Denkmalreise
Ein Blick in die keltische Vergangenheit

Die Landesministerin Nicole Razavi machte Halt in der ehemaligen Kelten-Metropole. Lob gab es für das Konzept des Zentrums und die Zusammenarbeit über Verwaltungsgrenzen hinweg.

Da geht’s lang: Ministerin Nicole Razavi mit den Landtagskollegen Natalie Pfau-Weller und Andreas Kenner im Nachbau eines keltischen Streitwagens. Foto: Andreas Warausch

Wie haben die das so glatt hingekriegt?“, fragt Nicole Razavi. Die baden-württembergische Ministerin für Landesentwicklung und Wohnen kauert auf einem Grabungsfeld links des Astrolehrpfads bei Erkenbrechtsweiler und guckt auf den Steinboden einer kleinen Grube. Vor mehr als 2000 Jahren haben die Kelten für dieses Loch gesorgt, um stattliche Pfosten für ihre Häuser mit Steinen darin zu verkeilen. Denn hier oben auf der Albhochfläche

 

„Es ist ein gutes Zeichen der interkulturellen Zusammenarbeit.

Nicole Razavi  

stand einstmals die größte befes­tigte Siedlung der Kelten auf dem europäischen Festland. Und seit Juni lädt das Heidengrabenzentrum dazu ein, Gelände und Geschichte der Kelten zu erkunden. In dieser Woche folgte die CDU-Politikerin dieser virtuellen Einladung im Rahmen ihrer alljährlichen Denkmalreise und besuchte neben dem Zentrum eben auch die Grabung der diesjährigen Kampagne des Landesamts für Denkmalpflege und der Uni Tübingen.

Fasziniert zeigte sich die Minis­terin nicht nur von der Größe der Grabungsfläche. Spannend waren für sie auch die Funde von dort, die ihr Archäologe Jörg Bofinger zeigte. Der Name des Landeskonservators und Referatsleiters beim Landesamt für Denkmalpflege ist untrennbar mit der Erforschung des Heidengrabens verbunden. Ein kleiner Glasfund oder auch zu Gefäßen zuzuordnende Bronze­fragmente verweisen genau auf die sogenannte Latènezeit, in der das Oppidum, wie der römische Welteroberer Julius Cäsar die befestigten keltischen Städte nannte, besiedelt war. Nur 40 bis 50 Jahre war die Siedlung von bis zu 10.000 Menschen bewohnt, zwischen 130 bis 80 vor Christi Geburt. Dann scheinen die Kelten weitergezogen zu sein. Eventuell mit den germanischen Kimbern und Teutonen gen Süden.

Und dann? Bofinger kann der Ministerin auch eine Tonscherbe zeigen, die den Experten römisch anmutet. Vielleicht folgten die Invasoren vom Stiefel doch den keltischen Albbewohnern. Das wäre eine wichtige Erkenntnis. Schließlich sind die Pfostengruben der Nachweis dafür, dass das 1800 Hektar große Areal rund um den Heidengraben auch außerhalb der sogenannten Elsachstadt, die ungefähr ein Zehntel des Areals umfasste, besiedelt war.

Freilich war die Ministerin aber vornehmlich auf die Alb gekommen, um das neue Heidengrabenzentrum selbst zu inspizieren. Das tat sie denn auch ausführlich, bevor sie sich unter die Archäologen begab. Die Liste der sie Begleitenden war umfangreich und prominent besetzt – ein Zeichen für die Gemeinde- und Landkreisgrenzen überschreitende Zusammenarbeit, die nötig war, um den Kelten ein touristisch sehr attraktives Denkmal zu setzen.

"Zukunft braucht Herkunft“

So bezeichnete Nicole Razavi den Heidengraben als „einzigartiges Zeugnis unserer Vergangenheit“. Solche Wahrzeichen seien Orte der Identifikation, sagte die in Salach im Kreis Göppingen lebende Ministerin. „Zukunft braucht Herkunft“, unterstrich Razavi zudem. Jeder müsse wissen, wo er herkomme. Und die gegenwärtigen Generationen könne der Blick tief in die eigene Geschichte dazu animieren, selbst gute Vorfahren sein zu wollen.

Das Zentrum selbst lobte die Ministerin sehr. Das moderne didaktische Konzept gefiel ihr spürbar. So ließ sie es sich auch nicht nehmen, mit ihren Landtagskollegen Natalie Pfau-Weller (CDU) und Andreas Kenner (SPD) den Nachbau eines keltischen Streitwagens zu besteigen.

Vorbildliche Zusammenarbeit

Für das Projekt arbeiten die drei Gemeinden Erkenbrechtsweiler, Grabenstetten und Hülben genauso zusammen wie die Landkreise Esslingen und Reutlingen sowie die Regierungsbezirke Stuttgart und Tübingen. So waren denn auch neben der Stuttgarter Regierungspräsidentin Susanne Bay und den Bürgermeistern Siegmund Ganser aus Hülben und Roland Deh aus Grabenstetten – Erkenbrechtsweilers Rathaus-Chef Roman Weiß weilte im Urlaub – der Esslinger Landrat Heinz Eininger gekommen. Der scheidende Kreis-Chef nützte die Gelegenheit, um die Ministerin um weiterführende Unterstützung zu bitten. Eininger dachte zum Beispiel an eine bauliche Umgestaltung der gefährlichen Kreuzung beim Heidengrabenzentrum.

Überregionale Verkehrswege liefen einst in der Keltenzeit auch im Oppidum bei Erkenbrechtsweiler zusammen. Die Ministerin ließ sich unter anderem auch von Archäologe Claus Wolf über diese spannende Zeit informieren. „Vieles liegt noch im Dunklen“, und Jörg Bofinger betonte: „Wir können jetzt schon sagen, dass die Grabungskampagne 2024 ein voller Erfolg wird.“