Naturschutz
Ein Job mit Flügeln: Greifvogelnachmittag in Schopfloch

Beim Greifvogelnachmittag im Naturschutzzentrum Schopfloch gibt das Greifvogelzentrum Falconis Filstal aus Albershausen Einblicke in seine ehrenamtliche Arbeit. 

Falknerin Sandra Hildebrandt und ihr europäischer Uhu Fussel. Aufgrund einer Knieverletzung ist er nicht in der Lage zu Jagen und sich selbst zu ernähren. Foto: Jule Störk

CottonEye Joe schafft 25 Meter im Flug – weiter kommt er nicht. Der Turmfalke ist auf einem Auge blind, räumliches Sehen fehlt ihm daher. Für die freie Wildbahn reicht das nicht. Und trotzdem hat er einen Job: Als Naturpädagoge ist er unterwegs in Schulen, Kindergärten und Altersheimen.

Cotti, wie er liebevoll von Falknerin Sandra Hildebrandt genannt wird, gehört zum Team des Greifvogelzentrums Falconis Filstal, einem ehrenamtlich arbeitenden Verein mit Sitz in Albershausen. Das Zentrum kümmert sich um verletzte, verwaiste oder dauerhaft geschwächte Wildvögel – und vermittelt bei Schulbesuchen, Vorträgen oder Veranstaltungen in Kindergärten und Pflegeheimen Wissen über Falken, Eulen und Greifvögel.

Falconis stellt Tiere vor, die als Botschafter für ihre Art unterwegs sind. Foto: Jule Störk

Beim Greifvogelnachmittag in Schopfloch, einer gemeinsamen Veranstaltung mit dem Naturschutzzentrum, konnten Besucherinnen und Besucher die „gefiederten Kollegen“, wie Hildebrandt sie nennt, ganz aus der Nähe erleben – mit tiergerechtem Abstand, leisem Applaus und vielen Fragen.

Auf UV-Spur zur Maus

An drei Stationen entdecken Kinder, und erstaunlich viele Erwachsene, die Welt der Greifvögel. Wer möchte, kann Jungtiere ihren Bildern zuordnen, Gewölle untersuchen – inklusive Mäuseknochen – oder lernen, wie sich Bussard, Sperber und Rotmilan unterscheiden. Auch das Thema Fluggeräusche kommt zur Sprache: Warum der Uhu nahezu lautlos fliegt, liegt an der speziellen Struktur seiner Federn. Ihre besonderen Schwungfedern verwirbeln den Luftstrom so sanft, dass beim Fliegen kaum ein Geräusch entsteht. Das dürfen die Kinder auch selbst an mitgebrachten Federn erfühlen. Wer aufmerksam zuhört, lernt, dass Greifvögel nicht nur imposant aussehen – sondern auch über Fähigkeiten verfügen, die fast überirdisch wirken, zumindest für die Kinder. Dass Falken im UV-Bereich sehen können, sorgt für erstaunte Gesichter. „Mäuse verlieren immer ein bisschen Pipi“, erklärt Hildebrandt. „Und für den Falken leuchtet das wie ein Pfeil zur nächsten Mahlzeit.“

Neugier kennt kein Alter

Viele der Informationen richten sich nicht nur an Kinder – im Gegenteil: Vor allem die Erwachsenen stellen unzählige Fragen, wollen mehr über Schutzstatus, Lebensweise und Aufzucht wissen. Wie kann im eigenen Garten geholfen werden? Welche Nester sind geeignet, und was hilft wirklich? Was, wenn ein verletzter Vogel gefunden wird? Sandra Hildebrandt nimmt sich Zeit und erklärt, worauf es beim Einfangen ankommt – und hat zur Veranschaulichung sogar einen Plüsch-Adler an einem Seil gebunden, der sich windet, flattert und schließlich doch sicher verwahrt im Handtuch landet.

Turmfalke CottonEye Joe ist als Küken aus dem Nest gefallen und seit dem auf einem Auge blind. Foto: Jule Störk

Besonders eindrücklich sind die Geschichten der anwesenden Tiere selbst – und ihre Wege zurück ins Leben. „Vögel können nur einen Job haben“, sagt Hildebrandt. „Wenn’s draußen nicht mehr als Jäger geht, dann kriegen sie bei uns eben einen neuen – als Naturpädagogen.“

Vom Pflegefall zum Pädagogen

So wie CottonEye Joe, der bereits als Küken erblindet ist. „Fliegen ist wichtig für die Gesundheit – also haben wir’s ihm beigebracht“, erzählt sie. Immerhin, 25 Meter schafft er nach intensivem Flugtraining. Fürs Jagen reicht das nicht – fürs Unterrichten schon. Auch Fussel, ein europäischer Uhu, lebt inzwischen fest bei Falkonis. Als Küken hatte er sich den Fuß gebrochen, das Knie blieb dauerhaft beschädigt. „Er bekommt Krankengymnastik, ist schmerzfrei – aber Jagen wird er nie können.“ Otto, ein Rotmilan aus illegaler Aufzucht, hat durch falsches Futter und Haltung Organschäden und Gefiederschäden davongetragen. „Der hat bei uns das All-Inclusive-Paket gebucht“, sagt Hildebrandt und lacht. Otto braucht Dauermedikation – und bleibt in ständiger Obhut. Auch wenn die Vögel nicht mehr ausgewildert werden können, helfen sie dabei, ihre Art zu schützen, indem sie Menschen für die Natur begeistern.

Rotmilan Otto stammt aus illegaler Aufzucht. In freier Wildbahn könnte er nicht überleben. Foto: Jule Störk

Alle präsentierten Arten – vom Waldkauz bis zum Rotmilan – stehen unter strengstem Schutz. Adler gibt es auf der Alb übrigens nicht, wie Hildebrandt den Kindern erklärt. Die heimischen Greifvögel jedoch übernehmen wichtige Aufgaben im Ökosystem, weil sie etwa Mäuse jagen und kranke Tiere aus dem Bestand nehmen.

Greifvogelzentrum Falconis Filstal 

Das Greifvogelzentrum wurde 2021 von Sandra und Alexander Hildebrandt gegründet. Der gemeinnützige Verein mit Sitz in Albershausen betreibt eine eigene Auffangstation. Die Arbeit erfolgt komplett ehrenamtlich und wird von Spenden getragen. Auch Einsätze wie in Schopfloch finden auf Spendenbasis statt. Die Falknerinnen und Falkner übernehmen nicht nur die Pflege, medizinische Versorgung und das Training der Greifvögel, sondern auch die pädagogische Arbeit mit Schulen, Kitas und Pflegeeinrichtungen. Tieren, die nicht mehr ausgewildert werden können, bieten sie eine langfristige Betreuung und die Einbindung in pädagogische Programme. Auch Fundtieren bietet das Zentrum Unterstützung – wer einen verletzten oder verwaisten Vogel findet kann sich per Telefon oder Mail an den Verein wenden.

Heute helfen sie beim Unterrichten statt beim Jagen: Rotmilan Otto und Turmfalke CottonEye Joe. Foto: Jule Störk
Rotmilan Otto, Turmfalke Cotti und Uhu Fussel gehören zu den Dauergästen bei Falconis - und helfen dabei, Artenschutz greifbar zu machen. Foto: Jule Störk
Nicht nur die Kinder hören genau zu - auch die Erwachsenen stellen viele Fragen an den drei Stationen. Foto: Jule Störk
Rotmilan Otto ist einer der gefiederten Dauergäste vom Greifvogelzentrum Falconis Filstal. Foto: Jule Störk
Vom Pflegefall zum Pädagoge: Der europäische Uhu Fussel. Foto: Jule Störk
Der europäische Uhu Fussel ist aufgrund einer Verletzung nicht mehr in der Lage, selbstständig zu Jagen. Foto: Jule Störk