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„Ein Leben ohne Zirkus ist wie ein Himmel ohne Sterne“

Unterhaltung Der Zirkus Enrico gastiert derzeit in Holzmaden. Hinter der Familie liegen schwere Jahre: Die Corona-Pandemie hinterließ Spuren. Jetzt hoffen die Artisten auf viele Besucher. Von Heike Siegemund

Mit ihren Wohnwagen sind sie 365 Tage im Jahr in ganz Deutschland sowie in Teilen der Schweiz und Österreich unterwegs: Jetzt hat die Familie Bügler vom Zirkus Enrico Halt in Holzmaden beim Urweltmuseum Hauff gemacht. Dort möchten die Artisten die Besucher mit ihren jeweils zweistündigen Shows begeistern.Artistik, Clownsnummern, Feuerspucker und mehr: Diego Angelito Bügler verspricht ein abwechslungsreiches Programm, das seine gesamte Familie gestaltet. Der 20-Jährige selbst zeigt als Luft­akrobat in neun Metern Höhe am Schwungtrapez und an den sogenannten Kraftstrapaten sein Können. „Ich bin auch Moderator – und eigentlich Mädchen für alles“, sagt er schmunzelnd.


 

Unser Zuhause ist der Wohnwagen.
Amanda Bügler vom Zirkus Enrico

 

Diego Büglers Leidenschaft gehört dem Zirkus. „Ein Leben ohne Zirkus ist wie ein Himmel ohne Sterne“, betont er. Ein anderes Leben würde er nicht führen wollen. „Ich bin da reingeboren. Es wäre für mich unvorstellbar, immer am gleichen Ort zu sein.“ Sein Bruder Jeffrey sieht das genauso: „Ich kenne es nicht anders, bin im Zirkuszelt getauft worden. Natürlich ist der Zirkus ein hartes Brot und nicht immer einfach, aber unser Herz schlägt dafür“, betont der 23-Jährige.

Eine abwechslungsreiche zweistündige Show verspricht die Familie Bügler vom Zirkus Enrico. Fotos: Carsten Riedl

Hartes Brot: Damit meint er die hohen Ausgaben, die die Zirkusfamilie zu stemmen hat, für Strom, Wasser, Platzmieten, Versicherungen, Reparaturen und Diesel für den Fuhrpark mit den insgesamt sieben Wohnwagen – und nicht zuletzt Futter für die Tiere. Auf die Eintrittsgelder ist die Familie angewiesen. Fallen diese einmal geringer aus, sorgt dies für ein gewisses Kopfzerbrechen – und doch ist auch für Jeffreys und Diegos Mutter Amanda Bügler klar: „Wenn ich nicht in der Manege stehen kann, bin ich krank.“ In der Eifel hat die Familie „Haus und Hof“, wie sie sagt. „Es ist alles da. Aber unser Zuhause ist der Wohnwagen.“

Zirkus Enrico

Die zurückliegenden Jahre mit der Corona-Pandemie war auch für den Zirkus Enrico alles andere als einfach. Als aufgrund der Ansteckungsgefahr auch Zirkus-Vorstellungen untersagt werden mussten, fühlte sich dies für die Familie Bügler an, „als ob uns jemand das Herz rausreißt“, sagt ­Diego Bügler. Die Familienmitglieder waren gezwungen, sich „Nebenarbeiten“ zu suchen, um sich über Wasser zu halten, blickt er zurück. „Zum Beispiel haben wir in einem Reitstall gearbeitet oder als Fernfahrer für Speditionen.“ Amanda Bügler nahm Putzstellen an oder räumte in Geschäften Regale ein. „Das war ein gefangenes Leben“, konstatiert sie.

Auch mithilfe von Spendengeldern konnte die Familie diese schwere Zeit überbrücken. Überhaupt spricht Diego Bügler von einer großen Hilfsbereitschaft einiger Menschen, die den Zirkusleuten zum Beispiel auch Lebensmittel vorbeibrachten. „Unseren Optimismus haben wir trotz allem nie verloren. Wir haben nach vorne geschaut und gesagt: Bald geht es wieder weiter“, erzählt Diego Bügler. Das Zirkusleben aufzugeben, sei nie infrage gekommen. „Der Zirkus darf nicht sterben“, verdeutlicht der 20-Jährige. Nicht umsonst gehöre der Zirkus seit diesem Jahr zum Immateriellen Kulturerbe in Deutschland.

Als dann die erste Show nach den Corona-Beschränkungen wieder stattfinden durfte, hatten die Artisten des Zirkus Enrico „so großes Lampenfieber wie noch nie zuvor“, erinnert sich Diego Bügler noch genau. „Wir fragten uns auch, wie das Publikum reagieren wird nach Corona. Als ich dann aber in neun Metern Höhe in der Luft hing und den Beifall des Publikums hörte, war für mich alles wieder vergessen“, sagt er freudestrahlend.

Zirkus Enrico

„Nach Corona waren die Leute wie ausgehungert – sie haben sich um jeden Platz gerissen. Unser Telefon stand nicht mehr still“, erinnert sich Amanda Bügler. Dass diese Euphorie inzwischen wieder etwas nachgelassen hat, bedauert sie. In den vergangenen Wochen sei das Zirkuszelt bei den Vorstellungen leider nicht voll besetzt gewesen, sagt auch ihr Sohn Diego. Woran das liegt? „Für die Menschen ist alles teurer geworden.“ Deshalb sparen sie an anderer Stelle, zum Beispiel an einem Zirkusbesuch, glaubt er. Letztlich habe bestimmt auch die Hitze so manchen abgehalten, ergänzt Amanda Bügler und betont: „Wir hoffen, dass es jetzt wieder bergauf geht.“

Den Zirkus Enrico gibt es seit 1811

Den Zirkus der Familie Bügler gibt es seit dem Jahr 1811. Aktuell gehören dem Zirkus 15 Tiere an: Kamele, Lamas, Alpakas, Esel und Pferde. Die Tiere sind bislang aber noch nicht in die Show miteingebunden. „Momentan sind sie noch in der Dressur. Bis sie so weit sind, dauert es ein bis zwei Jahre. Da braucht man viel Geduld und Tierliebe“, betont Diego Bügler. In ihren Gehegen hätten die Tiere mehr Auslauf als vorgeschrieben sei, ergänzt er.

In die Manege darf auch schon der elf Jahre alte Joelito Bügler treten: Zu sehen ist er als Messerwerfer, Clown und Akrobat. Solange seine Familie in Holzmaden gastiert, geht er in Weilheim zur Schule. Außerdem kümmert sich eine sogenannte Bereichslehrerin um ihn. Zieht die Zirkus-Familie weiter, wartet eine neue Schule auf den Elfjährigen.

Die Vorstellungen des Zirkus Enrico kann man noch bis Sonntag, 24. September, in Holzmaden besuchen. Die Shows finden mittwochs bis samstags jeweils um 16 Uhr sowie am Sonntag, 17. September, um 14 Uhr und am Sonntag, 24. September, um 11 Uhr statt. Montag und Dienstag sind Ruhetage. Mittwoch, Donnerstag und Freitag sind Kinder- und Familientage mit vergünstigten Eintrittspreisen. Karten sind täglich von 10 bis 12 Uhr an der Zirkuskasse oder unter der Telefonnummer 01 76/72 85 66 48 erhältlich. hei