Fast fünf Jahre ist es her, dass der alte Schafstall am Randecker Maar zum Raub der Flammen wurde. Jetzt feierte die Ziegelhütte an gleicher Stelle Richtfest für den Neubau. Das Bild vom Phönix, der aus der Asche wiederersteht, könnte hier seine Berechtigung haben. Allerdings hat es beim Schafstall wesentlich länger gedauert, bis wieder ein Gebäude in denselben Dimensionen entstanden ist.
Anstatt die lange Geschichte des Gebäudes zu wiederholen, zählte Ziegelhüttenleiter Hendrik van Woudenberg lieber „das kleine Einmaleins des Schafstalls“ auf und fragte nach drei Personen, die für das Projekt von
besonderer Bedeutung waren. Der erste war sein Lehrerkollegen Gerd Kälberer, von dem die Idee zum Umbau des Schafstalls stammte und der das Projekt seither unermüdlich vorangetrieben hat. Es folgte Bissingens Bürgermeister Marcel Musolf, der stets mit Rat und Tat zur Seite stand und der dazu beigetragen hatte, dass der Gemeinderat das Grundstück an die Ziegelhütte übergab. Und schließlich war da noch Zimmermann Peter Hepperle, der sowohl am ursprünglichen Umbau als auch am späteren Neubau maßgeblich beteiligt war und der „einen guten Zugang zu unseren Jugendlichen hat“.
Bürgermeister Musolf zeigte sich begeistert: „Es ist unglaublich beeindruckend, was das Handwerk hier geleistet hat – und das auch noch als pädagogisches Projekt, in Zusammenarbeit mit den Jugendlichen der Ziegelhütte.“ Was ihn nicht minder beeindruckt hat, war die Unerschütterlichkeit, mit der das Team an dem Projekt festgehalten hat. Schon bei den Umbauplänen habe er persönlich an der Finanzierbarkeit gezweifelt, gestand er nun. Und bei den Neubauplänen habe er gedacht: „Das schaffen die nie!“ Zur Finanzierung kam aber noch das Genehmigungsverfahren für einen Neubau als eine weitere komplexe Angelegenheit. Marcel Musolf konnte am Ende nur den Hut ziehen.
Architekt Robert Hihn vom Nürtinger Büro Hihn + Mattern ging auf die Nachhaltigkeit des Neubaus ein. Im November 2021 sei das restliche Abbruchmaterial vor Ort aufbereitet und für den Unterbau des neuen Hauses verwendet worden. Die strohgedämmte Holzrahmenkonstruktion sorge durch ihre nachwachsenden Materialien für nachhaltiges Wirtschaften. Stahlbeton gebe es auch, aber nur dort, wo es unbedingt nötig war. Bei der Technik herrsche ein einfacher Standard vor: „Lüftung und Verschattung gibt es durch Bio-Hightech. Die Steuerzentrale ist der Mensch.“ Menschen könnten die Fenster zu Lüftungszwecken öffnen und per Laden verschatten, was den technischen Wartungsaufwand dauerhaft minimiere. Robert Hihn sieht darin keinen Rückschritt, im Gegenteil: „Hier entsteht ein wirklich fortschrittliches Gebäude.“
Wie sich die Finanzierung aus vielen Mosaiksteinen zusammensetzt, zeigten die Hepsisauer Stiftung und die Eileen-Mezger-Stiftung. Beide Stiftungen sind der Ziegelhütte sehr verbunden und von beiden gab es zum Richtfest Schecks – über 5 000 beziehungsweise 10 000 Euro. Zum Stiftungsweck gehört in beiden Fällen die Förderung von Bildungsprojekten.
Dass auch das Handwerk Bildung vermittelt, ist eine der Grundlagen des Schafstall-Projekts: Hendrik van Woudenberg hatte eingangs ausgeführt: „Es waren schon sehr viele Jugendliche beteiligt, und eine ganze Reihe von ihnen hat dadurch zu ihrem Beruf gefunden.“ Andere hätten herausgefunden, dass das Handwerk nicht zu ihnen passt: „Auch das ist eine wichtige Erkenntnis.“
Ein Richtbaum mit Wurzelballen
Das Richtfest ist der „Tag der Handwerker“. Folglich konnte das Handwerk unter Beweis stellen, dass zur Arbeit auch das zünftige Feiern gehört. Zimmermann Peter Hepperle sprach von großen Herausforderungen, die es zu meistern galt – aber auch von großen Hilfen bei der Arbeit: vom idealen Wetter zwischen Anfang Mai und Ende September sowie von den „perfekten Plänen“. Ein Extra-Lob ging deshalb an den Statiker. Auch der Zimmermann erinnerte an die ressourcenschonende Bauweise und bezog dabei sogar den Richtbaum mit ein, der ebenfalls nachhaltig ist: „Das ist unser erster Baum mit Wurzelballen.“ Das einzige, was nicht nachhaltig war, geht auf die jahrhundertalte Tradition zurück: Nach dem Richtspruch und einem tüchtigen Schluck zerschmetterte Peter Hepperle – wie es sich gehört – sein Glas im Grund.