Gruibingen. Was für ein Ausblick: Filstal, Schurwald, bis weit in den Welzheimer Wald. Der Blick von der Terrasse des Boßlerhauses beeindruckt nicht wenige, die hier heraufkommen. Am 2. September 1923 wurde das Boßlerhaus eingeweiht, am Samstag war das auf den Tag genau 100 Jahre her. Für die Naturfreunde Anlass genug für ein großes Jubiläumsfest. Und auch Zeit für einen Rückblick mit allerhand Geschichte und Geschichten.
Los ging es mit Naturfreunden schon zwölf Jahre vorher, 1911 gründet sich die Göppinger Gruppe, zwölf Jahre später ist das Haus auf dem Boßler fertig. Mit Holz aus einem Göppinger Abbruchhaus in der Blumenstraße. Die Balken bringen die Naturfreunde nach Feierabend auf den Boßler, das ganze andere Material auch. „Eine unglaubliche Leistung“ sei das gewesen, „das ganze Baumaterial hier hoch zu schaffen“, sagt Steffen Haug. Der Journalist moderierte am Jubiläumssamstag ein Gespräch mit Zeitzeugen. Inge Glaser und Rolf Straub sind in den 1930er Jahren im Boßlerhaus geboren und aufgewachsen, ihr Papa war damals Hüttenwirt. In ihrer Kindheitserinnerung steckt auch viel Zeitgeschichte, ihr Vater hatte das Boßlerhaus übernommen, nachdem es 1933 – nach dem Verbot der Naturfreunde durch die Nazis – enteignet worden war. Viele Pläne gab es damals für das Boßlerhaus: Hitlerjugend, Bund deutscher Mädel oder SS sollten rauf auf den Berg. Daraus geworden ist nicht viel, ob es am fehlenden fließenden Wasser lag, was noch länger hochgeschleppt werden musste, ist unklar. Letztlich ging das Haus an eine Studentenverbindung aus Tübingen und 1949 – Hitlerjugend und SS waren zur Geschichte geworden – zurück an die Naturfreunde, für die es schnell wieder ein Stück Heimat wurde.
Kampf gegen Rassismus
„Gut, wieder hier zu sein“, intonieren dann auch „Die Marbacher“, die politische Lieder singen und selbst aus der Naturfreunde-Bewegung kommen. Und Politik, die gehört bei den Naturfreunden dazu, nicht nur der Blick auf Umweltthemen, auch der Kampf gegen Rassismus. Die Göppinger Grünen-Landtagsabgeordnete Ayla Cataltepe greift das in ihrer Rede auf, plädiert für die Erinnerung an die Verbrechen der Nazi-Herrschaft.
Harald Peschken vom Bundesvorstand der Naturfreunde hat auch eine Geschichte dabei, die von Willy Brandt, der auch Naturfreund in der Ortsgruppe Lübeck war und wohl auch – berichtet jedenfalls Peschken – im Naturfreundehaus Priwall an der Ostsee gezeugt wurde.
Ist also doch nicht alles Politik bei den Naturfreunden. Auch nicht am Samstag, 150 Naturfreunde und Gäste hocken im Sonnenschein rund um das Boßlerhaus, mit Kaffee, Kuchen, Bratwurst und dem Boßler-Bier, das die Gruibinger Brauerei Hilsenbeck extra zum Jubiläum gebraut hat. Da lässt es sich aushalten. Möglich machen das die Naturfreunde rund um den Ortsvorsitzenden Martin Pflüger. Jeweils vier Ehrenamtliche kümmern sich das ganze Jahr am Wochenende um Gäste, die es auf den Boßler schaffen. Und: in den Ferien ist das Haus täglich offen, auch in dieser Woche. Peter Buyer