Lenninger Tal
Ein Stadtjäger packt aus: „Die Natur ist alles – nur nicht lieb“

Zivilisation Christian Schwenk aus Schopfloch hilft Kommunen, Privatleuten und Firmen, wenn die tierische Belagerung in Städten überhandnimmt. Vor allem Waschbären sind ein Problem. Von Claudia Bitzer

Waschbären sind Sympathieträger. Aber sie werden im Kreis Esslingen immer mehr zur Plage. Etwa, wenn sie sich – wie im Falle einer Bissinger Holzbaufirma – in ganzen Familienverbänden auf dem Dachboden eingenistet und die Isolierung so zerstört haben, dass Material und Hinterlassenschaften in die darunter liegenden Stockwerke rieselten. Elf Exemplare und einen Marder hat Christian Schwenk dort innerhalb von wenigen Monaten gefangen – und noch vor Ort zur Strecke gebracht. Derzeit fängt er im Auftrag der Stadt Esslingen die Dachse ein, die sich unter der Burgmauer über der Oberen Beutau eingegraben haben und en passant die Grundstücke in der Nachbarschaft verwüsten. Die Statik der massiven Befestigung bringen sie zwar noch nicht ins Wanken. Im Fall einer Garagenanlage in Kirchheim war die Gefahr schon größer. Gerufen wurde er dort vom Nachbarn, der auf seinem Grundstück daneben schubkarrenweise den Erdaushub der eifrigen Buddler wegkarren musste.

Schwenk, Jahrgang 1973, im Hauptberuf Landesbeamter, lebt in Schopfloch und ist im Nebenjob Stadtjäger. Also ein Mann mit der Lizenz zum Töten im befriedeten Raum. Von der macht er erst dann Gebrauch, wenn gar nichts anderes mehr geht. Ob Waschbären, Dachse, Füchse oder Marder: In den vergangenen Jahren haben sich immer mehr Wildtiere mitten in den Städten und Gemeinden festgesetzt, wo von ihren natürlichen Feinden nichts zu sehen ist, es aber Nahrung und Verstecke im Überfluss gibt. Somit ist Schwenk ein gefragter Mann, der es schon mehrfach ins Fernsehen und in den „Spiegel“ geschafft hat. Er ist in der Landwirtschaft aufgewachsen. „Ich habe Respekt vor den Tieren. Wenn es den Kühen gut geht, geht es auch dem Menschen gut. Aber es gibt auf dem Bauernhof einen gewissen Kreislauf. Zu dem gehört, dass irgendwann auch der Metzger kommt.“ Und das Gleichgewicht muss stimmen. „Der Waschbär kann über seinen Kot den Waschbärspulwurm auf den Menschen übertragen.“ Und ein Waschbär kommt selten allein. Die Population, die derzeit den Landkreis überschwemmt, hat ihre Ursprünge im hessischen Edersee, weiß Schwenk.

Wer ihn zur Hilfe ruft, bekommt erst einmal eine Beratung bei einem Vorort-Termin. Egal, um welchen Eindringling es sich handelt. Vogel- und Katzenfutter wegsperren, den Komposthaufen absichern, Mülltonnen und Gelbe Säcke erst morgens hinausstellen, sämtliche Zugänge ins Haus dichtmachen, also auch Katzenklappen – das rät er seiner Kundschaft als Erstes. Schwenk ist Befürworter eines ganzheitlichen kommunalen Wildtiermanagements. „Die Städte und Gemeinden müssen zu sammen mit den Tier- und Naturschutzverbänden planen, wie viele Wildtiere ihr Siedlungsraum verträgt.“ Und dann entsprechende Maßnahmen einläuten. Während Kirchheim unter den Problembären leide, sei es in Esslingen der Fuchs, in Ostfildern der Dachs.„Baden-Württemberg ist das erste Bundesland, das erkannt hat, dass das Problem mit Wildtieren im Siedlungsraum immer größer wird und man spezialisierte Jagdscheininhaber braucht, die sich mit den besonderen Herausforderungen in den bewohnten Gebieten auskennen“, sagt Schwenk. Deshalb wurde 2020 der Stadtjäger – eigentlich kein geschützter Rechtsbegriff – institutionalisiert. Eine Durchführungsverordnung regelt, welche Qualifikationen Menschen brauchen, die dort, wo die Jagd ruht, eingesetzt werden können.

Sobald Schwenk ein Tier in die Lebendfalle gegangen ist, bekommt er auf seinem Handy die Meldung – und reagiert umgehend. Seinen Fang erschießt er vor Ort. „Aussetzen hätte nichts mit Tierschutz zu tun. Die Tiere sind in der Falle in maximaler Panik. Zudem setzt man sie anderen Wildtieren in deren Revier – das ist ein riesiges Problem“, sagt er. „Die Natur ist alles – nur nicht lieb.“

 

Stadtjäger Christian Schwenk

Weg Christian Schwenk, Jahrgang 1973, ist in der Nähe von Köln geboren und lebt seit 2004 in Baden-Württemberg. Seit 2011 wohnt der hauptberufliche Landesbeamte in Lenningen-Schopfloch, wo er auch im Ortschaftsrat und im Naturschutzzentrum aktiv ist. Auf einem Bauernhof groß geworden, hatte er schon früh Berührungspunkte mit der Jagd. Schwenk hat den Jagdschein gemacht, sich zum Revierhegemeister, Wildtierschützer und nebenberuflichen Stadtjäger weitergebildet. Zudem kann man ihn als Naturpädagogen für Kindergarten und Grundschule buchen.
Aufgabe Schwenk hilft Betroffenen im Kreis sowie in Stuttgart und Umgebung, wenn sie Probleme mit Wildtieren haben. Bezahlt wird er von seinen Auftraggebern. Nach einem Vor-Ort-Termin erarbeitet er individuelle Lösungen für Probleme mit Waschbären, Steinmardern, Dachsen und Co. biz