Von wegen lärmende und ausgelassene Wirtshausstimmung. Eine Mostverkostung mit Prämierung ist eine ernst zu nehmende Sache: In der Beurener Kelter jedenfalls herrschte eine konzentrierte Atmosphäre, selbst die Stimmen der rund 30 Teilnehmer – darunter vier Frauen – waren beim Meinungsaustausch über Aromen und Säure, Farbe und Äpfel-Birnen-Verhältnis gedämpft. Most zu trinken ist das eine, das schwäbische Nationalgetränk zu verkosten eine andere Sache: 26 Mal wurden die edlen Weingläser von Helferinnen des Esslinger Landratsamtes gefüllt, jeder einzelne Most wurde zunächst von den Verkostern genau angeschaut, um Farbe und Klarheit zu begutachten. „Es kann sein, dass die Eiweiße noch nicht draußen sind“, erklärte Mostfachmann August Kottmann aus Gosbach, der als Moderator kenntnisreich durch den Abend führte.
Dann ging’s ans Riechen: „Jeder Apfel und jede Birne hat einen anderen Duft“, so Kottmann. Mehr noch: Ein Most könne blumig, nach Kellerstaffel oder modrigem Holz riechen. Um den Geschmack ging’s selbstverständlich auch noch, doch erst in einem dritten Schritt kam der Most dann in den Mund. Und das nur für kurze Zeit: Runtergeschluckt wird das Getränk nicht, sondern nach der Geschmacksprobe ausgespuckt. Wobei so manch einer eine ganz besonders edle Mostvariante dann doch die Kehle runterlaufen ließ, weil’s so gut schmeckte. „Wenn eine Diskrepanz zwischen Geruch und Geschmack vorhanden ist, dann gibt’s eine schlechte Bewertung“, führte Kottmann in den Ablauf ein.
Das Motto des Abends hieß „Die Besten der Besten“, alle eingereichten Moste waren bereits bei örtlichen Prämierungen bereits ausgezeichnet worden. Nach mehr als drei Stunden hatte Dieter Haußmann aus Erkenbrechtsweiler dann mit einem hundertprozentigen, im Kunststofffass gelagerten Birnenmost aus Gelbmöstler, Jungfrauenbirne, Palmsbirne und Nägelesbirne die Nase vorn. Auf Rang zwei folgte der Most von Uwe Kirsammer aus Weilheim, der aus 66 Prozent Apfel und 34 Prozent Birne besteht. Platz drei ging nach Weil im Schönbuch, Martin Brennenstuhl hatte einen hundertprozentigen sortenreinen Apfelmost aus Rheinischem Bohnapfel zur Prämierung eingereicht.
Es war nicht die erste Mostprämierung, die von der Obst- und Gartenbauberatung des Landratsamtes durchgeführt wurde. Dennoch handelte es sich um eine Prämierung in doppeltem Sinn: Erstmals war nicht eine Fachjury für die Bewertung der Moste zuständig, sondern die Produzenten selbst, und zudem war deren Kreis erheblich über den Kreis Esslingen hinaus erweitert worden – die Teilnehmer kamen auch aus dem Göppinger Raum sowie einige wenige aus Tübingen und Böblingen. Die ersten drei erhielten einen Mostkrug, die zwölf Erstplatzierten einen Apfelbaum der Sorte Börtlinger Weinapfel — persönlich veredelt und vorbereitet von August Kottmann.
Der ist seit Jahren engagiert dabei, dem Most sein Gschmäckle zu nehmen und dessen Image zu verbessern: Der Schwabentrunk gilt als angestaubt und antiquiert, dabei kann er durchaus edel und charaktervoll sein. Doch dazu bedarf es laut Kottmann tatsächlich an Wissen, einfach so mal einen Most machen – diese Zeiten sind vorbei: „Wir müssen über die Früchte Bescheid wissen, ohne Sachkenntnis können wir an das Produkt nicht richtig rangehen“, macht Kottmann deutlich. „Wir müssen unsere Äpfel und Birnen wieder wertschätzen.“
Die Teilnehmer an der Prämierung jedenfalls haben sich auf den Weg gemacht, dem Most zu mehr Ansehen zu verhelfen. Darunter zur Freude von Kottmann auch jüngere Männer und Frauen ab etwa 40 Jahren. Von ebenso großer Bedeutung ist laut Kottmann der Meinungsaustausch. Nur so könne man sein Produkt einschätzen und verbessern.