Aufgewühlte Fluggäste trifft Mechthild Foldenauer immer wieder, wenn sie in den Flughafenterminals unterwegs ist. „Die Leute befürchten lange Wartezeiten und Chaos“, sagt die katholische Seelsorgerin. Da Stuttgart vom Streik der Lufthansa kaum betroffen war, ließen sich die Leute aber schnell beruhigen. Dennoch sind die Kirchlichen Dienste am Flughafen eine wichtige Anlaufstelle. An ihrem Stand auf der Ankunftsebene im Terminal 1 schauen immer wieder Reisende aus aller Welt vorbei, die Hilfe suchen.
Weil viele Menschen Angst haben, ihr Flugzeug wegen vermeintlich langer Wartezeiten zu verpassen, reisen sie nach Foldenauers Worten oft schon am Vorabend mit der letzten S-Bahn an. Das löse Unruhe aus, weil nachts auf dem Flughafen rund um die Uhr gearbeitet wird. Da der Check-in gut klappe, sei diese Anreise in den Nachtstunden auch gar nicht nötig. Vom späteren Morgen an sind die Mitarbeitenden der Flughafen-Seelsorge im Einsatz und ansprechbar.
„Um theologische Fragen geht es nicht, wenn die Leute zu uns kommen“, sagt Jochen Grube. Immer mittwochs macht der Lektor im Ruhestand Dienst am Flughafen. Gemeinsam mit 29 anderen Ehrenamtlichen kümmert er sich um Reisende, die den Fahrkartenautomaten nicht finden, oder er begleitet sie zum Fernbusbahnhof. „Dabei kommt man über Gott und die Welt ins Gespräch“, sagt der 77-Jährige. Wenn die Menschen Probleme haben, versucht der Rentner aus Filderstadt-Plattenhardt, „einfach zuzuhören und den einen oder anderen guten Rat zu geben.“ Vorwiegend kämen die Menschen aber zu ihm, wenn sie den Fahrkartenautomaten nicht finden.
Während des Streiks bei der Lufthansa bekamen viele Reisende ihre Koffer nicht. Sie hat der Rentner zum „Lost and Found“-Schalter begleitet. Grube ist gut mit den Mitarbeitern dort wie auch mit der Flughafeninformation vernetzt. Er weiß, an welchen Stellen die Menschen jeweils Hilfe finden. „Nach acht Jahren kenne ich mich hier bestens aus“, sagt der evangelische Christ, der einfach „Nächstenliebe“ vermitteln möchte.
„Wenn es um schwierige Fälle geht, übernehmen wir Hauptamtlichen“, sagt Mechthild Foldenauer. Die 60-Jährige ist seit März am Flughafen tätig. Sie hat Marjon Sprengel abgelöst, die in den Ruhestand ging. Gemeinsam mit dem evangelischen Diakon Matthias Hiller ist sie für die Kirchlichen Dienste am Flughafen und auf der Messe zuständig. „Zu uns kommen Menschen, die existenzielle Probleme haben.“ Da denkt sie an die junge Frau aus der Ukraine, die vor dem Krieg geflüchtet ist und Hilfe brauchte. Oder an den jungen Mann aus Polen, der seine Papiere verloren hat. „Ihm haben wir eine Fahrkarte gekauft, damit er nach München aufs Konsulat konnte.“ Eng arbeitet sie da mit dem Sozialamt in Leinfelden-Echterdingen zusammen, das in Notfällen auch die Kosten übernimmt.
Die kommunikative Seelsorgerin hat Agrarwissenschaften in Hohenheim studiert. Seit 30 Jahren ist sie aber bei der Diözese Rottenburg-Stuttgart tätig, und das in unterschiedlichen Positionen. Zuletzt hat sich Foldenauer um das Thema „Kirche und Sport“ gekümmert. Wie kam sie nun zu den Kirchlichen Diensten? Die Stelle am Flughafen und auf der Messe habe sie gereizt, „weil das Aufgabenfeld ein ganz anderes ist“. Außerdem kann die Plieningerin jetzt mit dem Fahrrad in ihr Büro im Terminal 3 fahren. Ihr Schwerpunkt ist die Betriebsseelsorge. „Da geht es um große und kleine Probleme.“ Nicht immer sei der Jobverlust das große Thema. Wenn es in einer Familie Streit gebe, „ist es oft das Beste, einfach zuzuhören“. Nicht nur die Mitarbeiter des Flughafens, auch Aussteller auf der Messe nutzen ihre Dienste.
Doch auch im Tagesbetrieb ist sie eingespannt. In ihrem Büro sitzt die 60-Jährige nur selten. Lieber geht sie durch die Terminals und schaut, wo Menschen ein Problem haben: „Wir warten nicht, bis die Leute zu uns kommen.“ Immer wieder kommt es vor, dass auf Reisen ein Angehöriger stirbt. Für diese Notfallseelsorge ist Matthias Hiller zuständig. Seine Kollegin Foldenauer lässt sich auch in diesem Feld ausbilden. „So unterstützen wir uns gegenseitig“, schwärmt die Katholikin vom guten Miteinander bei den Kirchlichen Diensten.
„Man bekommt so viel zurück“
Wichtig ist es dem hauptamtlichen Duo, die 30 Ehrenamtlichen möglichst gut zu schulen. So sei die Arbeit am Flughafen und auf der Messe auch für sie ein Gewinn. „Wir suchen immer neue Leute“, sagt Mechthild Foldenauer. Die Konfession spiele da keine Rolle. Wer in den Terminals Schichten übernehmen möchte, darf sich die Termine relativ frei aussuchen. Welches Rüstzeug brauchen die Ehrenamtlichen? „Sie müssen vor allem belastbar sein“, sagt Mechthild Foldenauer. Auch eine freundliche, offene Art und die Gabe, auf Menschen zugehen zu können, seien unverzichtbar. Jochen Grube möchte seine freiwillige Arbeit nach acht Jahren nicht mehr missen: „Man bekommt so viel zurück. Das ist schön.“
Neue Mitarbeiter gesucht
Einsatz in den Terminals Nicht allein im Andachtsraum auf der Ankunftsebene im Terminal 3 lässt sich der Glauben leben – für Christen ebenso wie für Muslime und Juden. 30 Ehrenamtliche tun derzeit bei den Kirchlichen Diensten am Flughafen und auf der Messe Dienst. Während Corona war dies oft nicht möglich. „Die meisten unserer Kräfte sind aber dabei geblieben“, sagt Mechthild Foldenauer. Die katholische Seelsorgerin und ihr evangelischer Kollege Matthias Hiller betreuen die Mitarbeiter.
Spannende Perspektive Weil die Dienstzeiten relativ frei einteilbar seien, ist das Ehrenamt laut Foldenauer auch für jüngere Leute interessant, die noch im Beruf stehen. Der Großteil des Teams sei älter als 50 Jahre, aber das müsse nicht so bleiben. „Jung und Alt profitieren voneinander“, ist Foldenauer überzeugt. Weitere Informationen erhalten Interessenten unter den Rufnummern 07 11/94 84 -100 oder 07 11/94 84 -101. eli