Es ist der zweite Etatentwurf seit Beginn der Pandemie, den Heinz Eininger gestern im Esslinger Kreistag vorgestellt hat, und doch ist es keiner, der als Krisenhaushalt in die Geschichte eingehen wird. Im Gegenteil: Ehrgeiziger Zukunftspläne und Investitionen von mehr als 160 Millionen Euro in den nächsten vier Jahren zum Trotz war die Haushaltsrede des Esslinger Landrats mit zwei Worten überschrieben: umsichtig und solide. Im sonst üblichen Verteilkampf um Steuergelder klang diesmal sogar vieles ungewohnt versöhnlich. Bund, Land und Kommunen seien in den letzten anderthalb Jahren eng zusammengerückt, stellte Eininger fest. „Ohne die finanzielle Unterstützung wären wir nicht so gut durch die Krise gekommen.“
In Zahlen liest sich das so: Dank unerwartet hoher Ausgleichszahlungen von Bund und Land und dank einer weiterhin sprudelnden Grunderwerbsteuer hat der Landkreis zu Beginn des neuen Haushaltsjahres 8,8 Millionen Euro mehr in
In anderen Landkreisen fließen Überschüsse in den Ausgleich von Klinikdefiziten.
Der Esslinger Landrat Heinz Eininger
der Kasse als eigentlich geplant. Aus einem prognostizierten Defizit wird plötzlich ein Überschuss von 5,5 Millionen Euro. Abzüglich des Pflichtpolsters verbleiben unterm Strich rund 32 Millionen Euro an frei verfügbarem Geld.
Das öffnet Spielräume. Nicht nur für künftige Investitionen, auch die 44 Städte und Gemeinden im Kreis sollen durch die geplante Senkung der Kreisumlage von 30 auf 29,3 Prozentpunkte vom Geldfluss profitieren. Allein für die Große Kreisstadt Kirchheim würde das im kommenden Jahr eine Entlastung von einer Million Euro bedeuten. Weil dank der bisher guten Konjunktur auch die Steuerkraft steigt, blieben die Einnahmen aus der Umlage trotz Senkung stabil bei 255 Millionen Euro. Ob es beim vorgeschlagenen Hebesatz tatsächlich bleibt, werden erst die Etatberatungen in den kommenden Wochen zeigen. Einingers Versprechen: Weil den Gemeinden schwierige Jahre bevorstünden, werde man auch 2023 Geld locker machen, um die Kreisumlage zu stabilisieren und Kommunen Planungssicherheit zu geben.
Trotzdem wird in Zukunft kräftig investiert. Bis 2025 sollen rund 163 Millionen Euro in Baumaßnahmen fließen. 35 Millionen davon sind bereits im Etat fürs kommende Jahr veranschlagt. Größter Brocken mit 17,2 Millionen Euro ist die nächste Rate beim Bau der neuen Verwaltungsgebäude in Plochingen und Esslingen. Am Stammsitz in den Esslinger Pulverwiesen hat mit dem Umzug des Kreisarchivs auf den Plochinger Stumpenhof im September die endgültige Räumung begonnen. Im April sollen erste Abbrucharbeiten im Innern des alten Landratsamtbaus folgen. Der vollständige Abriss ist für Ende 2022 vorgesehen. Geplante Fertigstellung des Neubaus: Ende 2025.
Für Baumaßnahmen an Schulen, unter anderem die bereits begonnene Erweiterung der Nürtinger Bodelschwingh-Schule, die im September 2023 in Betrieb gehen soll, sind 6,2 Millionen Euro eingeplant. Beim Thema Verkehr liegt der Schwerpunkt auf dem sechs Millionen Euro teuren Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs, der als ein Beitrag zum Klimaschutz verstanden wird. Das meiste davon verschlingt die Verlängerung der beiden Stadtbahnlinien U6 und U5 in Richtung Flughafen und Messe auf den Fildern. Für Bau und Erhalt von Kreisstraßen werden immerhin noch 2,9 Millionen Euro ausgegeben. Beim Investitionsprogramm profitiert der Landkreis vom weiterhin historisch niedrigen Zinsniveau, das sich die Verwaltung über Bausparverträge langfristig gesichert hat.
Sorge bereitet der Kreiskämmerin Monika Dostal hingegen der Sozialbereich, der seit jeher die größte Summe im Haushalt verschlingt. Durch gesetzliche Vorgabe vom Bund klettern die Kosten seit Jahren. Im Bereich der Hilfe zur Pflege zum zweiten Mal in Folge im zweistelligen Bereich. Mehr Aufgaben bedeuten vor allem mehr Personal. In der Jugend- und Familienhilfe sind allein 19 zusätzliche Stellen geplant, soviel wie in keinem anderen Aufgabenbereich der Kreisverwaltung. Im kommenden Jahr werde für soziale Sicherung mit rund 263 Millionen Euro erstmals mehr Geld ausgegeben, als über die Kreisumlage am Ende hereinkommt, gab Eininger zu bedenken. Für ihn ist vor Beginn der Etatdebatte deshalb jetzt schon klar: „Es gibt keine Spielräume für weitere Freiwilligkeitsleistungen.“ Ob das die Fraktionen auch so sehen, wird sich in der Beratungsrunde am 11. November zeigen. Der Haushaltsbeschluss im Kreistag ist für den 16. Dezember vorgesehen.
Die wichtigsten Eckdaten im Kreishaushalt
Ertragslage: Das laufende Haushaltsjahr schließt mit einem Plus von 5,5 Millionen Euro. Im kommenden Jahr wird wegen anstehender Investitionen und der geplanten Senkung der Kreisumlage mit einem Minus von 5,8 Millionen Euro gerechnet.
Liquidität: Sie liegt dank Mehreinnahmen im Finanzausgleich und bei der Grunderwerbssteuer zurzeit bei 43,8 Millionen Euro und damit deutlich über der geforderten Mindesliquidität von 11,7 Millionen Euro.
Investitionen: 2022 will der Kreis 35,1 Millionen Euro unter anderem in Schulen, in den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur und die Breitbandversorgung stecken. Größter Posten ist mit 17,2 Millionen Euro die nächste Rate für den Neubau der beiden Verwaltungsgebäude in Plochingen und am Stammsitz Esslingen. Insgesamt will der Kreis bis 2025 mehr als 160 Millionen Euro investieren.
Soziales: Die Sozialausgaben steigen von derzeit 178 auf 189 Millionen Euro. Größter Posten ist die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung in Höhe von 83,2 Millionen Euro.
Schulden: Die Gesamtverschuldung soll bis Ende 2022 von derzeit 194 Millionen auf 203 Millionen Euro steigen und in vier Jahren bei 225 Millionen liegen.
Kreisumlage: Der Etatentwurf sieht eine moderate Senkung der Umlage auf 29,3 Prozentpunkte vor. Das entspräche Einnahmen in Höhe von 255 Millionen Euro. bk