Der Gewölbekeller des Alten Gemeindehauses in Dettingen ist mit Gelächter erfüllt, ab und zu mischt sich ein leiser Fluch hinein. Auf weichen Sofas sitzen Hanne Klein und Selim Köse mit vier weiteren Männern und knallen Karten auf den Couchtisch. „6 nimmt“ heißt das Spiel, und wer nicht aufpasst, hat schnell mehr Karten auf der Hand, als ihm lieb ist.
Jeden Dienstag ist „Kellertreff“ in Dettingen. Geleitet wird er von Ehrenamtlichen des Arbeitskreises Asyl, eingeladen sind alle Flüchtlinge, die in der Gemeinde leben. „Schwätzen, lachen, spielen“, so fasst Hanne Klein die Abende zusammen. Auch ein Tischkicker und ein Billardtisch stehen den Teilnehmern zur Verfügung.
Die vier Männer, die an diesem Abend mit Hanne Klein und Selim Köse, einem ehemaligen Asylbewerber, zusammensitzen, sind fast immer dabei. Sie stammen aus der Türkei, haben „aus politischen Gründen“ Asyl beantragt, wie sie sagen, und leben aktuell im Hotel Abaton, gleich um die Ecke. Wenn auch nicht mehr lange, wie Hanne Klein mit einem lachenden und einem weinenden Auge berichtet. „Drei von ihnen dürfen jetzt ausziehen und haben in Kirchheim Zimmer gefunden“, sagt sie. Die Augen der Männer leuchten auf, als sie von ihren Familien berichten – und davon, dass sie sie bald nachholen dürfen. Die Frage, wie es ihren Familien in der Türkei geht, lässt das Leuchten schlagartig erlöschen. Ihre Frauen müssten viel Druck aushalten, sagt einer, und ein anderer ergänzt: „Die Polizei klingelt immer wieder an der Tür und fragt nach uns.“ Die Angst um ihre Familien ist den Männern, von denen drei in der Türkei als Lehrer gearbeitet haben, deutlich anzusehen. Ihre Namen sollen aus Sicherheitsgründen nicht in der Zeitung stehen.
Hanne Klein ist Ehrenamtliche der ersten Stunde. Als 2015 sehr viele Flüchtlinge auf einmal nach Deutschland kamen und es in Dettingen sogar einen Zeltstandort gab, gründete die evangelische Kirchengemeinde in Kooperation mit der bürgerlichen Gemeinde einen Arbeitskreis Asyl, der sich noch heute alle zwei Monate trifft. Hanne Klein erzählt von den vielen Flüchtlingen, die in dem großen Zelt lebten – und wie es sie berührt hat, dass junge Männer, kaum älter als ihre eigenen Kinder, ihre Heimat verlassen mussten. „Ich wollte die Menschen herzlich willkommen heißen, weil sie das sicher viel zu wenig gehört haben“, sagt sie. Sie verbrachte viel Zeit mit ihnen, hörte sich ihre Sorgen an, lernte mit ihnen Deutsch, begleitete sie auf Spaziergänge und Wanderungen, lernte ihre Kartenspiele. „Ich habe immer sehr viel zurückbekommen“, sagt Hanne Klein, die heute noch in Kontakt mit einigen der jungen Männer ist. Die gläubige Christin hat auch heute, in der aktuellen Flüchtlingswelle, das Bedürfnis, den Flüchtlingen etwas von ihrer Zeit zu schenken. „Dass wir hier in Frieden leben dürfen, ist ein Gottesgeschenk“, sagt sie. „Wir können nichts dafür, dass wir hier geboren sind.“
Vergleicht man ihn mit den Anfangsjahren, ist der Dettinger AK Asyl deutlich geschrumpft. Laut Pfarrer Daniel Trostel, der die Aktivitäten koordiniert, waren es anfangs 15 bis 20 Ehrenamtliche. Heute seien es noch etwa zehn. Der Dettinger AK war unter anderem extrem erfolgreich darin, Asylbewerbern Arbeitsplätze zu verschaffen. „Die Mitarbeiterinnen haben damals 80 Menschen in Arbeit gebracht“, sagt Daniel Trostel. Was da an E-Mails und Telefonaten nötig sei, könne man sich kaum vorstellen. Ehrenamtliche, die sich so intensiv darum kümmerten, gebe es aktuell nicht. Auch die Kleiderkammer musste wegen Personalmangels aufgegeben werden. „Das läuft jetzt über persönliche Kontakte“, sagt Trostel. Neu hinzugekommen ist hingegen ein Treff für ukrainische Geflüchtete. Immer montags bietet die Bruderhausdiakonie Fußballtraining an. Auch Selim Köse spielt dort regelmäßig mit. Die Teilnehmer kämen aus der Türkei, Gambia, Eritrea, Syrien, Kosovo, Irak, Afghanistan, Italien und Spanien. Kürzlich hätten sie in der Mensa der Teckschule miteinander gekocht. „Wir sind wie eine Familie“, sagt Köse.
Der AK Asyl ist prinzipiell offen für neue Mitarbeiter, die Flüchtlinge im Alltag oder beim Deutschlernen unterstützen wollen. „Ich bin dankbar für jeden einzelnen, der sich einbringt“, sagt Daniel Trostel. Jeder dürfe entscheiden, wie viel Zeit und Kraft er investieren wolle. Die Kirchengemeinde unterstütze mit Spenden oder indem sie für Treffs Räume zur Verfügung stelle.
InfoWer beim Arbeitskreis Asyl Dettingen mitarbeiten möchte, kann sich bei Pfarrer Daniel Trostel unter der Telefonnummer 0 70 21/5 52 22 melden. Nicht nur Christinnen und Christen, sondern alle, die Flüchtlingen helfen wollen, sind willkommen.