Ein Unbekannter hat Ende Februar einen Aufkleber der AfD mit der Aufschrift „Nett hier. Aber sind Sie nicht ausreisepflichtig?“ an der Tür einer Autowerkstatt in Hochdorf angebracht. Dort arbeiten vor allem Mechaniker, die zwar einen Migrationshintergrund, aber einen deutschen Pass haben. Der Freiburger Opferverein „Geraubte Kinder – vergessene Opfer“, der an das Schicksal der von Nationalsozialisten verschleppten Kinder in Europa erinnert, hat nun Strafanzeige gegen die AfD-Landtagsfraktion gestellt. „Durch den Aufkleber wird zur Fremdenfeindlichkeit und Volksverhetzung aufgerufen“, begründet Vereinschef Christoph Schwarz die Anzeige.
Anlehnung an „The Länd“
Den Aufkleber hatte die AfD „mit freundlicher Unterstützung der AfD-Fraktion im baden-württembergischen Landtag“, wie darauf zu lesen ist, im Jahr 2023 produziert und verteilt – in Anlehnung an die Kampagne der Landesregierung „The Länd“, die mit einem ähnlich aussehenden Sticker mit der Aufschrift „Nett hier. Aber waren Sie schon einmal in Baden-Württemberg?“ für einen Besuch im Land wirbt. Das baden-württembergische Staatsministerium hat sich inzwischen bei Adnan Izmir, dem Inhaber der Hochdorfer Autowerkstatt, per Brief gemeldet und sein „Entsetzen“ über den Aufkleber bekundet. „The Länd“ sei eine Kampagne, die für kulturelle Vielfalt, Respekt und Wertschätzung stehe, heißt es in dem Schreiben. Izmirs Unternehmen sei mit seinen Beschäftigten eine „tragende Säule der baden-württembergischen Wirtschaft“.
Nach Angaben des SWR, der kürzlich in der Landesschau über den Vorfall in Hochdorf berichtete, distanzierte sich der AfD-Landesvorsitzende Emil Sänze im Gegensatz zu dessen Landtagsfraktion von dem Aufkleber und spricht von einer „unüberlegten Handlung von den damals Verantwortlichen, die den Aufkleber inzwischen zurückgezogen hätten. „Ich hoffe, dass das nicht noch einmal vorkommt“, sagte er im SWR-Interview. Dass der Aufkleber bei der AfD nicht mehr zu haben ist, stimmt aber nur zum Teil. Auf der Homepage der AfD-Landtagsfraktion findet er sich in der Mediathek, zwar nicht als Aufkleber, aber als Bild, und steht dort nach wie vor zum Download bereit.
Die Anzeige und der Brief aus dem Staatsministerium sind jedoch nicht die einzigen Reaktionen auf den fremdenfeindlichen Vorfall in Hochdorf. „Ich habe im Leben nicht mit so vielen positiven Rückmeldungen gerechnet“, sagt Adnan Izmir. Nicht nur, dass andere Zeitungen und das Fernsehen inzwischen über die Sache mit dem Aufkleber berichtet haben. Es haben sich auch viele Kunden und Freunde auf verschiedenen Kanälen in den Sozialen Netzwerken und per E-Mail bei Izmir gemeldet und ihre Solidarität bekundet. „Die Generalkonsulin der Türkei hat mich persönlich angerufen und mir den Rechtsbeistand des Konsulats angeboten“, erzählt der 49-Jährige, der sich über diese Reaktion jedoch etwas wundert, weil er doch einen deutschen Pass habe, wie er sagt.
Unterstützung von Fremden
Worüber er sich aber besonders freut, sind die vielen Rückmeldungen, zum Teil von wildfremden Leuten. In einem Fall stand plötzlich ein älteres Ehepaar im Büro der Werkstatt. Der Mann habe Tränen in den Augen gehabt und kaum reden können. „Eine Kundin vom Ziegelhof ist bei uns vorbeigekommen, hat uns einen Korb mit Süßigkeiten und Obst gebracht und sich solidarisch gezeigt“, berichtet Izmir, der als Sohn türkischer Einwanderer in Esslingen geboren ist und seinen Ausbildungsbetrieb in Hochdorf nach seiner Ausbildung vor 20 Jahren übernommen hat. „Hochdorf ist meine Heimat, hier bin ich aufgewachsen, hier habe ich Fußball gespielt.“ Deshalb habe er sich über den Aufkleber auch so geärgert. „Ich habe immer noch eine riesige Wut im Bauch“, so Izmir weiter. Für nächste Woche hat der Landtagsabgeordnete und Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Andreas Schwarz, seinen Besuch angekündigt.