Weilheim · Lenningen · Umland
„Ein magischer Effekt entsteht beim Betrachten von Portraits“

Kunst In der Dettinger Galerie Diez sind zahlreiche Bilder von Kerstin Starkert zu sehen.

Dettingen. Aus einem dunklen Hintergrund treten Figuren in plastischer Anmutung hervor. Gesichter, die dem Betrachter als ein stummes, gleichwohl zu befragendes Gegenüber begegnen. Körperlichkeit wird erfahrbar: Haare, Hauttöne und textile Strukturen, die mit wachem Blick und malerischer Finesse festgehalten sind. Als Bezugspunkt ist die Porträtkunst alter Meister gegenwärtig.

Unter dem programmatischen Titel „Porträtmalerei im Hier und Jetzt“ zeigt Kerstin Starkert ihre jüngsten Werke in der Galerie Diez in Dettingen. Das Hier und Jetzt wirft die Frage nach der Konkurrenz digitaler Medien auf. Für Galerist Wolfgang Diez ist die Zeitlosigkeit der Malerei, insbesondere des Porträts, unumstritten: „Nicht einmal ein Live-Video kann die Lebendigkeit einfangen, die ein gut gemaltes Porträt über die Jahrhunderte transportiert.“ Der Malprozess ist ein lebendiger Vorgang, der das Motiv vielfältig aufschließt: „Es steckt nicht nur ein Gesicht im Bild, sondern ein Leben, das eine ganze Welt wiedergibt.“

In jedem Bild stecken bis zu hundert Arbeitsstunden

Christoph Wasserberg, der die Vernissage-Gäste in die Ausstellung einführte, verwies auf die handwerkliche und ästhetische Wertigkeit, die ein gemaltes Porträt vom inflationären Selfie grundlegend abhebt. Der intensive Blick der Malerin auf das Gesicht des Porträtierten verlangt Empathie und Konzentration. „In jedem dieser Bilder stecken bis zu hundert harte Arbeitsstunden“, machte der Laudator deutlich. Er erinnerte an den Boom, den die Porträtmalerei in bürgerlichen Kreisen derzeit erlebt und auch den Kunstmarkt erfasst hat. Offenbar ist es die Kontrastfolie eines digitalen Narzissmus, der der analogen Immanenz des Gemalten neue Bedeutung zukommen lässt.

Auch Wilfried Veeser betonte den Stellenwert der Porträtkunst angesichts einer sich beschleunigenden, oftmals oberflächlichen Lebenswelt: „Im Porträt tritt der Porträtierte in die Gegenwart des Betrachters ein“, schreibt er in seiner essayistischen Annäherung an die Ausstellung. Indem das Porträt zur Selbstreflexion anrege, habe es identitätsstiftende Kraft. Zudem erfährt die eigene Wahrnehmung Erweiterung. Denn selten könne man Menschen so intensiv betrachten, ohne die Distanzbedürfnisse zu verletzen, wie im Porträtbild. Geschieht dies in einer Haltung der Offenheit, ja des Staunens, dann könne sich der „magische Effekt“ einstellen, dass die reale Abwesenheit des Dargestellten zur ästhetisch vermittelten Illusion authentischer Anwesenheit werde.

Die Ausstellung ist noch bis einschließlich 19. März in der Galerie Diez in Dettingen zu sehen. Die Galerie ist geöffnet dienstags von 17 bis 18.30 Uhr sowie samstags und sonntags von 16.30 bis 18.30 Uhr. Florian Stegmaier