Zwischen Neckar und Alb
Ein offenes Ohr im Reisestress

Urlaub Das Team der Kirch­li­chen Diens­te am Flug­ha­fen und auf der Mes­se be­treut Men­schen, die Hil­fe su­chen. Seel­sor­ge­rin Mecht­hild Fol­de­nau­er baut auf ihr Team von 30 Eh­ren­amt­li­chen. Von Eli­sa­beth Mai­er

Auf­ge­wühl­te ­Flug­gäs­te trifft Mecht­hild Fol­de­nau­er im­mer wie­der, wenn sie in den Flug­ha­fen­ter­mi­nals un­ter­wegs ist. „Die Leu­te be­fürch­ten lan­ge War­te­zei­ten und Cha­os“, sagt die ka­tho­li­sche Seel­sor­ge­rin. Da Stutt­gart vom Streik der Luft­han­sa kaum be­trof­fen war, lie­ßen sich die Leu­te aber schnell be­ru­hi­gen. Den­noch sind die Kirch­li­chen Diens­te am Flug­ha­fen ei­ne wich­ti­ge An­lauf­stel­le. An ih­rem Stand auf der An­kunfts­ebe­ne im Ter­mi­nal 1 schau­en im­mer wie­der Rei­sen­de aus al­ler Welt vor­bei, die Hil­fe su­chen.

 

Wir warten nicht, bis die Reisenden zu uns kommen. Wir gehen gezielt auf sie zu.
Mechthild Foldenauer, Kirchliche Dienste Flughafen und Messe

Weil vie­le Men­schen Angst ha­ben, ihr Flug­zeug we­gen ver­meint­lich lan­ger War­te­zei­ten zu ver­pas­sen, rei­sen sie nach Fol­de­nau­ers Wor­ten oft schon am Vor­abend mit der letz­ten S-Bahn an. Das lö­se Un­ru­he aus, weil nachts auf dem Flug­ha­fen rund um die Uhr ge­ar­bei­tet wird. Da der Check-in gut klap­pe, sei die­se An­rei­se in den Nacht­stun­den auch gar nicht nö­tig. Vom spä­te­ren Mor­gen an sind die Mit­ar­bei­ten­den der Flug­ha­fen-Seel­sor­ge im Ein­satz und an­sprech­bar.

„Um theo­lo­gi­sche Fra­gen geht es nicht, wenn die Leu­te zu uns kom­men“, sagt Jo­chen Gru­be. Im­mer mitt­wochs macht der Lek­tor im Ru­he­stand Dienst am Flug­ha­fen. Ge­mein­sam mit 29 an­de­ren Eh­ren­amt­li­chen küm­mert er sich um Rei­sen­de, die den Fahr­kar­ten­au­to­ma­ten nicht fin­den, oder er be­glei­tet sie zum Fern­bus­bahn­hof. „Da­bei kommt man über Gott und die Welt ins Ge­spräch“, sagt der 77-Jäh­ri­ge. Wenn die Men­schen Pro­ble­me ha­ben, ver­sucht der Rent­ner aus Fil­der­stadt-Plat­ten­hardt, „ein­fach zu­zu­hö­ren und den ei­nen oder an­de­ren gu­ten Rat zu ge­ben.“ Vor­wie­gend kä­men die Men­schen aber zu ihm, wenn sie den Fahr­kar­ten­au­to­ma­ten nicht fin­den.

Während des Streiks bei der Luft­han­sa be­kamen vie­le Rei­sen­de ih­re Kof­fer nicht. Sie hat der Rent­ner zum „Lost and Found“-Schal­ter begleitet. Gru­be ist gut mit den Mit­ar­bei­tern dort wie auch mit der Flug­ha­fen­in­for­ma­ti­on ver­netzt. Er weiß, an wel­chen Stel­len die Men­schen je­weils Hil­fe fin­den. „Nach acht Jah­ren ken­ne ich mich hier bes­tens aus“, sagt der evan­ge­li­sche Christ, der ein­fach „Nächs­ten­lie­be“ ver­mit­teln möch­te.

„Wenn es um schwie­ri­ge Fäl­le geht, über­neh­men wir Haupt­amt­li­chen“, sagt Mecht­hild Fol­de­nau­er. Die 60-Jäh­ri­ge ist seit März am Flug­ha­fen tä­tig. Sie hat Mar­j­on Spren­gel ab­ge­löst, die in den Ru­he­stand ging. Ge­mein­sam mit dem evan­ge­li­schen Dia­kon Mat­thi­as Hil­ler ist sie für die Kirch­li­chen Diens­te am Flug­ha­fen und auf der Mes­se zu­stän­dig. „Zu uns kom­men Men­schen, die exis­ten­zi­el­le Pro­ble­me ha­ben.“ Da denkt sie an die jun­ge Frau aus der Ukrai­ne, die vor dem Krieg ge­flüch­tet ist und Hil­fe brauch­te. Oder an den jun­gen Mann aus Po­len, der sei­ne Pa­pie­re ver­lo­ren hat. „Ihm ha­ben wir ei­ne Fahr­kar­te ge­kauft, da­mit er nach Mün­chen aufs Kon­su­lat konn­te.“ Eng ar­bei­tet sie da mit dem So­zi­al­amt in Lein­fel­den-Ech­ter­din­gen zu­sam­men, das in Not­fäl­len auch die Kos­ten über­nimmt.

Die kom­mu­ni­ka­ti­ve Seel­sor­ge­rin hat Agrar­wis­sen­schaf­ten in Ho­hen­heim stu­diert. Seit 30 Jah­ren ist sie aber bei der Diö­ze­se Rot­ten­burg-Stutt­gart tä­tig, und das in un­ter­schied­li­chen Po­si­tio­nen. Zu­letzt hat sich Fol­de­nau­er um das The­ma „Kir­che und Sport“ ge­küm­mert. Wie kam sie nun zu den Kirch­li­chen Diens­ten? Die Stel­le am Flug­ha­fen und auf der Mes­se ha­be sie ge­reizt, „weil das Auf­ga­ben­feld ein ganz an­de­res ist“. Au­ßer­dem kann die Pli­en­in­ge­rin jetzt mit dem Fahr­rad in ihr Bü­ro im Ter­mi­nal 3 fah­ren. Ihr Schwer­punkt ist die Be­triebs­seel­sor­ge. „Da geht es um gro­ße und klei­ne Pro­ble­me.“ Nicht im­mer sei der Job­ver­lust das gro­ße The­ma. Wenn es in ei­ner Fa­mi­lie Streit ge­be, „ist es oft das Bes­te, ein­fach zu­zu­hö­ren“. Nicht nur die Mit­ar­bei­ter des Flug­ha­fens, auch Aus­stel­ler auf der Mes­se nut­zen ih­re Diens­te.

Doch auch im Ta­ges­be­trieb ist sie ein­ge­spannt. In ih­rem Bü­ro sitzt die 60-Jäh­ri­ge nur sel­ten. Lie­ber geht sie durch die Ter­mi­nals und schaut, wo Men­schen ein Pro­blem ha­ben: „Wir war­ten nicht, bis die Leu­te zu uns kom­men.“ Im­mer wie­der kommt es vor, dass auf Rei­sen ein An­ge­hö­ri­ger stirbt. Für die­se Not­fall­seel­sor­ge ist Mat­thi­as Hil­ler zu­stän­dig. Sei­ne Kol­le­gin Fol­de­nau­er lässt sich auch in die­sem Feld aus­bil­den. „So un­ter­stüt­zen wir uns ge­gen­sei­tig“, schwärmt die Ka­tho­li­kin vom gu­ten Mit­ein­an­der bei den Kirch­li­chen Diens­ten.

„Man bekommt so viel zurück“

Wich­tig ist es dem haupt­amt­li­chen Duo, die 30 Eh­ren­amt­li­chen mög­lichst gut zu schu­len. So sei die Ar­beit am Flug­ha­fen und auf der Mes­se auch für sie ein Ge­winn. „Wir su­chen im­mer neue Leu­te“, sagt Mecht­hild Fol­de­nau­er. Die Kon­fes­si­on spie­le da kei­ne Rol­le. Wer in den Ter­mi­nals Schich­ten über­neh­men möch­te, darf sich die Ter­mi­ne re­la­tiv frei aus­su­chen. Wel­ches Rüst­zeug brau­chen die Eh­ren­amt­li­chen? „Sie müs­sen vor al­lem be­last­bar sein“, sagt Mecht­hild Fol­de­nau­er. Auch ei­ne freund­li­che, of­fe­ne Art und die Ga­be, auf Men­schen zu­ge­hen zu kön­nen, sei­en un­ver­zicht­bar. Jo­chen Gru­be möch­te sei­ne frei­wil­li­ge Ar­beit nach acht Jah­ren nicht mehr mis­sen: „Man be­kommt so viel zu­rück. Das ist schön.“

 

Neue Mitarbeiter gesucht

Ein­satz in den Ter­mi­nals Nicht al­lein im An­dachts­raum auf der An­kunfts­ebe­ne im Ter­mi­nal 3 lässt sich der Glau­ben le­ben – für Chris­ten eben­so wie für Mus­li­me und Ju­den. 30 Eh­ren­amt­li­che tun der­zeit bei den Kirch­li­chen Diens­ten am Flug­ha­fen und auf der Mes­se Dienst. Wäh­rend Co­ro­na war dies oft nicht mög­lich. „Die meis­ten un­se­rer Kräf­te sind aber da­bei ge­blie­ben“, sagt Mecht­hild Fol­de­nau­er. Die ka­tho­li­sche Seel­sor­ge­rin und ihr evan­ge­li­scher Kol­le­ge Mat­thi­as Hil­ler be­treu­en die Mit­ar­bei­ter.

Span­nen­de Per­spek­ti­ve Weil die Dienst­zei­ten re­la­tiv frei ein­teil­bar sei­en, ist das Eh­ren­amt laut Fol­de­nau­er auch für jün­ge­re Leu­te in­ter­es­sant, die noch im Be­ruf ste­hen. Der Gro­ß­teil des Teams sei äl­ter als 50 Jah­re, aber das müs­se nicht so blei­ben. „Jung und Alt pro­fi­tie­ren von­ein­an­der“, ist Fol­de­nau­er über­zeugt. Wei­te­re In­for­ma­tio­nen er­hal­ten In­ter­es­sen­ten un­ter den Ruf­num­mern 07 11/94 84 -100 oder 07 11/94 84 -101. eli