Das Herz von Markus Aichele aus Lenningen schlägt für die Elektromobilität. Der Ingenieur für Fahrzeugtechnik arbeitet in der Batterieentwicklung. Das vor der Haustür stehende E-Auto lädt er mit Strom vom eigenen Dach. Fahrten zum Kindergarten, zum Einkaufen und zur Arbeit lassen sich damit problemlos erledigen. „So fahre ich Kurzstrecken mit gutem Gewissen“, sagt er. Zu Jahresbeginn hat er einen Hebel gefunden, mit dem er und andere Besitzer von E-Autos mit ihrem fahrbaren Untersatz sogar Geld verdienen: Dahinter steckt das vom Bundestag beschlossene Gesetz zur Treibhausgasminderungsquote, weniger sperrig THG-Quote genannt.
Das Prinzip ist einfach: Wer einen Stromer hat, darf seine Emissionseinsparung verkaufen. Das Geld stammt von Mineralölunternehmen, die mehr CO2 ausstoßen als der Gesetzgeber erlaubt. Weil dieser Zertifikathandel zwischen der Industrie und einzelnen Haltern von E-Autos zu aufwendig wäre, bündeln Dienstleister wie Markus Aichele Strommengen und schließen Verträge mit energieintensiven Unternehmen. Zusammen mit seinem Schwager hat er die Firma „mygreencashback“ gegründet. Sie wirkt wie eine Art Schaltzentrale zwischen Mineralölfirmen und Besitzern von E-Autos. „Nicht alle Dienstleister legen sich fest, wie viel Geld sie ausschütten“, sagt er. „Wir garantieren jedem Halter 330 Euro pro Jahr.“ Für E-Transporter sind es 495, für E-Busse und E-Lkw sogar 12 000 Euro pro Fahrzeug. Ausbezahlt wird der Betrag quartalsweise. An das Geld zu kommen, ist für Besitzer von Stromern unkompliziert: Es genügt, auf der Internetseite eine Kopie des Fahrzeugscheins hochzuladen und ein paar persönliche Daten einzugeben. Ob Autohaus, Versicherer oder Automobilclub – in den vergangenen Wochen hat sich ein bunter Anbieter-Mix entwickelt.
Noch muss Markus Aichele bei der Kundenwerbung viel Aufklärungsarbeit leisten. Für die Akquise greift er zum Telefonhörer und steckt auf Parkflächen auch schon mal Flyer unter die Scheibenwischer von Autos mit einem „E“-Kennzeichen. Den Markt für Umweltzertifikate bezeichnet er als „grüne Wiese“ mit einem enormen Wachstumspotenzial.
Nicht stehen lassen möchte er den Vorwurf, dass sich Unternehmen, die viel klimaschädliches CO2 ausstoßen, durch den Emissionsrechtehandel von Strafzahlungen freikaufen können. „Geld aus der Mineralölindustrie wird durch die THG-Quote in die Elektromobilität umverteilt. Das treibt die Energiewende voran“, sagt der 41-Jährige. Dabei gehe es um ein Steigern der Energiegerechtigkeit. Mittelständische Mineralölunternehmen, mit denen er Verträge geschlossen hat, leisteten zudem einen wichtigen Beitrag zur Grundversorgung, indem sie Lkw mit Diesel belieferten. Besitzer von E-Autos, die sich das Geld aus den Umweltzertifikaten durch die Lappen gehen lassen, spülten im Übrigen Geld in die Staatskasse. „Nicht bezogene THG-Quoten verkauft die Bundesregierung“, erklärt Markus Aichele.
Das E-Fahrzeug muss einen Tag angemeldet sein
Die THG-Quote soll einen Anreiz schaffen, Emissionen im Verkehr zu verringern und beim Erreichen der Klimaziele helfen. Bislang konnten lediglich Unternehmen Umweltzertifikate verkaufen. Seit Beginn des Jahres profitieren durch das Gesetz zur Treibhausgasminderungsquote (THG-Quote) auch Halter von Elektrofahrzeugen von dem System. Sie können ihre eingesparten CO2-Emissionen geltend machen. Das gilt für private und gewerbliche Elektroautos, E-Transporter, E-Busse, E-Motorräder, E-Roller und E-Lkw unabhängig davon, ob sie gekauft, geleast oder finanziert sind. Für Hybride gibt es kein Geld.
Voraussetzung für die volle Prämie ist, dass der Halter das Elektrofahrzeug mindestens einen Tag im Jahr angemeldet hat. Sie ist unabhängig vom getankten Strom. Wird es verkauft, muss die Prämie nicht zurückbezahlt werden. Der nächste Besitzer kann die Prämie im gleichen Jahr nicht mehr beziehen.
Der Bezug der THG-Quote ist steuerpflichtig, wenn sie die Grenze von 256 Euro übersteigt. Um drunter zu bleiben, gibt es die Option, zu spenden. „mygreencashback“ etwa bietet die Möglichkeit, an „Die Tafel“ beziehungsweise die „RTL-Ukrainehilfe“ zu spenden.
Markus Aichele geht davon aus, dass es die THG-Quote einige Jahre geben wird. Mindestens bis 2030 müssen quotenpflichtige Mineralölunternehmen einen steigenden Anteil ihrer CO2-Emissionen verringern beziehungsweise finanziell ausgleichen. Er steigt von derzeit sechs auf mindestens 25 Prozent. ank