Zwischen Neckar und Alb
Eier galten als Orakel für die Liebe

Brauchtum Gabi Braun hat vor knapp dreißig Jahren in Sonnenbühl-Erpfingen ein Osterei-Museum gegründet. Mittlerweile ist die Zahl an Exponaten auf insgesamt rund 3000 Eier angewachsen. Von Marion Brucker

Gabi Braun ist stolz auf ihr selbst gestaltetes Nandu-Osterei. Fotos: Marion Brucker
Gabi Braun ist stolz auf ihr selbst gestaltetes Nandu-Osterei. Fotos: Marion Brucker

Gabi Braun ist eine waschechte Schwäbin, allerdings mit einer Passion zum Eier-Verzieren. In Sonnenbühl-Erpfingen ist es ihr und zwölf Mitstreiterinnen gelungen, vor knapp 30 Jahren ein Osterei-Museum aufzubauen. Mehr als 1000 Eier sind dort im ehemaligen Schulhaus aus dem 19. Jahrhundert ausgestellt, weitere rund 2000 Eier liegen im Archiv. Und Gabi Braun weiß viel über diese Exponate.

Gabi Braun steht vor der Vitrine mit Eiern und Ostervögeln aus Hessen, eine der traditionellen Osterei-Regionen Deutschlands. „In Hessen werden die Ostereier nicht ausgeblasen und bemalt, sondern eine Stunde hart gekocht“, erklärt Braun. Sie lacht: „Haben sie einen Riss, können sie schon mal duften“. Dafür gehen sie beim Bemalen nicht so schnell kaputt. Braun deutet auf blutrote Ostereier. Die Farbe für das Blut Christi, die Hoffnung auf das Leben und die Liebe. Für den Auserwählten verzierten die Mädchen die Eier besonders schön, schrieben Verse und Sprüche darauf und gaben beziehungsweise warfen sie als Liebesgabe. „Fängt der Angebetete das Ei auf, erhört er das Mädchen, lässt er es fallen, ist die Sache schon entschieden“, sagt sie.

Gabi Brauns Lieblingsei ist ein Exponat aus Holz mit drei Schubladen (rechts oben). Bestickte und bemalte Eier aus Rumänien (obe
Gabi Brauns Lieblingsei ist ein Exponat aus Holz mit drei Schubladen. Bestickte und bemalte Eier aus Rumänien oder aus Ungarn greifen meist Motive der traditionellen Bekleidung auf. In Hessen wurden die Eier hingegen mit Liebesbotschaften versehen. Die Motive der Ostereier aus der Lausitz sind gekratzt mit dem typischen Blaudruckmuster.

Doch nicht nur für die jungen Frauen aus Hessen ist das Ei Sinnbild. In den antiken Kulturen und Religionen galt es als Symbol für die Fruchtbarkeit und Wiedergeburt. Im Christentum wurde diese Deutung des Eies aufgenommen und mit der Segnung der Ostereier weiterentwickelt, doch bis zum Mittelalter waren sie immer rot eingefärbt. „Erst später bemalten die Menschen sie auch in anderen Farben“, erklärt Braun. Da in der Fastenzeit von Aschermittwoch bis zum Karfreitag weder Fleisch noch Eier gegessen werden durften, wurden die Eier in dieser Zeit abgekocht, um sie haltbar zu machen. Damit die „alten“ nicht mit den frischen verwechselt wurden, wurden sie eingefärbt. Ostersonntag war dann der erste Tag, an dem die Eier wieder gegessen werden durften. Die heiligen „Karwochen-Eier“ wurden erst geweiht und dann verschenkt oder zum Frühstück verzehrt.

Eine besondere Technik, Eier zu verzieren, ist die Krüll-Technik, die in den Klöstern entwickelt wurde. Es ist Brauns Lieblingstechnik. Im Mittelpunkt befindet sich das religiöse Herzstück - eine Wachsfigur, ein Andachtsbild oder eine Schnitzarbeit. Dieses wird mit aus Gold- oder Silberfäden selbstgedrehten und -gewickelten Details geschmückt. Braun klappt ein Nandu-Ei auf, das sie selbst gestaltet hat. In der einen Hälfte ist eine aus Wachs eingebettete Friedenstaube, in der anderen eine Madonna mit Kind. „Zehn bis 15 Stunden muss man für so ein Ei rechnen“, erklärt sie.

Auch die Perlentechnik, die vor allem in Rumänien beliebt ist, zählt zu ihren Favoriten. In der Bukowina im Norden Rumäniens, galten so verzierte Eier als Orakel für die Ehe. Ließ die Braut das Ei am Hochzeitstag fallen, war dies ein schlechtes Omen. „Eier können nicht nur mit Perlen, sondern auch mit Binsenmark, Fäden, Bändern, Bildern oder Stroh beklebt werden“, sagt Braun. In der Vitrine mit tschechischen Eiern liegen Exponate, die mit Strohplättchen beklebt sind, daneben Eier mit großflächigen rotfarbigen Blüten bemalt aus Ungarn. „Die Muster sind so, wie wir sie von den ungarischen Trachtenblusen her kennen“, erzählt Braun.

Ebenfalls an der Kleidung orientiert haben sich die Eiermalerinnen aus der Lausitz, einer weiteren Hochburg der Ostereitradition. „Ihre blau gefärbten Eier sind gekratzt mit dem typischen sorbischen Blaudruckmuster. An der Vitrine der russischen Eier macht Braun auf eine Besonderheit aufmerksam. Im Gegensatz zu den anderen Ländern bemalen sie Eier aus Holz, meist aus Lindenholz. Bevorzugtes Motiv sind dabei Ikonen. Solche Künstler-Eier haben natürlich ihren Preis. Im Sonnenbühler Museum kostet das teuerste rund 3000 Euro. Rund ein halbes Jahr sei der Gestalter damit beschäftigt gewesen, alle Heiligen auf ein Osterei zu malen. Doch es sei nicht ihr Lieblingsei. Braun ist eher fasziniert von einem anderen Künstler-Ei. Einem hühnereigroßen Holzei aus Deutschland mit drei Schubladen.

Wer sich selbst künstlerisch betätigen möchte, für den hat die Ostereikennerin noch einen Tipp. Einfach Gräser, Blätter oder Blüten vor dem Einfärben auf die Eier legen, in einen Seidenstrumpf geben und dann Färben. Entweder mit künstlichen Farben oder mit natürlichen Färbemitteln aus Roter Bete oder Zwiebelschalen. Die Gräser sind nach dem Färben als helle Ornamentik zu sehen.