Neugierige Fragen begleiten Natalie Haas aus Stuttgart schon ihr Leben lang. Die 22-Jährige ist die berühmte Eine in einer Million - beinahe jedenfalls. Sie hat zwei unterschiedliche Augenfarben: In ihrem Fall ist das linke Auge blau und das rechte ist braun. Das seltene Phänomen nennt sich Iris-Heterochromie. Etwa vier Menschen von einer Million leben aktuell damit. Rein statistisch gesehen gibt es im ganzen Regierungsbezirk Stuttgart bei rund vier Millionen Einwohnen gerade einmal 16 Menschen mit Heterochromie.
Natalie Haas ist eine davon. Geboren wurde sie mit den verschiedenen Augenfarben nicht - in ihren Genen waren sie allerdings wohl schon angelegt, so Ludger Wollring, der Pressesprecher des Berufsverbands der Augenärzte Deutschlands. „Die allermeisten hellhäutigen Babys werden mit hellblauen Augen geboren, die Pigmentierung zeigt sich dann erst nach einigen Lebensmonaten.“ Auch die Familie von Natalie Haas hat diese Erfahrung gemacht. „Als ich zwei oder drei Monate alt war, hat meine Tante bemerkt, dass mit meinen Augen irgendetwas anders ist“, erinnert sich Haas. Die junge Frau, die keinerlei Probleme mit ihren Augen hat, ist also eine echte Seltenheit. Dennoch werde sie relativ selten darauf angesprochen. „Häufiger ist es, dass die Leute versuchen, mir ganz unauffällig in die Augen zu gucken, um zu sehen, ob sie sich auch nicht geirrt haben“, sagt sie.
Etwas häufiger als die Zweifarbigkeit der Augen kommen Unterformen der Heterochromie vor. So gibt es bei der sogenannten sektoriellen Heterochromie eine Sektion im Auge, die eine andere Farbe hat. Auch das braune Auge von Natalie Haas hat eine kleine Stelle, die blau ist. „Das ist mir erst nicht so recht aufgefallen, aber ich habe mal Fotos machen lassen, da war deutlich ein blauer Streifen in meinem braunen Auge zu sehen“, so Haas.
Phänomen wird populärer
„Viele Leute kennen Heterochromie von Huskys, die öfter verschiedenfarbige Augen haben“, sagt Wollring. In den vergangenen Jahren habe das Phänomen allerdings an Popularität gewonnen, so Wollring. Es gebe darum inzwischen sogar Menschen, die versuchten, ihre Augen zu verfärben. „Es gibt ein Medikament gegen Grünen Star, das eine Verfärbung der Augen als Nebenwirkung haben kann“, sagt der Sprecher. „Das bei gesunden Menschen anzuwenden, ist allerdings nicht nur gefährlich, sondern auch selten von Erfolg gekrönt.“
Auch Haas’ Einstellung zu ihren Augen hat sich über die Jahre gewandelt. „Ich habe mir zwar nie gewünscht, dass ich normale Augen hätte, aber ich habe es schon als schwierig empfunden - gerade in der Pubertät“, sagt die 22-Jährige. „Jetzt würde ich meine unterschiedlichen Augen aber niemals missen wollen.“ Ein heikles Thema für die Heranwachsende war Augen-Make-up. „In den Zeitschriften gab es damals immer solche Artikel, welcher Lidschatten für welche Augenfarbe geeignet ist“, erinnert sie sich. „Da saß ich immer davor und dachte mir: Na toll!“ Eine Lidschatten-Farbe zu finden, die für beide Augenfarben passt, war für Haas nicht einfach. „In der Zeit war auch die Farbe Lila als Lidschatten gerade im Trend, das habe ich natürlich auch ausprobiert“, sagt Haas mit einem Lachen. „Ich bin mir sicher, ich sah in der Schule manchmal zum Fürchten aus.“
Das Make-up-Problem hat Haas inzwischen in den Griff bekommen. „Ich habe ein paar neutrale Farben gefunden, die für beide Augen passen“, sagt sie. Auch andere Dinge des täglichen Lebens sind ein bisschen zeitaufwendiger. „Schwierig war es, als ich meinen ersten Personalausweis bekommen sollte“, erinnert sich die 22-Jährige. „Da hieß es dann, ich solle mich für eine Farbe entscheiden. Meine Mutter hat das wütend gemacht.“ Das Bürgerbüro habe schließlich eingelenkt. „Jetzt steht auch in meinem Perso ,links blau, rechts braun‘“, sagt Haas.