Den Traum vom Fliegen möchte der Entwicklungsingenieur Thomas Janke seinem einjährigen Sohn erhalten. „Er soll reisen und die Welt entdecken, wenn er mal erwachsen ist.“ Allerdings ist Fliegen bislang das klimaschädlichste Verkehrsmittel. Gerade bei der jungen Generation gerät diese Form des Reisens zunehmend in die Kritik. Zugleich lebt auch die Weltwirtschaft von Mobilität. „Die Vision, emissionsfrei mit dem Flugzeug zu reisen, ist mein Ziel.“ Als Flugbetriebsleiter der Firma H2Fly ist Janke an der Entwicklung hybrider Wasserstoff-Flugzeuge beteiligt. Dass die alternativen Antriebe in absehbarer Zeit im regionalen Flugverkehr eingesetzt werden, steht für ihn außer Frage.
In den Geschäftsräumen von H2Fly in der Augsburger Straße in Untertürkheim entwickelt Janke mit seinem Team neue technische Lösungen. In den oberen Stockwerken sind moderne Büros. In den Hallen im unteren Bereich wird an den Triebwerken gearbeitet. Die Schnittstelle von Forschung und Praxis reizt Janke, der sich vor dem Studium bei der Bundeswehr in Rheine zum Fluggerätmechaniker ausbilden ließ. Dass ihm das Tüfteln liegt, spürt man. Seine Begeisterung fürs klimafreundliche Fliegen vermittelt der Ingenieur einem Fachpublikum ebenso wie Laien voller Leidenschaft.
Mehr als zehn Jahre lang hat Janke am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Stuttgart als Entwicklungsingenieur Wasserstoff-Brennstoffzellen-Antriebe für die Luftfahrt entwickelt. Dabei lernte er die Forschung von Josef Kallo kennen, der durch seine Arbeit als Professor an der Universität Ulm und am Flughafen Stuttgart die wasserstoffgetriebene Fliegerei Wirklichkeit werden ließ. Vom Pioniergeist des Wissenschaftlers ließ sich der junge Ingenieur mitreißen. Seit Mai 2021 leitet er nun den Flugbetrieb bei dem Start-up-Unternehmen H2Fly, das er mit Kallo und anderen aufgebaut hat. Die Betreiberfirma des Wasserstoff-Flugzeugs „Hy4“ wird vom deutschen Verkehrsministerium, dem Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und vom Land Baden-Württemberg unterstützt, um nachhaltiges Fliegen zu ermöglichen. Dieser finanzielle Spielraum gibt den Forschern die Möglichkeit, ihr Projekt voranzutreiben.
„Kohlendioxid gar nicht erst entstehen zu lassen, indem wir mit Wasserstoff-Brennstoffzellen fliegen, das ist mein großer Traum“, sagt der 40-Jährige. Dass dieser in absehbarer Zeit mit hybriden Wasserstoff-Flugzeugen auf breiterer Basis Wirklichkeit werden könnte, steht für den Ingenieur außer Frage. Er geht davon aus, dass in zehn Jahren Flüge mit bis zu 100 Passagieren möglich sein könnten. Dazu bedarf es zunächst der Entwicklung neuer technischer Lösungen, an denen das Team von H2Fly forscht und arbeitet. Allerdings sei Wasserstoff hochreaktiv: „Die Sicherheitsstandards sind sehr hoch.“ Deshalb galt es, nach technischen Alternativen zu suchen.
Machbarkeit wurde belegt
Dem Start-up-Unternehmen gelang bereits 2016 der Erstflug mit dem wasserstoffelektrischen Testflugzeug „Hy4“ – damals noch mit gasförmigem Wasserstoff. Seitdem wurde das Flugzeug kontinuierlich weiterentwickelt. Im Rahmen des europäischen Heaven-Projekts arbeitete H2Fly auf einen Erstflug mit flüssigem Wasserstoff hin. Das Flugzeug wurde mit einem sogenannten Kryotank ausgerüstet – das ist ein tiefkalter, extrem gut isolierter Tank.
Im September 2023 gelang den Piloten von H2Fly der weltweit erste bemannte Flug mit flüssigem Wasserstoff. Da haben die Flugzeugführer des Stuttgarter Unternehmens eine Serie von Flügen in Maribor in Slowenien absolviert. „Nachdem wir jetzt die Machbarkeit belegt haben, geht es an die Entwicklung eines 40-Sitzers“, sagt Janke. Dank des flüssigen Wasserstoffs ist er überzeugt, „dass wir eine gute Reichweite erreichen“. Mit Akkus wäre das voraussichtlich nicht möglich. Wann könnte ein solches Flugzeug in den Betrieb gehen? Janke hält erste Testflüge im Jahr 2026 für realistisch. Später wäre nach seiner Überzeugung ein solches Flugzeug als Alternative im Regionalverkehr einsetzbar. Das Vorurteil, dass Wasserstoff-Flugzeuge nur als Zwei- oder Viersitzer realistisch sind, lässt er nicht gelten: „Das ist eine machbare Perspektive für Passagierflugzeuge.“ Mit der Deutschen Aircraft ist H2Fly 2020 eine Partnerschaft eingegangen. Dabei geht es um die Entwicklung einer Dornier 328, die ohne Kohlendioxid-Ausstoß und mit flüssigem Wasserstoff und Brennstoffzellen betrieben werden kann.
Für den Ingenieur, der mit seiner Familie in Esslingen lebt, hat die internationale Vernetzung mit Wissenschaft und Wirtschaft ihren Reiz. Dass die Stuttgarter international die Nase vorn haben, ist weltweit anerkannt. In Monaco wurde das Unternehmen mit einem Innovationspreis ausgezeichnet. Seit November 2023 kooperieren die deutschen Forscher und Entwickler mit der Fluggesellschaft Japan Airlines, um wasserstoffgetriebene Flugzeuge in dem Land zu testen.
Klimafreundlich fliegen
Weltpremiere Am 29. September 2016 startete das viersitzige Passagierflugzeug HY4 zum offiziellen Erstflug vom Flughafen Stuttgart. „Die HY4 ist weltweit das erste viersitzige Passagierflugzeug, das allein mit einem Wasserstoff-Brennstoffzellen-Batterie-System angetrieben wird“, schreibt das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) auf seiner Homepage. Die Wissenschaftler dieses Zentrums entwickelten den Antriebsstrang des Flugzeugs und arbeiteten in dem Projekt mit vielen Partnern aus Industrie und Forschung zusammen. Die Maschine ist am Flughafen Stuttgart stationiert, der die Entwicklung maßgeblich gefördert hat.
H2Fly Das Start-up H2Fly ist eine Ausgründung des DLR. Die Entwicklungsingenieure, die dort arbeiten, betreuten den Zulassungsprozess und betreiben den HY4. Das in Untertürkheim ansässige Unternehmen arbeitet eng mit den Wissenschaftlern zusammen. Weitere Informationen gibt es auf der Homepage unter www.h2fly.de. eli