Wolfgang Friedrich Rudolph. Geboren im Erzgebirge, später über Jahrzehnte Gärtner, Pfarrer und Prediger in Dettingen. Ein Mann, der mit seinem Lebenswerk zum Ort und zum ganzen Landkreis gehört wie die Obstwiesen und die Höhen der Alb. Doch unter seinem richtigen Namen ist Prior Rudolph, der oberste Ordensmann der evangelischen Bruderschaft Kecharismai (EBK), nicht einmal in seiner Wahlheimat, dem Ermstal, bekannt. Spricht man indes von den EBK-Blumenmönchen und dem ehemaligen Pflegeheim „Haus Geborgenheit“, wissen die meisten Dettinger, von wem die Rede ist. Hochbetagt ist der Gründer der Siedlungsgemeinde in der Buchhalde jetzt gestorben.
Besonders und anders ist vieles, was dieser Prior Rudolph in Dettingen aufgebaut hat. Da wäre zunächst sein Orden – inklusive der beeindruckenden 70er-Jahre Bauten hoch über dem Ort. Vielen Dettingern ist er als der Macher des EBK-Blumenladens in der Metzinger Straße bekannt.
Wer war dieser Mann, der seine beiden großen Leidenschaften zum Beruf machte: die Liebe zu Blumen und Pflanzen und das Predigen? 1932 wurde Prior Rudolph in Aue-Celle in der späteren DDR geboren. Mitten hinein in bescheidene Verhältnisse, kurz vor der „Machtergreifung“ der Nazi-Schergen. Der Vater war arbeitslos, kämpfte später an den Fronten der Diktatur, kam schwer verwundet aus dem Krieg. Ihm hatte der junge Wolfgang damals die Liebe zur Natur zu verdanken, denn beide zog es hinaus in die Wälder des Erzgebirges. Vor allem in den Zeiten der Hungersnot nach dem Zweiten Weltkrieg.
Weil viele Lehrer gefallen waren, bezeichnete der Prior seine Schulzeit als „bescheiden“. Der Junge trat in den Kirchenchor ein, lernte Instrumente, interessierte sich für christliche Werte. Früh formen sich seine Berufswünsche, deshalb lässt sich Wolfgang Rudolph 1947 in seiner Heimat zum Gärtner ausbilden.
Bis 1956 arbeitet er in diesem Handwerk, dann zieht es ihn in den Verkündigungsdienst – und nach Baden-Württemberg. Bei der Banauer Brüderschaft in Unterweissach macht Rudolph eine seminaristisch-theologische Ausbildung. Über eine Station in Hanau am Main kommt er 1966 nach Dettingen. In der evangelischen Kirchengemeinde ist er vor allem in der Jugend- und Predigtarbeit tätig, fast zeitgleich treibt er den Aufbau der Siedlungsgemeinde in der Buchhalde voran. Aus seinem Engagement in den kirchlichen Jugendgruppen entsteht schließlich die evangelische Bruderschaft Kecharismai, aus dem damaligen Pfarrer Wolfgang Friedrich Rudolph wird Prior Rudolph.
Aus diesen Anfängen der EBK ist im Lauf der Jahrzehnte ein großes und vielfältiges Projekt gewachsen. Dazu gehören in der Buchhalde auch das Ordenshaus der Bruderschaft, das Sakralzentrum mit Kirche, Schauspielhaus mit Gästezimmern sowie das „Haus Geborgenheit“. Bis vor zwei Jahren diente es als Alten- und Pflegezentrum. Heute beherbergt das Haus Flüchtlinge. Geschichte ist mittlerweile auch das Blumenhaus in der Metzinger Straße, das unter anderem der Pandemie zum Opfer gefallen ist. Ein Softwareentwickler will dort Büroräume einrichten.
Aber zurück zu Gärtnerei. Die bleibt wichtigstes Standbein für die Bruderschaft. Dazu gehört seit vielen Jahren auch ein Vermarktungszentrum in Reicheneck. Zudem sind die Mönche auf vielen Wochenmärkten in der Region präsent. Bis ins hohe Alter füllte Prior Rudolph geistliche und organisatorische Aufgaben in der Gemeinschaft aus – „trotz habhafter gesundheitlicher Probleme“, erklärt Bruder Theophilos. Gefordert war der oberste Ordensmann vor allem, als im Jahr 2003 ein Großfeuer im Gebäudekomplex in der Buchhalde wütete. Die Bruderschaft trauert nun um einen „Visionär und Kämpfer für die Sache, um einen scharf denkenden Theologen und Lehrer“, schreibt die EBK in ihrem Nachruf.