Niemand solle über schlechtes Wetter jammern, sagte Pfarrerin Inga Kaltschnee. Sie sei öfters an der Baustelle für das betreute Wohnen vorbeigekommen und habe die Handwerker bei noch schlechterem Wetter arbeiten sehen. Das Haus stehe genau am richtigen Platz in der Dorfmitte.
Das betreute Wohnen sei zum Leuchtturmprojekt in der Region geworden, sagte Bürgermeister Jürgen Ebler: „Andere Kommunen beneiden uns um diese Partnerschaft.“ Denn die 13 Wohneinheiten schafft die Gemeinde Neidlingen gemeinsam mit privaten Investoren vor Ort. Ebler betonte die Nachhaltigkeit des Neubaus nach dem Standard KfW 40 Plus: Geothermie, Solaranlage und eine sehr hohe Dämmung. Das werden die künftigen Mieter – um dauerhaft ihrem Zweck zu dienen, werden die Wohnungen von 50 bis 99 Quadratmetern alle vermietet, nicht verkauft – an ihren geringeren Nebenkosten spüren.
Nicht geringer wurden allerdings zum Leidwesen der Beteiligten die Baukosten, das Projekt kämpft mit den allgemeinen Preissteigerungen. Ebler dankte der FDP-Bundestagsabgeordneten Renata Alt: Als dem Projekt der Verlust einer halben Million Euro Fördergelder drohte, habe sie sich dafür eingesetzt, dass es die Förderung doch noch gab.
Beim Richtfest war aus Sicherheitsgründen nur das Erdgeschoss begehbar. Dennoch vermittelte der Rohbau einen guten Eindruck. „Man kann sich vorstellen, wie es mal sein wird“, sagte die CDU-Landtagsabgeordnete Natalie Pfau-Weller. „Das ist ein sehr schönes Projekt, es ginge gar nicht zentraler. Es ist gut, dass Neidlingen das Thema Demografie angeht.“
Der SPD-Landtagsabgeordnete Andreas Kenner kommt selbst aus der Altenpflege. Kein Ort käme auf die Idee, auf einen Kindergarten zu verzichten, sagte er. „Aber im Alter muss man woanders hin. Dann kommt auch kein Besuch mehr, weil die anderen genauso alt sind.“ Im Alter also nach Weilheim ziehen? „Weilheim und Neidlingen sind eben nicht das gleiche.“ Wenn es gut laufe, gebe es 2030 nur 20 Prozent weniger Pflegekräfte als heute, bei doppelt so vielen Alten. Wenn es schlecht laufe, 40 Prozent weniger. „Wir brauchen neue Modelle.“
Für das betreute Wohnen Neidlingen, die GmbH wurde von der Gemeinde Neidlingen gemeinsam mit den privaten Investoren gegründet, sprach Sonja Schweikert. Sie erinnerte daran, wem Neidlingen dieses Projekt verdankt: Es war die Idee des früheren Bürgermeisters Klaus Däschler, der vor Kurzem bei einem tragischen Verkehrsunfall ums Leben kam. Ab seinem Amtsantritt verfolgte er die Idee mit Nachdruck. „Er ließ nicht davon ab. Er wollte der älteren Generation etwas zurückgeben, ein neues Zuhause in ihrem Neidlingen, wenn es in den eigenen vier Wänden zu schwierig wird.“ Der Gemeinderat schloss sich der Vision an, die örtliche Familie Maier-Stoll ebenfalls, doch es fehlte ein Grundstück. Dann gelang ab 2016 der Kauf des jetzigen Standorts. Partner wie die Diakonie, das Soziale Netz Weilheim, das Deutsche Rote Kreuz und die evangelische Kirchengemeinde kamen ins Boot. Die räumlich engen Verhältnisse erschwerten die Bauabwicklung, so gab es nur wenig Fläche zum Lagern von Baumaterial.
Neue Geschäftsführung
Für das Architekturbüro Stolz sprach Ann-Kathrin Stolz und erinnerte an das „KfW-Förderdrama“. Eine noch härtere Probe sei aber der Tod von Klaus Däschler gewesen. „Ein herber Verlust. Es wurde ein neues Gerüst aufgebaut um dieses Projekt.“ Zum 1. Januar übernehmen Thomas Maier und Norbert Vögele die Geschäftsführung. „Wir freuen uns auf einen Ort, der soziales Miteinander ermöglicht“, sagte Maier. Das Ziel sei ein bunter Mix an Bewohnern, so Stolz – von noch komplett mobilen Menschen bis hin zu solchen, die auf die Barrierefreiheit angewiesen sind. Der Einzug sei für Herbst oder Winter 2024 geplant.
Weil das Richtfest drinnen stattfand, wurde improvisiert. Zimmermann Mario Bleher warf sein Glas – nach einigen kräftigen Schlucken, für die er sich sogar nachschenken ließ – durch ein geöffnetes Fenster nach draußen. Die Flugbahn der Wibele war ebenfalls kürzer als geplant, aber sie erfreuten Jung und Alt – und landeten mit Sicherheit unbeschädigt.