt der Mann 1200 Euro. „Mit der Begründung, dass er nicht drei, sondern fünf Meter habe reinigen müssen.“ Kreuzer weigert sich zunächst, zu zahlen. Daraufhin ist es mit der Freundlichkeit vorbei. „Er hat mich unter Druck gesetzt. Ich sollte zumindest 30 Prozent zahlen. So viel Bargeld hatte ich nicht daheim, also musste ich den Gesamtbetrag per Kartenzahlung begleichen.“

Sofort nach der Zahlung habe der Handwerker fluchtartig die Wohnung verlassen. „Er sagte noch, er sei aus Pforzheim, dann war er weg.“ Die Sache lässt Kreuzer keine Ruhe. Sie möchte die Verantwortlichen bei der Firma Seibel zur Rede stellen, doch unter der angegebenen Telefonnummer meldet sich niemand mehr.

Dann schaut sich Kreuzer die Rechnung genauer an: „Die kam nicht von der Firma, die ich kontaktiert hatte, sondern von einem Hausmeisterservice aus Moers.“ Der ist im Internet nicht zu finden. Das Geld wurde von einer dritten, nicht auffindbaren Firma – einer Rohrreinigung aus Oberhausen – eingezogen. Keines der drei Unternehmen ist erreichbar. „Die Telefonnummern sind entweder falsch oder nicht erreichbar“, sagt Kreuzer. Trotzdem versucht sie, einen Verantwortlichen ausfindig zu machen. Schnell stößt sie auf ein kompliziertes Firmengeflecht. Hinter Seibel 365 steckt die Firma Seibel GmbH & Co. KG, dahinter verbirgt sich die Notdienst-Zentrale 24 Beteiligungs GmbH. Je tiefer die Recherche geht, umso mehr dubiose Unternehmen tauchen auf.

Wir schauen uns das Netz an Unternehmen genauer an. Einträge im Handelsregister zeigen, dass die Firmennamen häufig geändert und Standorte gewechselt werden. So soll die Seibel GmbH & Co. KG ab Ende 2022 von Neckartenzlingen aus operiert haben. Im Impressum der Firmen taucht immer wieder derselbe Name eines mutmaßlichen Verantwortlichen auf. „Nur ein Strohmann“, sagt Matthias Bauer von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Seit Jahren beschäftigt er sich mit der Handwerker-Abzocke. Er ist sich sicher: Hinter der Seibel GmbH & Co. KG steckt Thomas M.

Seit Jahren kassiere Thomas M. mit dem perfiden Geschäftsmodell ab. Er sei der Strippenzieher hinter einem „Konglomerat aus Firmen und Scheinfirmen“. Diese bieten im Internet verschiedene Leistungen an. „Opfer sind immer Menschen, die sich in einer akuten Notsituation befinden. Sie haben sich ausgeschlossen oder das Abflussrohr ist verstopft“, sagt Bauer. Im Internet suchen sie nach Hilfe und landen auf scheinbar seriösen Seiten. „Wer eine dieser Firmen anruft, landet in einem Callcenter.“ Von dort werden die Fälle an angebliche Handwerker vermittelt. „Oft sind diese Leute nicht einmal Handwerker. Sie werden speziell ausgebildet, um Leute abzuzocken.“

Zu erkennen seien unseriöse Firmen etwa daran, dass am Telefon nie ein Preis genannt werde. „Es wird immer nur von Anfahrtskosten gesprochen, die meist zwischen 60 und 90 Euro liegen. Alles andere soll man vor Ort mit dem Handwerker klären“, sagt Bauer. „Am Ende soll man viel Geld für eine schlechte oder gar keine Leistung zahlen.“

 

Den Firmennamen gab es weder an Klingel noch Briefkasten. Es war eine Scheinadresse.

Matthias Bauer, Verbraucherzentrale Baden-Württemberg

 

 

Als die Seibel GmbH & Co. KG ihren Sitz nach Neckartenzlingen in die Danziger Straße verlegte, machte sich Bauer auf den Weg dorthin. Die angegebene Adresse habe in ein Wohngebiet geführt, von einem Firmengebäude keine Spur. „Auch den Firmennamen gab es weder an Klingel noch Briefkasten. Es war eine Scheinadresse“, sagt Bauer. Mittlerweile wurde der Firmensitz wieder geändert und befindet sich nun in Regensburg.

„2018 und 2019 war die Hochzeit der Betrugsmasche“, erzählt der Experte. Zwischen 800 und 900 Beschwerden habe die Verbraucherzentrale jährlich erhalten. Mittlerweile seien es noch zwischen 50 und 60 Anfragen pro Jahr. „Das ist aber nur die Spitze des Eisbergs. Nicht alle suchen Hilfe“, sagt Bauer.

Thomas M. wird derzeit in Regensburg der Prozess gemacht. 2022 wurde er verhaftet, seit Februar muss er sich wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs sowie Wucher in 212 Fällen verantworten. „Er sieht sich im Recht und zeigt keine Reue“, sagt Bauer.

Doch wieso kann der Betrug trotz des Prozesses weitergehen? „Wir haben Gewerbefreiheit“, sagt Bauer. Jeder könne eine Firma gründen und Dienstleistungen anbieten. Thomas M. kam nach drei Monaten U-Haft wieder frei. Wie genau er momentan an Firmen wie Seibel mitverdient, ist unklar. Als einstige Geschäftsführerin ist seine Frau genannt. Laut der Staatsanwaltschaft in Regensburg ist die Seibel GmbH & Co. KG nicht Teil der Anklage gegen Thomas M. Doch seien auch gegen diese Firma „mehrere Ermittlungsverfahren“ wegen Betrugs anhängig.

Mareike Kreuzer hat Anzeige erstattet. „Die Anwältin, die ich eingeschaltet habe, sieht die Erfolgschancen jedoch als gering an“, sagt sie. Jeder könne den Preis verlangen, den er für richtig hält. Auch Bauer glaubt nicht, dass Mareike Kreuzer ihr Geld zurückbekommen wird: „Wer einmal gezahlt hat, hat verloren.“