Wie lebt eine deutsche Heavy-Metal-Legende? „In einem Reihenhaus in Baltmannsweiler“ ist nicht die Antwort, die man erwarten würde. Ralf Scheepers öffnet lächelnd die Tür. Im Wohnzimmer ein Wand- Tattoo mit dem Schriftzug „Love“ – das habe seine Lebensgefährtin mitgebracht. Unter einem gigantischen Fernseher liegt ein Schalke-Schal. Auf den ersten Blick deutet nur wenig darauf hin, wie viel Spannendes Scheepers in über 40 Jahren als Metal-Sänger erlebt hat. Nur mehrere noch verschlossene Kartons im Flur voller Merchandiseartikel künden von der anstehenden Tournee der Band Primal Fear, bei der er am Mikrofon steht.
Angefangen hat alles in den 80ern. Mit seiner ersten Band Tyran’ Pace nahm der heute 58-Jährige seine ersten Alben in einem Studio in Kirchheim auf. Dann wurde er Sänger der Power-Metal-Band Gamma Ray, mit der er weltweit bekannt wurde. Fast wäre er Nachfolger von Rob Halford bei Judas Priest geworden. Das fand sogar Erwähnung in der Biografie des ehemaligen Priest-Gitarristen K. K. Downing. Ende der 1990er-Jahre gründete er mit Matthias Lasch, genannt Mat Sinner, und Tom Naumann die Band Primal Fear, die sich mit inzwischen 14 Studioalben, die allesamt in den deutschen Charts waren, einen festen Platz in der Metalszene gesichert hat.
Das Leben als Star in Heavy-Metal-Kreisen, besonders auf Tourneen, sei deutlich bodenständiger, anstrengender und weniger glamourös, als es auf den ersten Blick den Anschein macht. „Es war toll, die Welt gesehen zu haben, aber meistens sieht man nur die Flughäfen und Hotels, und weiter geht’s“, sagt Scheepers. „Es sieht auf Bildern oft so aus, als ob man mords was erlebt hat, aber meistens ist man nur irgendwo hingefahren, hat ein Foto gemacht und ist wieder ins Auto eingestiegen zum Soundcheck für das nächste Konzert.“
Er habe natürlich auch mal über die Stränge geschlagen, aber den Rock-’n’-Roll-Livestyle mit Drogenexzessen habe er gemieden. „Dafür liebe ich das Leben zu sehr.“ Klar habe es zwischendurch auch freie Tage gegeben, in denen er etwas Sightseeing durch japanische Tempel oder über den Broadway habe machen können, aber meist sei der Termindruck hoch. „Eine Tour ist schön, aber eben nur die anderthalb Stunden auf der Bühne“, sagt er.
Als Sänger komme man nach einigen Tagen an seine physische Belastungsgrenze, gerade wenn man wie Scheepers einen derart fordernden Gesangsstil pflegt. Psychisch sei die Abwesenheit von Familie immer belastend, aber vor Publikum aufzutreten, mache einfach süchtig. Dabei hätten sowohl die riesigen Festivals als auch die kleineren Clubkonzerte ihren Reiz. „Es ist einfach der Wahnsinn, wenn man bei Wacken vor einem Menschenmeer steht, das bis zum Horizont reicht, und schon ein einfaches ‚Hey!‘ wird von der Masse beantwortet. In Clubs ist man deutlich näher am Publikum und hat quasi direkten Kontakt.“
Die nächste Tour ist bereits gestartet: Am 1. September veröffentlichte Primal Fear ihr neues Album und startete eine Tour. „Los ging’s in Stuttgart“, sagt Scheepers. Bis 2008 machte er all das noch, während er Vollzeit arbeitete. „Mit nur einer Band kommt man heute nicht mehr über die Runden“, so der Sänger. „Ich will nicht sagen, dass dadurch nix reinkam, aber den Großteil hat mein Beruf bezahlt. Ich bin auf Sicherheit erzogen worden und hab eine Lehre gemacht“, sagt der gebürtige Berkheimer. Für Tourneen habe er seine Urlaubstage genutzt und Sonderurlaube beantragt – auf Kosten der Zeit mit seiner Familie.
Irgendwann sei ihm das zu viel geworden. „Mit 20 bis 30 Jahren war das noch okay“, sagt er. Die Entscheidung für ein Leben als Berufsmusiker sei ein finanzielles Risiko gewesen. Heute sei er froh, dass er es gemacht habe. Nebenher arbeite er inzwischen mittwochs als Gesangslehrer bei der „Popmusic School Fellbach“ als freier Mitarbeiter. Das mache ihm Spaß. „Ich freue mich schon auf viele meiner Schüler, wenn die Sommerferien vorbei sind.“ Zudem ist er bei weiteren Bands aktiv – beispielsweise Avantasia, ein All-Star-Projekt des deutschen Metal-Sängers Tobias Sammet (Edguy).
Abseits der Musik führt Scheepers ein ruhiges Leben. Sein wichtigster Ausgleich sei das Training im örtlichen Fitnessstudio. „Wenn ich mal eine Woche nicht trainiere, werde ich unzufrieden. Das ist meine Balance“, sagt er. „Es werden Glückshormone ausgeschüttet und selbst abends, beim Filmeschauen, bin ich zufriedener.“ Bei regelmäßigen Familien-Kinoabenden dürfe es gerne harte Kost sein – meist Action-Filme. Gelegentlich finde er es schön, sich die Dramenserie „Frühling“ im ZDF anzuschauen. „Und natürlich Fußball“, sagt er. Die Spiele seines Sohnes beim TSV Baltmannsweiler verpasse er wenn möglich nicht.